OTTO M. PORSCHE
STÜDIENK.OPF
OTTO MARIA PORSCHE
Wenn es lieh darum handelte, eine Formel
zu finden, die am einfachften den W efens-
unterfchied zwifchen nord- und füddeutfeher
KunftauffalTung zum Ausdruck brächte, fo
hätte man nur nötig, an die grundverschiedene
Eiiiliellung des Nordens und des Südens zur
dekorativen Kunlt zu erinnern. Man weiß, daß
der Süden, vor allem München, immer eine
offen zur Schau getragene Eiebe zum Dekora-
tiven gehabt hat. Zwar find in München im
letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts
auch die größten und folgenreichllen Taten auf
dem Gebiete der abfohlten Malerei gefchehen.
Aber daneben hat es immer auch eine Gruppe
der „Dekorativen" gegeben. Es find nicht die
fchlechtefteii Schöpfungen, die wir ihr danken.
Und beltimmt lind es die Münchnerifcheften;
denn das Schmücken, das Feftlich-geftalten-
\\ ollen und, damit zufammenhängend, das
Phantafieren, Träumen und Schwelgen im Frei-
Erfundenen gehört nun einmal zum Münchner
Künftler und erklärt lieh leicht aus der Lage
der Stadt vor den Toren Italiens und aus dem
Charakter ihrer Bewohner, die immer ein biß-
chen von der Art der Phäaken gewefen find.
Der ftrengere Norddeutfche dagegen fieht in
der dekorativen Malerei gerne fo etwas wie ein
illegitimes Kind der Frau Kunlt, während fie
doch, ohne Vorurteil gefehen, vielleicht gerade
ihr legitimftes ift. Denn ift es nicht von Anbe-
ginn an, foweit nicht religiöfe Zwecke in Frage
kamen, die vornehmfte und fchönfte Aufgabe
der Kunlt gewefen, zu fchmücken ? Sicherlich
hat die Renaifiance die Kunft mindeftens eben-
1 ofehr um ihrer dekorativen wie um ihrer geiftig-
ethifch - religiölen W erte und Eigenfchaften
Die Kunst für Alle. XXXX. 5. Februar 1925
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STÜDIENK.OPF
OTTO MARIA PORSCHE
Wenn es lieh darum handelte, eine Formel
zu finden, die am einfachften den W efens-
unterfchied zwifchen nord- und füddeutfeher
KunftauffalTung zum Ausdruck brächte, fo
hätte man nur nötig, an die grundverschiedene
Eiiiliellung des Nordens und des Südens zur
dekorativen Kunlt zu erinnern. Man weiß, daß
der Süden, vor allem München, immer eine
offen zur Schau getragene Eiebe zum Dekora-
tiven gehabt hat. Zwar find in München im
letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts
auch die größten und folgenreichllen Taten auf
dem Gebiete der abfohlten Malerei gefchehen.
Aber daneben hat es immer auch eine Gruppe
der „Dekorativen" gegeben. Es find nicht die
fchlechtefteii Schöpfungen, die wir ihr danken.
Und beltimmt lind es die Münchnerifcheften;
denn das Schmücken, das Feftlich-geftalten-
\\ ollen und, damit zufammenhängend, das
Phantafieren, Träumen und Schwelgen im Frei-
Erfundenen gehört nun einmal zum Münchner
Künftler und erklärt lieh leicht aus der Lage
der Stadt vor den Toren Italiens und aus dem
Charakter ihrer Bewohner, die immer ein biß-
chen von der Art der Phäaken gewefen find.
Der ftrengere Norddeutfche dagegen fieht in
der dekorativen Malerei gerne fo etwas wie ein
illegitimes Kind der Frau Kunlt, während fie
doch, ohne Vorurteil gefehen, vielleicht gerade
ihr legitimftes ift. Denn ift es nicht von Anbe-
ginn an, foweit nicht religiöfe Zwecke in Frage
kamen, die vornehmfte und fchönfte Aufgabe
der Kunlt gewefen, zu fchmücken ? Sicherlich
hat die Renaifiance die Kunft mindeftens eben-
1 ofehr um ihrer dekorativen wie um ihrer geiftig-
ethifch - religiölen W erte und Eigenfchaften
Die Kunst für Alle. XXXX. 5. Februar 1925
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