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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 40.1924-1925

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Schinnerer, Adolf: Die Münchner Neue Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.14152#0233

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KARL MENSE

KÜSTENLANDSCHAFT ALF ISCHIA

DIE MÜNCHNER NEUE SECESSION

Von ADOLF SCHDOJERER

Die Geschichte der Münchner Neuen Seces-
sio» beginnt nicht erst mit der Gründung
im November 1913- ihre Wurzeln hat sie in den
Bestrehungen der jüngeren Generalion, die
schon Jahre vorher dem Münchner Kunstleben
einen neuen Impuls gaben. Diese Bestrebungen
sind so vielgestaltig, daß man ihnen kein ge-
meinsames positives Motto geben kann, höch-
stens ein negatives: man wollte Anderes, als die
Generation, die vor zwanzig Jahren die Seces-
sion ins Leben gerufen halte.
\\ ir müssen uns darüber klar sein: Stilwand-
lungen sind nicht willkürliche, unkontrollier-
bare \\ andlungen des Geschmacks, sie bezeich-
nen Etappen der Erkenntnis. Die bildende Kunst
ist so gut ein Teil Y\ elterkennlnis wie die Wis-
senschaft, erst diese Eigenschaft gibt ihr den
hohen, ja den höchsten \\ ert im Reigen der Be-
tätigungen des menschlichen Geistes.
VN enn die Naturwissenschaft des Mittelalters
sich mit vier Elementen begnügte, die des
ig. Jahrhunderts deren 80 brauchte, die neueste

diese 80 zerschlägt, um auf einen Grundstoff zu
kommen, so zeichnet diese Entwicklung auch
die Entwicklung der Kunst. Die alten Kölner,
die frühen Sienesen kannten z. B. den Baum,
ein Ding, das es schon zu Beginn der Renais-
sance nicht mehr gibt, denn da gibt es Birken
und Eichen, Linden und Nadelbäume. Aus Dü-
rers oder Grünewalds Bildeiii kann man eine
ganze Botanik zusammenstellen. Schon Lei Leo-
nardo und später bei Rembrandl ist der Y\ ald
nicht mehr eine Summe von Bäumen, sondern
ein selbständiger Begriff, und bei den Impressio-
nisten gibt es je nach Tageszeil und Lichteiii
fall unzählig viele \\ älder. Die zunächst so ein-
fachen, runden Formbogriffe spalten sich fort-
während in immer kleinere Teile, komplizieren
sich so, daß sie schließlich nicht mehr zu erken-
nen sind.

Nun ist aber Malerei nicht einfach \\ iedergabe
der Natur, wäre sic's, so würden uns alle bis
gestern geschaffenen Bilder un\ollkommen er-
scheinen. Sie ist eine Sprache der Seele. Wir

Die Kunst für Alle. XXXX.

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