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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 40.1924-1925

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Friedrich, Caspar David: Aphorismen und Verse
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https://doi.org/10.11588/diglit.14152#0232

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VPHORISMEN UND VERSE VON C. D. FRIEDRICH

ÜBER KUNST UND KUNSTGEIST
Es sei mir vergönnt, noch einmal in aller Kürze
meine Ansichten über das, was Kunst und
Kunstgeist in dem Menschen ist, zu zeigen. Du
sollst Gott mehr gehorchen denn den Menschen.
Jeder trägt das Gesetz von Recht und Unrecht
in sich; sein Gewissen sagt ihm: dieses zu tun.
jenes zu lassen. Die heiligen zehn Gebole sind
der reine lautere Ausspruch unser aller Erkennt-
nis vom Wahrhaften und Guten. Jeder erkennt
sie imbedingt als die Stimme seines Innern, nie-
mand kann sich dagegen empören. \\ illsl du
dich also der Kunst widmen, fühlst du einen Be-
ruf, ihr dein Leben zu weihen, oh! so achte ge-
nau auf die Stimme deines Innern, denn sie ist
Kunst in uns. Hüte dich vor kalter Viel wisserei,
vor frevelhaftem Vernünfteln; denn sie tötet
das Herz, und wo das Herz und Gemüt im
Menschen erstorben sind, da kann die Kunst
nicht wohnen! Bewahre einen reinen kindlichen
Sinn in dir und folge unbedingt der Stimme
deines Innern; denn sie ist das Göttliche in uns
und führt uns nicht irre.

Heilig sollst du hallen jede reine Regung deines
Gemütes: heilig achten jede fromme Ahndung:
denn sie ist Kunst in uns! In begeisternder
Stunde wird sie zur anschaulichen Form; und
diese Form ist dein Bild! Keiner soll mit frem-
dem Gute wuchern und sein eignes Pfund ver-
graben! Nur das ist dein eignes Pfund, was du
in deinem Innern für wahr und schön, für edel
und gut anerkennst!

Mit eignem Auge sollst du sehen und, wie dir
die Gegenstände erscheinen, sie treulich wieder-
geben; wie alles auf dich wirkt: so gib es im
Bilde wieder! V ielen wurde wenig, wenigen viel
zuteil: jedem offenbart sich der Geist der Na-
tur anders; darum darfauch keiner dem andern
seine Lehren und Regeln als untrügliches Ge-
setz aufbürden. Keiner ist Maßslab für alle:
jeder nur Maßslab für sich und für die mehr
oder weniger ihm verwandten Gemüter. So ist
der Mensch dem Menschen nicht als unbeding-
tes Vorbild gesetzt, sondern das Göttliche, Un-
endliche ist sein Ziel. Die Kunst ist unendlich,
endlich aller Künstler Wissen und Können.
Vach dem Höchsten und Herrlichsten mußt du

Aus: Caspar David Friedrich, Bekenntnisse. Verlag Klink—
hardt & Biermann, Leipzig.

ringen, wenn dir das Schöne zuteil werden soll.
Darum, ihr Lehrer der Kunst, die ihr euch
dünket so viel mil eurem Wissen und Können,
hütet euch sehr, daß ihr nicht einem jeden
tyrannisch aufbürdet eure Lehren und Regeln:
denn dadurch könnt ihr leichtlich zerknicken
die zarten Blumen, zerstören den Tempel der
Eigentümlichkeit, ohne den der Mensch nichts
Großes vermag! Ihr vermöget doch nichts Bes-
seres aufzubauen; wie viel ihr euch auch dün-
ket, das Eigentümliche im Menschen zeigt sich
auf eigene \\ eise, jeder nach seiner inneren
Natur auf andere Art. Eure Lehren können <nil
sein, doch für einen jeden passen sie nicht; denn
nicht jede Blume gedeihet auf jedem Boden.
Nur Gottes Gesetze gellen für alle und sind in
aller Menschen Herzen geschrieben, die heiligen
zehn Gebole.

DER KÜNSTLER ÜBER SICH SELBST
.... Was uns in besseren Stunden, wo sich der
Mensch dem Ewigen näher fühlet, das volle
Herz bewegt, das vermögen deine und keines
Menschen Worte auszusprechen. Nur Tränen
sind es, und diese erkennt nur der, so Herz und
Nieren prüfet

Ihr nennt mich Menschenfeind.
Weil ich Gesellschaft meide,
Ihr irret euch.
Ich liebe sie.

Doch um die Menschen nicht zu hassen,
Muß ich den Umgang unterlassen.

Warum, die Frag ist oft zu mir ergangen,
Wählst du zum Gegenstand der Malerei
So oft den Tod, Vergänglichkeil und Grab?
Um ewig einst zu leben,
Muß man sich oft dem Tod ergeben.

Ihr lobt mich oft mit lauten Zungen,

Wie wunderschön ist dies gelungen.

Wie tief und herrlich durchgedacht.

Oft schwieg ich still. Oft hab ich auch gelacht

Doch wenn ich das, was ich mit voller Seel"

empfunden,
Was frei vol I Geis l dem Pinsel mir entschw unden.
Gezeigt, und ihr seid kalt geblieben.
Konnfs in der Seele mich beh üben.

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