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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 40.1924-1925

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Akademie und Kunstgewerbeschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.14152#0193

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AKADE^HE UND KÜNSTGEWERBESCHULE

I

11 ganz Deutschland hat sich, in der Haupt- sind. Sie wollen nämlich etwas Gründliches und

sache aus wirtschaftlicher Not geboren, eine Positives erlernen und müssen es um so nötiger.

Bewegung ausgebreitet, die zunächst nur als je mehr ihre Begabung, ihr Wille und äußere

Maßnahme der staatlichen Unterrichtsverwal- Umstände sie auf die Beherrschung des wider-

tung erscheinen könnte, nämlich die Verbin- spenstigen Materials hinweisen. Und mit diesen

• hing von Akademie und Kunstgewerbeschule zahlreicheren hat es Stadt und Staat vornehm-

zu einer erzieherischen Einheit. Sieht man lieh als Erzieher zu tun und kann heule keine

näher zu, so handelt es sich um einen tiefein- ästhetischen Experimente machen. Dem Staate

schneidenden und stark auswirkenden Eingriff kann nichts daran gelegen sein, und er ist mit

in den Aufbau unserer Kunsterziehung. Wir seinenMitteln auch unfähig dazu, einige wenige

haben in der Angelegenheit die Meinung eini- hochgezüchtete Spitzenleistungen, wenn sie nun

ger hervorragender Künstler eingeholt und kön- gar geschmäcklerischer Natur sind, zu erzielen.

len heute folgende Antworten veröffentlichen. sondern er wird seine Sorge vor allem der

breiten Masse zuwenden müssen. Er gleicht

Fritz Erl e r sonst einem sonderlichen Gärtner, welcher köst-
liche Kellersellerie Für einige Feinschmecker

Es ist freilich sehr einfach, wie es in Berlin kultiviert und den wertvollen Freilandgarten
geschah, durch einen amtlichen Federstrich achtlos verwildern läßt, obgleich man Bohnen,
und mit Hilfe eines wackeren Möbelspediteurs Erbsen und Buben für viele benötigt.
Hochschule und Kunstgewerbeschule äußerlich Eine singulare Begabung, wie Olaf Gulbranson
zusammenzulegen und mit großen Schlag- zum Beispiel, genialer Autodidakt, braucht nur
worten wie „Einheitsschule, ars una" usw. in ein verkohltes Zündholz und einen Fetzen Pa-
Zeitungen und schöngeistigen Zeitschriften zu pier, um ein wirkliches rundes Kunstwerk von
operieren. Aber es ist sehr oberflächlich. Bei allgemeiner Gültigkeit hervorzuzaubern. Er hat
dieser räumlichen Zusammenlegung oder Pfer- mit dem Handwerk, das die Erfahrungen langer
chung kommt nicht viel mehr heraus als eine Generationen darstellt, gar nichts zu tun und
Art Verkunstgew erblichung der Hochschule kann der Werkstattlehre leicht entraten. Ja, es
und Akademisierung der Kunstgewerbeschule, ist fraglich, ob sie ihn gefördert hätte. Dieselbe
was in der titelhörigen öffentlichen Meinung, Gesinnung auf viele Tausende von mittelmäßi-
soweit sie sich überhaupt heute dafür interessiert, gen, wenn überhaupt begabten Schmieden, De-
jene herabsetzt und diese hebt. Daß die dabei korationsmalern, Druckern, Webern, Buchhin-
Herabgesetzten hörbar murren, ist natürlich, dern, Schnitzern, Metallarbeitern usw. anwenden
daß die Gehobenen ganz stille sind, ist diplo- zu wollen, deren Lebenslos nicht vom genialen
malisch, daß der preußische Landtag den Kunst- Einfall, sondern in vielfälliger Abstufung von
fragen verständnislos gegenübersteht, üblich, ihrem handwerklichen Können abhängt, sollte
Bei einer derartig versuchten „Lösung" wird für Stadt und Staat indiskutabel sein. Es wird
der Kern des Problems „Kunst und Handwerk" aber diskutabel, wenn man weiß, daß Olaf, um
gar nicht berührt, es findet nur eine dekorative bei dem Beispiel zu bleiben, ausgerechnet an
Umgruppierung, eine kaleidoskopartige Schie- der Munchener Kunstgewerbeschule als Lehrer
bung statt, die ein neues Bild, aber kein neues bestellt wurde, oder daß umgekehrt in Berlin
Wesen ergibt, einstweilen, bis das Experiment trotz des Widerstrebens der Einsichtigen vom
andersherum wiederholt wird. Cui bono? preußischen Ministerium ein Lehrer für Mal-
Die beliebten Diskussionen über Rangordnung technik angestellt wurde, der aber sogleich nach
oderVorrang von Handwerk, angewandte Kunst, dem „rückständigen" München beurlaubt wer-
Kunsthandwerk, freie Kunst usw. sind völlig den mußte, um sich von Meister Doerner in die
müßig und unfruchtbar, mindestens für die, Geheimnisse des unumgänglichen Leims, der
welche in dem einen oder anderen ihrer Natur verdächtigen Firnisse, Balsame und Öle erst ein-
nach zum Hervorbringen befähigt oder gedrängt weihen zu lassen.

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