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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 40.1924-1925

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Gedon, Mina: Das Bildnis der Frau Gedon: Erinnerungen an Leibl
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https://doi.org/10.11588/diglit.14152#0112

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DAS BILDNIS DER FRAU GEDON

Erinnerung an Leibi von Mina Gedon

Seitdem die Münchner Staatsgalerie das herr-
liche Bildnis der Frau Gedon von Wilhelm
Leibi befitzt,wird foviel über diefes Bild gefpro-
chen und gefchrieben und foviel hall) W ahres,
halb Falfches auch, darüber erzählt, wie diefes
Ih'lcI. das /.werft Eigentum meines Mannes Lorenz
Gedon war, in fremde Hände kam und dann
viele Jahre verfchollen w ar, daß es mich fchon
lauge drängt, einmal felblt die Gefchichte diefes
Bildes zu erzählen, fo wie fie in meiner Erinne-
rung lebt.

Als junge Frau habe ich einem jungen KünfUer
Modell geftanden — und jetzt ift das berühm-
tefte Leiblbild eben diefes Porträt Leibis — das
Bildnis der Frau Gedon, das ihm feinen großen
Namen fchuf.

Es war im Jahre 1869. Ich war feit einem
halben Jahre die Frau des Bildhauers Lorenz
Gedon gew orden. Wir hatten eine kleine Woh-
nung in der Schwanthalerftraße; und da war un-
fere W ohnftnbe ein Anziehungspunkt für viele
junge Künltler, denn mein Mann hatte für diefe
Stube mit großer Liebe fchöne alte Möbel und
Bilder auf Streifzügen durch Augsburg und L Im
gefammelt. Begeiltert kamen die jungen Künltler.
meiftens Alters- und Arbeitsgenoflen meines
Mannes zur Zeit fernes Studiums auf der Aka-
demie, um in unferer Wohnftube zu malen.
Und da kam eines Tages auch Wilhelm Leibi,
mit Malkasten inid Leinwand bewaffnet. Er
nahm nach einigen Stunden eine reizende Studie
mit lieh fort, die wir dann trotz öfteren Fragens
danach nie mehr zu Gelicht bekamen.
Ungefähr nach vierzehn Tagen erfchien Leibi
wieder bei uns, aber nicht mehr um das Stüb-
chen zu malen, sondern mit der Bitte an meinen
Mann, die Bewohnerin der Stube malen zu dür-
fen. Das w ar für mich ein neues Erlebnis, daß
nicht nur meine W ohnftnbe, fondern auch ich
felbft malensw ert fei. — Leibi war damals fünf-
undzwanzig Jahre alt, eine kräftige, gedrungene
Athletengeltalt. Nach feiner ganzen Art, wie er
(ich kleidete und gab, hätte ich keinen Künftler
in ihm vermutet. Er war gerade aus der Aka-
demie ausgetreten und hatte noch kein Atelier.
Mein Gatte, welcher fchon auf der Akademie
ein großes Interefle für Leibi und feine Be-
gabung hatte, willigte gerne ein, daß er mich

male, und verfprach Leibi, daß er ihm mit
Atelier und allem behilflich lein wolle. Es freute
meinen Mann, daß Leibi mit diefem Bilde fein
Gluck in der Ausheilung machen w ollte. Im Bild
haueratelier meines Mannes w urde ein W inkel
eingerichtet. Ich freute mich fehr darauf, bei
der Entfiehung eines Bildes nicht nur als Zu
Ichauerin, fontlern als Modell zu dienen.
In meinem Staatskleide aus heller Rohleide,
einen alten Fihgranfchmuck mit roten Steinen
um den Hals, — dielen Schmuck belitze ich
noch—mit einem kleinen, grauen Strohhute am
Arme, fo Itand ich da und wartete der Dinge,
die da kommen füllten. Die erfte Sitzung war,
durch meine Schuld, nicht von langer Dauer.
Ich erkannte bald, daß das Gemaltwerden keine
fo leichte Sache fei. Der vertiefte Maler malle
und malte, und ich als junge Frau in einer ^ er-
fafiung, in welcher es fchwer ilt, lange Hille zu
flehen, w urde blauer und blaffer, fo daß es nlilig
wurde, die Sitzung zu unterbrechen. Leibi war
unglücklich und ich befchämt über meine
Schwäche. W ir befprachen, daß die Sache fin-
den nächften Tag befler eingerichtet werden
müfTe. Es füllte für Stärkung mit Speife und
Trank geforgt werden, und fo ging es wieder
frohgemut mit Gatte und Maler und den heften
Vorlätzen ins Atelier. Zwei Stunden Itand ich
ununterbrochen tapfer. Mein Gatte mahnte
einigemale, daß ich ausruhen und mich Jtärken
müfTe, doch Leibi machte darüber ein fo un-
glückliches Geficht, daß ich jede Unterbrechung
ablehnte. Aber leider mutete ich mir zu viel
des Guten zu. Ein plötzlicher fchwarzer Nebel
vor den Augen, ein Saufen in den Ohren, und
ich fand mich in den Armen meines Mannes,
der mich gerade noch vor einem Sturze be-
wahrte. Als ich aus der Ohnmacht wieder er-
wachte, fah ich ein erfchrecktes, aber auch fehr
ärgerliches Geficht und eine tiefe Stimme
brummte grollend: Teufel, Teufel! Mein Mann
bemühte fich. Leibi den Grund meines Unw ohl-
feins—meiner Zimperlichkeit, w ie diefer meinte
— zu erklären. Nun Rammelte Leibi allerdings
mit einigen verlegenen W orten eine EntfchuT
digiujg, aber er wäre eben gerade fo fchön im
Zuge gewefen, — und fo wunderbar — und des-
halb eben: Teufel, Teufef!

Die Kunst für Alle. XXXX. 4- Januar 1925

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