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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 40.1924-1925

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Zu Schnorrs "Blick auf Salzburg"
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ZU SCHNORRS „BLICK AUF SALZBURG"

Der siebzehnjährige Julius Schnorr von Ca-
rolsfeld verließ im Jahre 1811 sein Vater-
haus in Leipzig und ging nach \^ ien, wo ihm
zwei Brüder lebten, die, wie er, sich der bildenden
Kunst beflissen. Julius Schnorr hatte ihnen ge-
schrieben: „Meine Prinzipia sind: ein guter
Künstler oder gar keiner; niemand lästig zu
lallen und bald nach Italien zu gehen." Das
Letztere mußte ihm noch lange Zeit ein from-
mer Wunsch bleiben. Der Zusammenbruch
der napoleonischen Macht und die dadurch ver-
anlaßt e Umwälzung im europäischen Staaten-
system banden Julius Schnorr an Y\ ien, wo er
sechs Jahre lang verblieb. Franz Schnorr von
Carolsfeld, der die italienischen Briefe des Julius
Schnorr herausgab, weiß von der Zeit, die dem
Antritt der italienischen Reise Schnorrs —
6. November 1817 — unmittelbar vorausging,
folgendes zu berichten: „Eine Zeit lang erfreute
ihn die Hervorbringung schwächlicher Schäfer-
bildchen; doch er uberw and diese Neigung und
schrill bald zu männlich ernsten, den tieferen
geistigen Inhalt der Kunst erfassenden Anschau-
ungen. Es entstanden Arbeiten, in denen inner-
lich Erlebtes, langsam Erworbenes Gestaltung
gewann." Sowohl Franz Schnorr als Julius
Schnorr selbst in seinem 1855 niedergeschrie-
benen „Bericht über mein Leben" bezeichnen
als wertvollstes Bild der voritalienischen Zeit
die „Wallfahrt", auch „Almosenverteilung des
Hl. Rochus" genannt, das Weigel in Leipzig
kaufte und dem Leipziger Museum als Schen-
kung überwies. Das Bild wurde in den Mo-
naten September und Oktober des Jahres 1817
ausgeführt,nachdem imSommer vorher Schnorr
sein Vaterhaus in Leipzig wieder aufgesucht
und auf dem Rückwege sich längere Zeit in
Berchtesgaden und Salzburg aufgehalten halte.
Franz Schnorr meint, daß trotz des einige Jahre
zurückliegenden Entwurfes zum almosenver-
teileuden Rochus die „Grimdslimmung" lies
Bildes der Salzburg-Berchtesgadener Reise ver-
dankt werde, die den Künstler erfrischte und
anregte.

Von dieser Reise, dem entscheidenden letzten
Erlebnis Julius Schnorrs vor seinem Eintritt in

den römischen Kunstkreis, besitzt man ein un-
gemein ansprechendes Dokument in der Land-
schaft „Blick auf Salzburg", das der Dresdener
Galerie gehört. Es ist ein Werk, das seine feste
Bedeutung in der Geschichte der deutschen
Landschaftsmalerei besitzt. Mit der Kunst der
Münchner Vedutenmaler dieses Zeitraums hat
es so gut wie nichts zu tun. Aber auch mit der
\\ iener Landschaftsmalerei der Zeit verknüpfen
es keine Bande. Man kann nur an Ferdinand
Olivier denken, in dessen Haus und Gesellschaft
in Wien Julius Schnorr viel verkehrte und
dessen Vorbild auf ihn wirkte, besonders aber
an J. A. Koch, den Rom-Tiroler, der damals
vorübergehend in Wien lebte und mit dem
Schnorr durch Olivier bekannt geworden war.
Dies würde bedeuten, daß in dem Bild irgend
etwas von der Italiensehnsucht steckt, die in
Schnorr durch die Landschaflskunst Kochs neu
entfacht wurde. Es ist also Italien „ab invisis"
in dem Bildchen, das Verlangen nach dem hei-
ligen Blau, das Sehnen über die Berge hinweg,
das Eilen auf Straßen, die in die Ferne ziehen,
und zugleich jener Geist einer echten Künstler-
kameradschafl, der damals die Deutsch-Römer
umschlang und der irgendwie in der Gruppe
der vier Männer, die in die Landschaft hinein-
blicken, sich kundtut. Es steckt ungewöhnlich
viel Menschliches in dem Bild, es ist nicht Ve-
dute, und daß man die bekannte Silhouette der
Salzburger Berge, daß man das Band der Salzach
und das stolz aufsteigende Flohensalzburg sieht,
mutet nur wie eine Konzession, wie eine
„Rückendeckung" an. Unwillkürlich geht
einem vor dem herzlichen Bildchen durch den
Sinn, was in eben dieser Zeit Rochlilz an Julius
Schnorr schrieb: „Sie sind ein wahrhaft edler
Mensch und ein wahrhaft edler Maler; Gott hat
viel Ihnen anvertraut: in Ihre Hand ist's gelegt,
seine Gnade auch vor der Welt zu rechtfertigen.
Sie können es, Sie werden es; aber nur dadurch,
daß Mensch und Künstler innigst vereint auf
der rechten Bahn fortwandeln. Bei jedem, aber
bei Ihnen ganz besonders, würde der eine, über
dem andern gestört und hintangesetzt, ganz ge-
wiß zugleich den andern herabziehen." w.

Die Kunst für AJIe. XXXX, 10. — Juli 1025

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