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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 40.1924-1925

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Schinnerer, Adolf: Anders Zorn als Radierer
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https://doi.org/10.11588/diglit.14152#0308

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ANDERS ZORN ALS RADIERER

Der Name Anders Zorn weckt die Y orstel-
lnng von sehr wirksamen Radierungen,
breite, in verschiedenen Richtungen herunter-
gefegte Strichlagen ergeben ein einprägsames
Bild, von Porträts mit starker Helldunkelwir-
kung und von vielen Mädchen- oder Frauen
akten, die Porträts zu sein scheinen. Zorn ist
ein Name von internationaler Betonung wie etwa
Rops oder Herkomer, er ist wie diese der Stolz
der Auktionskataloge und der Graphiksammler.
Diese ein wenig primitiven Vorstellungen kann
man erweitern in dem eben neu aufgelegten
Band „Anders Zorn" der Sammlung „Graphi-
sche Bücher", die Ernst Arnold in Dresden
herausgibt*). Das Buch ist sehr schön gedruckt
und gibt in seinen hundert Reproduktionen nach
Radierungen Zorns eine erschöpfende Darstel-
lung seiner Kunst.

Zorn ist kein Problem, um das man ringen
müßte. Er ist eine von den glücklichen Naturen,
die etwas machen, das überall einleuchtet, die
fröhlich und unbekümmert ihr Talent nützen.
Dieses erscheint wie eine reine Naturgabe, etwa
wie die besonderen Stimmbänder eines Tenors,
und für nichts ist das Publikum so dankbar wie
für diese Art von ^ eranlagung, die gibt, ohne
zu verlangen. Typisch für sie ist das Fehlen
einer eigentlichen Entwicklung. Die Leistung
ist nicht so wie bei den großen Meistern ein fort-
laufendes Bild des Lebens, vom Uberschwang
und der Problematik der Jugend bis zur Weis-
heit und Tiefe des Alters, sie ist nach den ersten
\ ersuchen da. bleibt konstant und verflacht eher,
als daß sie sich steigert.

Zorn hat wie wenige das Gesicht seiner Zeit,
so sehr, daß wir vor seinen Blättern heute schon
das Gefühl haben, sie sind von gestern, aus der
Zeit, in der der geformte Naturbegrilf der Klassi-
zisten mit dem ungeformten der photographi-
schen Kamera stritt. Nur ein kleiner Kreis von
Künstlern hat ihn ernsthaft durchgefochten. <li<-
Impressionisten; Zorn blieb neutral, er hat sich

*) Anders Zorn als Radierer. Herausgegeben von Axel Rom-
dabl. Mit IOO Abbildungen. 2. Auflage. Dresden: Ernst Arnold.

aus jedem Lager geholt, was er brauchen konnte.
Der Stil seiner Frühzeit liegt etwa zwischen
Hellen und Herkomer. Die offene Strichfüh-
rung, die aus parallel gerichteten langen Stri-
chen gebildete Modellierung verbindet ihn mit
Hellen, mit Herkomer die bildmäßige Auffas-
sung seiner Graphik und deren toniger Aufbau.
An Rembrandtschen Porträts hat er sich dann
so erzogen, daß aus dem malerischen Bildstil
ein wirklich graphischer Stil sich entwickelte.
Rembrandts Bildnisslil unterscheidet sich von
dem Dürers dadurch, daß die Modellierung nicht
überall gleichmäßig durchgeführt ist. die Form
ist im Licht offen, im Schalten erst erhält sie
ihre volle räumliche Durchbildung, und diese
Schatten sind in die Dunkelheiten der Umge-
bung mit breiten Strichen, die wie Lasuren wir-
ken, so eingebaut, daß eine einheitliche Licht-
und Schattenbahn entsteht. Zorn hat aus diesem
Nebeneinander von ausgespartem Licht und
farbig differenzierten Schatten, aus diesen La-
suren Rembrandts, seinen Stil gewonnen. Das
Aquarell stand Pate. Die Dunkelheiten sind
durch sehr bewußten Wechsel in der Nadel-
führung reich gemacht. In der Charakteristik
seiner Köpfe versteht er mit ganz wenigen tref-
fenden Strichen auszukommen. Das Selbstbild-
nis, eines der glänzendsten Blätter Zorns, ist
ein schönes, sprechendes Beispiel dafür, wie der
Wechsel in der Nadelfuhrung allein schon Ton-
werte ergibt. Es ist schön, wie aus den male-
risch bewegten Dunkelheiten der Kopf und der
Rock farbig nach vorne kommt, wie die Valeurs
von Rock. Palette und Fußboden mit den Mit-
teln der Radierung gegeben sind. Der auf die
Palette geworfene Schatten, ferner, wie diese
selbst mit großen Strichen mit dem Hintergrund
verbunden und in der zweiten Hälfte gegen ihn
abgesetzt ist, das gibt einen reichen Klang von
Farben. Es ist ein mehr malerisch als zeichne-
risch bestimmter Stil. Ein Zeugnis dafür ist
auch die Art, wie Zorn seine Blätter drucken
läßt, er nimmt den einzelnen Strichen ihr Son-
derdasein und zieht sie zu Tönen zusammen.
VN enn die Platte mit Druckerschwärze eingerie-

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