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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 10.1899

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Moderne Gemächer im neuen Palais zu Darmstadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.7397#0014

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Seite 2.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Januar-Heft.

Innen-Architekt logisch die grosse Mannigfaltigkeit des in
sehr beträchtlichen Abmessungen gehaltenen Gemaches. Er
verstand es, durch wohlerwogene Karakterisirung und Grup-
pirung der Möbel, den fast saalartigen Raum in mehrere
reizvolle Bezirke zu theilen, die sich aber alle gegenseitig in
harmonischer Wechselbeziehung zu einem wahrhaft imponi-
renden Gesammt-Eindrucke zusammenschliessen. Nicht »hart
im Räume stossen sich die Sachen«, wie man es bei ähnlich
reich ausgestatteten Zimmern für die »Dame des Hauses« so
häufig beobachtet. Hier ist von Gruppe zu Gruppe stets ein
Uebergang gefunden, bald kapriziös, bald schlicht, bald
lauschig, bald fröhlich und keck. Für ein künstlerisch
empfindendes Auge bietet sich hier ein ähnlicher Genuss, wie
ihn eine farbige Instrumentirung des modernen Orchesters
dem Ohre vermittelt: eine einheitliche, stark vorgetragene
und immer festgehaltene Grundstimmung, welche in sich eine
bunte Mannigfaltigkeit selbständiger Einzelmotive trägt. Zu
weicherer Vermittelung der Uebergänge ist auf die Freude
der hohen Gebieterin des Hauses an Blumen feinsinnig
Bedacht genommen: Vornehmlich sind es Lilien, die Lieblings-
blume der Grossherzogin, dann Rosen, Azaleen und Palmen in
kunstvollen Vasen aus Metall und Fayence betonen die dekora-
tiven Brennpunkte oder erfüllen die ungenutzten Ecken. Die
ganze Abtönung des Raumes in Weiss, Grün und Orange
scheint diesen üppigen Schmuck durch lebende, stark duftende
Blumen herauszufordern. Ein feiner, kapriziöser Kontrast
tritt ein durch diese bunte, flimmernde kleine Welt von

Abbildung Nr. 975. baillie Scott—Douglas. Noten-Schrank.

die schimmernden Gefässe auf dem Büffet so sehr belebten
Parthie und der breiten, schweren, orange und grün gehaltenen
echten Leder-Tapete vermittelt die schlichte Leistentheilung des
weisslackirten Getäfels ruhig und kräftig. Der durch viereckige,
jonisch ausklingende Pfeiler sichtbare dunklere Vorraum mit
einer familiär gehaltenen Möblirung wirkt mit, den traulichen
Karakter des Raumes zu betonen, ohne ihm eine gewisse
repräsentative Würde zu benehmen, welche besonders durch
die schwere Balkentheilung der Decke ausgeprägt ist. Damit
diese jedoch nicht drückend empfunden wird, sind die
Felder mit lichter Anaglypta-Tapete gefüllt und ein zierlicher,
neuester Beleuchtungskörper angebracht. Mit Recht sind
Bilder als überflüssig erachtet. Sie würden gegen die präch-
tige Tapete doch nicht aufkommen, und überdies geben die
Silbergeschirre, die kupfernen Thürbeschläge Schmuck genug
an der einen Wand, die breit ausladenden, farbensatten
Blumen - Ornamente des Sofas an der zweiten und der auf
.Seite 6 abgebildete an Renaissance anklingende prunkvolle
Kamin an der dritten. Die vierte Wand enthält hohe
Fenster, durch welche der Blick auf die Wipfel des Palais-
gartens gleitet. Hat der Raum im Allgemeinen etwas Be-
quemes, so wird durch die edlen Formen des Kamins und
des Büffets noch etwas Vornehmes, Fürstliches hineingetragen,
welches die Anlehnung an ältere Formen vollauf gerecht-
fertigt erscheinen lässt.

Für den anderen Raum ist der Ausdruck »Empfangs-
Zimmer« nicht präzis; er dient der hohen Frau vielmehr als
Aufenthalts - Raum überhaupt, in welchem sie nicht allein
intimere Besuche bei sich sieht, sondern auch der Musik und
der Lektüre obliegt und wohl auch in kleinerem Kreise den
Thee nimmt. Aus dieser Zweckbestimmung folgerte der

Abbildung Nr. 976. baillie scott—Douglas. Zier-Schrank.
 
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