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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 40.1924-1925

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Schumann, Paul: Dresdner Kunstausstellungen
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Ottmann, Franz: Österreichische Kunstausstellung 1900-1924
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https://doi.org/10.11588/diglit.14152#0082

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liches zugeführt. Man ift verfucbt, Dills ..Stier-
kampf" als das belle Bild der Ausheilung zu be-
zeichnen.

Unter den plaftifchen Werken der Genoflen-
fchaft ragen die fehr lebendigen trefflichem Bü-
ften von H. E. Grämer hervor, daneben von Paul
Berger ein ganz vorzüglicher w eiblicher Halljak 1
in Kalkftein, dem bei der Aufhellung der Kopf
abgefchlagen wurde und der nun eigenartiger
W eife als Torfo weit monumentaler wirkt als
mit dem an lieh auch nicht übel wirkenden Kopf,
der gefondert verkauft worden ift.
Die \ ertreter derSeceffion find merklich zahmer
geworden als in früheren Jahren. Kandinsky,
Feininger, Klee haben nichts wefentlich Neues
zu l agen. Unter den Dresdner Seceflioniften ragt
Otto Lange mit fiebenLandfchaften.Segelfcliilfe.
in linearem Rhythmus und weit belferen graphi-
fchen W erken hervor. Otto Griebel „ Ausw an-
derer" und fein familienbildnis lind anmutende

Leiftungen, aber kaum feceflioniftilch. Nennen
wir noch ans diefer Gruppe Max Bufyn.W ilhelm
Laclmit, C. von Mitfchke-Collande, Otto Dix,
der unter anderm ein peinlich I charf charakteri-
lierendes männliches Bildnis ansgeftellt hat, und
den Bildhauer Chriftoph \ oll, der heb mit feiner
Holzplaliik, besondere dem „TaubltummeiiMäd-
chen", fowolü nach der Seite des Ausdrucks w ie
der Technik als einen hochbegabten Künftler
ausweift. Auch Rudolf Borns ftreng fiililicrle
Gruppe „Sufanna" (in Porphyr) ift ein der An-
erkennung wertes W erk.

Auch eine kleine architektonifehe Abteilung w ar
der Ausheilung der Kunftgenoffenfchaft ange-
gliedert. Das Befte gaben hier Franz Hünerfeld
fGaftftätte der Po rzcllanfabrik Dermsdorf), Hans
Wielinger (Porzellanfabrik in freiberg) und
Bernhard \\ eyrather(Gefchäftshaus). Der fach-
lich einfache zw eckmäßige Stil ihrer Bauten er-
fchehit im lerer Zeit befonders angemeflen.

P. Schumann

ÖSTERREICHISCHE KUNSTAUSSTELLUNG 1900 — 1 924

Die vier großen Y\ iener Kunft Vereinigungen
haben lieh in diefem Herbfte — mit Rück-
licht auf das gleichzeitige Mufik- und Theater-
feft — im Künftlerhaufe zu einer Rückfchau
vereinigt. Einige „VS ilde" wären nach ihrem
Charakter leicht unter die vier aufzuteilen, die
lieh nach ihrer Eigenart auch heute noch ziem-
lich fcharf voneinander abheben, w enn Qe lieh
auch allmählich einander genähert haben. Man
könnte ungefähr ehe vier Temperamente in
ihnen ausgedrückt linden, viel- Ausftrahlungen
des menfehlichen \\ efens, die wenigftens den
heutigen Oiterreieher ziemlich erfchöpfend re-
präfentieren, wenn auch einige bedeutende
Künftler wie Clemenlfchifch, Currv, Harta,
\ 1 crkl, Sterrer gar nicht vertreten lind. Die Ten-
denzen anderer kehren doch in anderen \\ erken
wieder. Aber diefe fehlen w irklich in einem Ge-
lamthilde der heul igen oflerrcichifchen Kindt.
Die Künfllerhausgruppe empfängt gleich im
elften Saal, als Hausherr, tritt aber fofort be-
fcheiden hinler den Gälten zurück und kehrt
nur noch in zwei Sälen wieder. Sie wäre hier
das phlegmal i l ebe Temperament, die Akademie.
Fellgewurzelt in den feit Jahrhunderten belie-
benden Aufladungen und ihren Methoden, fest-
gewurzelt in dem fehr konfervativen Gefclimack
des \\ iener Publikums, feftgew urzelt aber auch

im ^ olke. Das zeigt lieh in ihrer innigen Ver-
herrlichung der heimifchen Landfchaft und
noch in einem anderen Zuge, delfen Bedeutung
meines Erachtens allgemein üherfehen w ird. Er
mag mit der fchaufpielerifchenNeigung unferes
Volkes zufammenhängen. Nämlich den meiften
von ihnen gelingt es ausgezeichnet (was auch
Defregger J'o w ohl verftand. hingegen Makarl
gar nicht), Affekte in Miene und Haltung aus-
zudrücken. Auch dies ift malcrifche Kunft,
wenn auch nicht des reinen Malens um feiner
felbft w illen. Hier wird eben dem Gegenftand
grolk1 Bedeutung zugefchrieben, aber nicht im
Sinne des intenfivften menfehlichen und zugleich
malerifchen Erlebens (wie etwa bei Delacroix),
fondern im Sinne des Erzählers, der fich an
einer guten Pointe erfreut. Alfo eine gefellige
Kunft, eine Kunft der bürgerlichen Gefellfchaft,
mit deren Fühlen lie völlig übereinftimmt.
Die Seceffion ift — oder war einmal — das
fanguinifche Element, die ftürmifche Jugend —
aber natürlich, man kann nicht durch Jahrzehnte
hindurch die ^ er-sacrum-Slimmung feilhalten.
Aufgebaut auf der Münchner Kunft um 1900,
deren breite, flächige Manier allmählich zur
Tonmalerei gewandelt wurde. (Keine geringe
Leißling: mit breiten Strichen und dennoch
tonig malen!) Audi die Japonismen und Sym-

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