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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 40.1924-1925

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Ottmann, Franz: Österreichische Kunstausstellung 1900-1924
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https://doi.org/10.11588/diglit.14152#0084

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bolismen jener Zeit wirken nach. Docli gibt es
auch eine jüngere Gruppe (Kitt. Dobrowskv.
Schutt u. a.), die fich fehr lebhaft die neueften
Tendenzen aneignet und mit den ererbten [Me-
thoden *zu verlohnen fucht. Überdies pflegt
hier auch eine mehr konfervative Steirer und
eine fehr draufgängerifche Kärntner Gruppe
einzufenden.

Der Ilagenbuiul ift das Haus derFormen-,Licht-
und Farbenfpiele, ein melancbolifches Traum-
land mit Yexierfpiegeln, eine etwas abfeilige
Provinz mit Vizinalbahnen, eine Gefellfcbafl
von Originalen, die meift nur mit den Fuß-
fpitzen diefe irdifche W elt berühren. Aber alle
drängen docli leidenfchaftlich dem Leben zu.
Merkl flüchtet meift in Schäferidyllen, Seibold
und Pbilippi leben in Ekftafen, Ehrlich in der
Sphäre Doftojewskys. Ferner find uns ganz
grüne Menfchen mit grellroten Reflexen fchon
eine ganz vertraute, liebe Tatfache geworden.
Auch die Regenbogenmärchen vonReinitz ge-
raten oft fehr menlehlich, diefe fall fchon gfä-
ferne, jedenfalls durcbficbtige Geifterwclt bat fo
rührend-palhelifche oder zagliaft-demülige Ge-
bärden. Flocli taucht feine Geftalten und Land-
fchaften in eine ergreifende blau-und weinrote
Wehmut Laske ift vielen zu literarifch und
zu wenig malerifch, aber den ausgeladenen und
im Grunde doch fehr melancholifchen Humor
in feinem wimmelnden Menfchen- und Tier-
gefprudel kann ihm niemand abfprechen. —
\\ eniger gilt diefe Charakteriftak von den Pla-
flikeru. Namentlich Barwig ift wunderbar mit
feinem Material verwachfen. Neulich hat er aus
zwei Baumftämmen zwei Männer gefchnitten.
Nur die Arme angeleimt, lonft ein Guß —
meifterhafte Arbeiten. Schade, daß beide Jüng-
linge außer von dem hohen Können ihres
»Schöpfers nichts Gcfcheitcs zu lagen hatten.
A ber was follten lie aucli ? Gerade folcheSpitzen,
folclie Abftraktionen eines Gefellfcliaftskörpers
können docli nichts anderes lagen, als was diefe
Gefellfchaft im liefften bewegt. Und das ift doch
jetzt: dumpfe Ratioligkeil". Suchen. Taften . . .
L ud fofern ift diefe ganze Gruppe ein befonders
treuer Ausdruck des Zeitempfindens.
Hingegen die Kunftfchau-Leute haben fall alle
etwas Rabiates, Ketzerifches, wenn fchon nicht
in ihrer Malerei, fo in ihrem \\ eleu. (Sie brau-
chen deswegen nicht gerade Choleriker zu fein.)
Sie find um Kokofchka gefchart, feine revol-
tierende Gebärde überfchattet die ganze Gruppe.
Auch Kolig fpart nicht mit Angriffen gegen das

gute Herkommen. Moll ift eine aufwühlende
Kraft, der geborene Frondeur, fo freundlich
feine Bilder daherfchauen. Failtauer ift von der
Bauerntradition ausgegangen und fetzt fie mit
wechfelndem Glück auch in Salonbildern fort.
Die einfchmeichelnde Kraft des öfterreichifchen
\\ efens macht feine Kampfflelfung verfölmlich.
die aber docli bei ihm wie bei den andern Mit-
gliedern der Gruppe durch das Bekenntnis zu
einem neuen Formempfinden gegeben ift.
Im oberen Stockwerke lind die Architekten.
.A olkswohnungen" ift das Hauptmotiv, wie es
ja in der Tat das oberfte Problem der Stadt ift.
Viele erfreuliche Löfungen, von denen ja auch
einige fchon verwirklicht wurden. Eines der
heften Projekte von Örley. der am meiften von
Wiener Tradition erfüllt ift und den lokalen
Ton wie kein anderer trifft: ein großer Rlock
um einen Gartenhof durch Einbuchtungen ge-
faltet, fo daß nach innen wie nach außen eine
fehr wohltuende und praktifcheGliederung ent-
lieht. Die meiften andern Bauten find durch die
freie Geftaltbarkeit des Betonbaues benimmt,
die freilich — die große Gefahr — leicht /.u
fpielerüchen Löfungen verführt. Die von felbfi
gegebene YS ucht der tragenden und getragenen
Steine und felbfi. Ziegel ift nun durch monu-
mentales Empfinden zu erletzen. Da muß fich
die perfönliche Kraft des Architekten zeigen.
Jm Landfchaftsbau flehen lieb noch immer zwei
Richtungen feindlich gegenüber: die Ohmann-
Scliule beobachtet den heimifchen Hausbau wie
auch die Landfehaft und fucht Neubauten bei-
den anzupaften. Die andere Richtung leugnet
feit O. \\ agner die Berechtigung der Heimat-
kunft und will alles nur aus Zweck und Material
heraus konflruieren. Aber die Anpaflung an die
Landfchaft fcheini mir doch eine unumgäng-
liche Forderung und damit wird man fchon
wui felber in die Nähe der guten Tradition
kommen, die immer aus der Landfchaft er-
wachfen ift. Nur bei fchfechter Tradition (Fa-
briken, Bahnhöfe und dergl.) ift ein bewußtes
Abweichen zu billigen.

Hoch ragt Peter Behrens empor. Er verlieht
es, die Größe unferer Zeit, die Technik, wirk-
lich zu monumentaler Größe zu gelt allen. Und
doch fleckt das architektonifche Formgeriihl der
Jahrtaufende in feinem W erke. Alan fpürt
durchaus keinen Bruch mit der \ ergangenheit,
trotz der neuen Mittel. Lud fo erhoffen wir
Großes von feinem Einfluß und feiner Schule.

Franz Ottmann

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