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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 40.1924-1925

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Bulle, Heinrich: Attische Grabvasen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14152#0073

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nr........wmi i TmammmStjätiZS.

LEKYTHE AUS ERETRIA (ATHEN)

Oral), aber auch nach der Beiladung wurde das
Opfer wiederholt ; man zerbrach die Gefäße am
Grabe, damit das Ol in ehe Erde dringt. Vus
diefer Sitte hat lieh im fünften Jahrhundert ein
befonderer Kunftzweig entwickelt, das Bemalen
des tönernen Ollläl'chchens (Lekythos) mit
bunten Farben. Das war für damals alles andere
als ein vornehmer Kunftzweig; Ariftophanes
fpottet in der „Frauenvolksverfammlung" über
einen folchen Lekythenmaler. der Totenfläl'ch-
chen macht, und die Flüchtigkeit des Zwecks
läßt die geringe Schätzung begreifen. Heute
werden die befTeren Stücke mit Taufenden be-
zahlt. Gerade die Leichtigkeit der Technik —
fchwarze Konüu-zcichnung auf weißem Grund,
einzelne Flächen bunlangelufcht.mil Bot. Braun,
Gelb, ^ iolelt, Blau — läßt uns einen Blick in
das fabelhaft künftlerifehe Können der Zeit tun,
weil es hier nicht durch die Zähflüffigkeit des
Malmittels und die tektonifche Bücklicht in fo
beftimmte Traditionen eingefpannt war, wie bei
der Bemalung der gewöhnlichen „Firnis"vafen.
Allerdings geben die Lekythen nicht ganz das.
was der Künfthiftoriker vielleicht am liebfteu

gehabt hätte: Beflexe aus der großen Malerei
des Zcuxis und Parrhafios, aus jener Epoche, in
der die Schickfalsftuade der eigentlichen Malerei
gekommen war und die grüßte Entdeckung, an
der alle älteren Kulturen vorbeigegangen, ge-
macht wurde: durch Licht und Schalten und
durch die Veränderung der Lokalfarbe den Kör-
per auf der Fläche darzuftellen. Nur ganz wenige
Lekythenmaler wagen diele ungeheuere Neue-
rung anzunehmen und legen hie und da mit
gleichfarbiger Schraffierung einen Körperfchat-
ten in die Grundfarbe. Aber die Mehrzahl geht
ihre eigenen \\ ege, um dafür innerhalb eines
reinen Konturftils in AnpalTung an die tekto-
nifche Fläche ^ ollendetes zu leiften. Es ift die
Nachgiebigkeil eines biegfamen, der augenblick-
lichen Empfindung gehorchenden Inftrumenls.
das bei den Begabten den Strich fo reizvoll und
belebt macht. Ein Meifter. deflen Slücke fich
auch durchGröße und raffirderteFarbennuancen
auszeichnen, hat Geftalten von vollendeter Le-
bensempfindung gezeichnet, die an Slimmungs-
wert einer modernen Radierung nahekommen
Die Stimmung aber ift es vornehmlich neben

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