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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 10.1899

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Schölermann, Wilhelm: Der Wiener Rathhaus-Keller
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Wettbewerb-Entscheidung IV: der "Deutschen Kunst und Dekoration"
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https://doi.org/10.11588/diglit.7397#0098

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Mai-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 71.

»Wenn ein guter Freund zum andern kummt,
Sind traurig, still und gar verstummt,
Und kummt dazu der edle Wein,
Muss alles Trauern vergessen sein.«

Verschiedene humoristische Spuck- und Teufelsgeschichten
bilden die Wandzier an den Seiten, während die ganze Hinter-
wand ein grösseres Bild einnimmt, darstellend die Verleihung
des Rechtes der Stadttaverne unter Albrecht III., mit einem
Citat aus der Verleihungs-Urkunde, auf eine Kupfertafel
geätzt. Bildnisse Wolf Schmelzls und Jans Enenkels, der
zwei berühmten Reimchronisten, ferner Ulrich Megerle, der
schwäbische Kapuziner, besser bekannt unter dem Namen
Abraham a Santa Clara und Wigand von Theben der Pfaff
vom Kohlenberge. Ferner die Bronzereliefs der vier bekann-
testen Dombaumeister von St. Stephan (Anton Pilgram, Hans
Buchsbaum, Bonifaz Wolmuet und Friedrich Schmidt). Als
letztes Porträt an der Seitenwand das des Bürgermeisters
Dr. Fueger, aber so gemalt, dass des Sängers Höflichkeit
darüber schweigt. Besser sind die Bildnisse der beiden Vize-
Bürgermeister Strobach und Neumayer.

Wir sind am Ende. Im Einzelnen ist wohl manches
auszusetzen, das Ganze zeigt, was die dekorative und male-
rische Seite anbelangt, viel Ansprechendes, Humorvolles und
Farbiges. Die zwei Tugenden der Wiener Kunst: Geschmack
und Anmuth kommen an vielen Punkten zu voller Geltung.
Vielleicht gelingt es noch einer späteren Zeit, einzelne
schwache Seiten der Ausschmückung der Nebenräume, die
theilweise auf Rechnung der Eingangs erwähnten Eile zu setzen
sind, durch Besseres zu ergänzen. Wilh. Schöi.ermann—Wien.

Finks vom Rosenzimmer tritt man in den grossen I Wien. Ueber einem kaminartigen Ofen mit Kupferaufsatz das
Hauptraum des Rathskellers, der einen guten einheitlichen, getriebene Wappen der Stadt. Ueber dem Eingang die Worte:
durch seine durchgehende Tonnenwölbung karakteristischen
Eindruck macht, und auch künstlerisch das beste bietet. Das
Ganze, einschliesslich der Glasfenster, ist in blaugrüner Stim-
mung gehalten, gibt auf den ersten Blick einen etwas
»orientalischen« Effekt, der sich später mehr verliert. Die
Täfelung ist in Eichenholz und der ornamentale Schmuck
von dem Dekorationsmaler Franz Wilhelm Ladewig ausge-
führt. Geschmackvoll in der Form sind auch die elektrischen
Beleuchtungskörper dieses Hauptraumes, von denen in den
Abbildungen einige sichtbar.

An den Wänden sind 7 in Wachsmalerei ausgeführte
Darstellungen festlichen Karakters aus der älteren und
jüngeren Vergangenheit der Stadt. Die drei Mittelbilder
beziehen sich auf das fünfzigjährige Regierungs-Jubiläum
des Kaisers und stellen die Huldigung der Bürger vor der
Krone durch die Bürgermeister dar. Die Krone trägt die
Figur der Vindobona selbst.

Mit dieser Huldigung vereinigt sich der die drei Bilder
inhaltlich verbindende Zug der Zünfte und der Festzug der
Wiener Schuljugend am 24. Juni 1898. Durch die weiss
gekleideten Mädchen und die roth gekleideten Knaben
werden die Parben der Stadt versinnbildlicht. An diese
Mittelbilder schliessen sich nach rechts an:

»Das Veilchenfest unter Herzog Otto III. dem Fröhlichen«,
ein Vorwurf, der Lefler Gelegenheit zur Entfaltung seiner
liebenswürdigsten Seiten gab. Wir bringen eine Abbildung
der Originalskizze. Die anmuthige (Truppe stellt die Auf-
findung des ersten Veilchens im Frühling dar, welches mit
einem Veilchenfest gefeiert ward, wobei der Herzog von
seinem Hofe begleitet mit frohem Gepränge vor die Stadt
zog, um den ersten Boten des Frühlings zu begrüssen.

Diesem Bilde schliessen sich an:

»Das Weinlesefest im Rathhause«,
»Das Weihnachtsfest der Wiener unter Feopold dem

Glorreichen« (1227) und
»Der Maienkönig und der Winter«.

Dieses, dem Veilchenfest verwandte Thema behandelt eine
alte Sitte. Die Wiener führten zur Begrüssung des Maien-
königs ein Spiel auf, an dem sich alle Stände betheiligten.
Mai und Winter wurden durch Personen dargestellt, ersterer
durch einen schönen Knaben, der mit Blumen und Faubwerk
geschmückt war, letztere durch eine in Pelz gehüllte Gestalt
mit einer Krone von künstlichen Eiszapfen auf dem Haupte.
Der Maienkönig musste nun seinen Feind, den Winter auf-
suchen; trafen sich beide, so leitete ein herausfordernder
Wechselgesang das Spiel ein; dann folgte der Kampf zwischen
Maienkönig und Winterkönig, in welchem zuletzt natürlich
der Winter erliegen musste. Dann trat der Mai seine Herr-
schaft an und vertheilte Ehren und Aemter. Heitere Tänze
und Fustbarkeiten beschlossen das Fest.

An den zwei Stirnwänden (rechts und links vom Neben-
eingang) sind Darstellungen vom »Tournier zu Penzing« und die
Bildnisse (rechts) des »Herrn Neidhardt Fuchs von Burtbreiten-
bach«, des lustigen Rathes Otto's des Fröhlichen, und (links)
des »Herrn Ulrich von Fiechtenstein« zum Tournier reitend.

Der letzte, etwas entlegene Raum ist das Rathsstübchen,
zu dem man vom Rosenzimmer rückwärts — an der Kanzlei
des Kellermeisters und andern Räumlichkeiten vorbei —
gelangt. Ein kleiner Vorraum ist einfach graugrün gehalten,
wahrend das Rathsstübchen selbst dunkle Eichentäfelung mit
gleichen Deckenrippen aufweist. Blauroth ist die Ornamentirung
und an den Eckbänken sind bemalte Ahornfüllungen mit
^Stellungen alter, historisch interessanter Stadttheile von

WETTBEWERB-ENTSCHEIDUNG IV
der „Deutschen Kunst und Dekoration"

zum 5. Februar 1899.

Entwurf zu einem Garderobe - Gestell für die Diele oder
den Flur (Vorplatz) eines vornehmen bürgerlichen Hauses.
Vorzusehen ist ausser den Kleiderhaken: Schirm- und Hut-
ablage, Spiegel, Bürstenkasten und Fampe. Darstellung in
perspektivischer Federzeichnung in einer Bildgrösse von
35:26 cm, Kartongrösse ca. 50:40 cm. I. Preis 50 Mk.,

II. Preis 30 Mk., III. Preis 15 Mk.
Die Beurtheilung der 39 eingelaufenen Entwürfe unter-
stand der Redaktions-Kommission. Bei einer erstmaligen
Sichtung mussten hiervon 12 ausgeschieden werden, die
sowohl in praktischer wie ästhetischer Hinsicht das Mindest-
maass der zu stellenden Forderungen nicht erreichten. Bei
einer zweiten und dritten Sichtung wurden dann noch 13
bezw. 2 Entwürfe von der Preis-Ertheilung ausgeschlossen,
obwohl sich unter diesen neben manchem Schrullenhaften
und Alltäglichen auch manches Brauchbare befand. Es blieben
daher 12 nach Ansicht der Preisrichter künstlerisch werth-
volle und zweckmässige Arbeiten zur engeren Beurtheilung.
Von diesen wurden einstimmig 5 Arbeiten als zur Preis-
Ertheilung geeignet erkannt. In anerkennender Würdigung
dieses günstigen Resultates entschloss sich der Herausgeber
noch zwei weitere dritte Preise neben dem durch die Aus-
schreibung gebotenen zu gewähren. Demgemäss wurden die
Preise ertheilt wie folgt: I. Preis Motto »Colonia«: Herrn
Architekten Albin Müller—Köln a. Rh. II. Preis Motto
»Deutsch«: Herrn M. Alex. Nicolai, Akademiker in München.

III. Preis Motto »X«: Herrn Zeichenlehrer Otto Scheffers—
Dessau. IIP- Preis Motto »Grün«: Herrn O. Richard Bossert
—Leipzig. IIP- Preis Motto »Agrippina«: Herrn Architekten
 
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