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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 10.1899

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Schumann, Paul: Kunst in der Schule
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https://doi.org/10.11588/diglit.7397#0248

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Dezember-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 191.

«5 Kunst iN per Schule. ^

Im Vordergrunde wichtiger Schulfragen steht auch das
hier behandelte Thema: Kunst in der Schule, dem wir
seit Jahren unser vollstes Interesse widmen, das gewiss
viele Leser mit uns theilen. Bisher ist es aber bei der
Theorie geblieben, bei Absichten und Plänen, für die
bedeutende Männer, u. a. Georg Hirth, Feodor Flinzer,
Konrad Lange, M. Spanier, ein bedeutendes Material als
grundlegenden Unterbau geliefert. Erst das Königl. sächs.
Ministerium des Innern beginnt jetzt einer Verwirklichung
näher zu treten, über deren einleitende Schritte das nach-
stehende Referat unseres Mitarbeiters Dr. Paul Schumann,
Dresden, berichtet. Indem wir dasselbe zum Abdruck
bringen, bemerken wir, dass wir uns vorbehalten, nach
Bekanntgabe des Schlussberichtes zu der Angelegenheit
persönlich Stellung zu nehmen.

Die Bewegung für die Kunst in der Schule, für die
wir vor einigen Jahren wiederholt eingetreten sind, hat
soeben bei uns eine sehr bemerkens- und dankenswerthe
amtliche Förderung gefunden, zwar nicht im Ministerium
des Kultus und öffentlichen Unterrichts, dafür aber im
Ministerium des Innern, dem die sächsischen Fachschulen Abbildung Nummer 1244. Wandfliesen. Sidney d. Marsden, London,
unterstehen. Der Sachverhalt ist folgender: das Ministerium
des Innern wurde von dem Gewerbeschulinspektor Gewerbe-
rath Enke darauf aufmerksam gemacht, dass der Zeichen-
unterricht an Handelsschulen schon wegen der geringen für
ihn verfügbaren Zeit seinem Zwecke oft wenig entspreche,
dass aber eine planmässige Förderung des Geschmacks der
diese Schulen besuchenden künftigen Kaufleute und Fabrikan-
ten von Wich-

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tigkeit sei. Das

Ministerium
des Innern er-
örterte diese
Anregung mit
Sachkennern
und gelangte
zu der Ueber-
zeugung, dass
ein Unterricht
in gewerblicher
Geschmacks-
und Stillehre
nicht bloss für
Handelsschu-
len , sondern
auch für Web-
und andere ge-
\ werbliche
Schulen von
Nutzen sein
könne. DerUn-
terricht müsse
wesentlich auf
- Anschauung
beruhen und
müsse zum
Ziele haben,
einerseits das
Verständniss
für geschicht-
liche Stilfor-

Abb. 1243. Wandfliesen. G. R. Pittkithi.y, London. men Zufördern,

andererseits die Fähigkeit auszubilden, Geschmackvolles und
Geschmackloses von einander zu unterscheiden. Man könne
für diesen Unterricht etwa eine Stunde wöchentlich in der
obersten Klasse erübrigen. Wenn dabei das Ziel auch
schwerlich zu erreichen sei, so könne doch in der Schule das
Verlangen, dieses Ziel zu erreichen, geweckt und dazu Hülfe
geboten werden. Nicht der in der Schule vermittelte Unter-
richtsstoff, sondern die durch den Unterricht entwickelte Kraft
bildeten hier den Maassstab für die Beurtheilung des Erfolges
beim Unterricht.

Besonderes Gewicht legte das Ministerium des Innern
bei der Erörterung der Angelegenheit darauf, dass die An-
schauungsbilder 1) in grossen, auch den weit zurücksitzenden
Schülern deutlich erkennbaren Formen vorgeführt würden
und 2) neben mustergültigen auch karakteristische tadelns-
nuerthe Beispiele vorführten. Die Vorführung tadelnswerther,
der Neuzeit entstammender, möglichst typischer Beispiele und
die Darlegung der Gründe des Tadels erschien dem Ministerium
für den Zweck der Sache besonders wichtig.

Ein Anschauungswerk, das diesen Anforderungen ent-
spräche, war nicht aufzufinden. Das Ministerium nahm daher
das Anerbieten des Direktors der Industrieschule zu Plauen i.V.,
Hofrath Professor Hofmann, mit Hülfe der Lehrer Forkel,
Schauer, Lorenz und Vogel von der Industrieschule ein solches
Werk zusammenzustellen, gern an. Dieses Werk liegt jetzt
in 46 Tafeln von 110 cm Höhe und 93 cm Breite vor. Die
Tafeln geben karakteristische Beispiele der geschichtlichen
Stilarten, Beispiele für den Zusammenhang zwischen Natur-
formen und Kunstformen, Beispiele richtiger und falscher
Perspektive, Beispiele zur Farbenlehre, Gegenüberstellungen
edler und karakteristisch geschmackvoller Gefässformen, ge-
schmackloser Webereimuster und einer Verbesserung derselben
Muster, eines guten und eines entarteten persischen Teppich-
musters, guter und fehlerhafter Ornamentformen der italie-
nischen Renaissance, guten und entarteten Rokoko's.

Zur Besprechung dieser Tafeln und der ganzen Ange-
legenheit hatte das Ministerium des Innern kürzlich eine Ver-
sammlung einberufen, in welcher der Förderer dieser so
wichtigen Sache, Geheimer Rath Roscher, den Vorsitz führte.
 
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