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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 10.1899

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Schölermann, Wilhelm: Der Wiener Rathhaus-Keller
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https://doi.org/10.11588/diglit.7397#0096

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Zahlung vierteljährlich für Deutschland Mk.5.—,
fnr Oesterr.-Ung. u. das gesammte Ausl. Mk, 5.50.

Telegramm-Adresse: Koch Verlag, Darmstadt.

Nachdruck nur mit spezieller Erlaubniss u. genauer Quellen-Angabe gestattet.
Sämmtliche Original-Illustrationen stehen unseren Lesern zur Verwerthung frei.

pjV Die Zeitschrift ist verbreitet in allen Kulturstaaten.
Illustrationen u. textl. Beiträge nur an die Schriftleitung in Darmstadt erbeten.

Anfangs jeden Monats erscheint ein Heft.
Nur Sonder-Hefte sind auch einzeln erhältlich,

Buchh.-Vertreter: Eduard Schmidt, Leipzig.
Insertions-Bedingungen am Schluss derZeitachr.

X. Jahrg. 1899. -

~c Leipzig Darmstadt ^- Wien, s—

Mai-Heft.

Per Wiener Rathaaus-Kjeller.

[nter etwas auffälligen Verbrüderungsfeier-
lichkeiten, d. h. mit einer Schlägerei
zwischen deutschen und tchechischen
Studenten, wurde der neue Wiener Rath-
hauskeller zu Fastnacht eröffnet. Seitdem
ist das — Absingen von »patriotischen«
Liedern, gleichviel welcher Mundart, durch
Anschlagzetttel, die man im ersten
Augenblick für »Willekummgrüsse« hält,
verboten worden. Das Geschäft leidet
indessen keineswegs unter dieser behörd-
lichen Einschränkung, denn von 9 Uhr Früh bis 2 Uhr Nachts
Jst der Andrang so ununterbrochen, sind Tische und Stühle
so »gesteckt« voll, dass das Personal den Anforderungen
kaum zu genügen vermag.

Seit den ältesten Tagen deutscher .Städtekultur waren die
Rathskeller bedeutsame und schöne Wahrzeichen des Gemein-
wesens und bürgerlicher Wohlhabenheit und »Würdigkeit«.
Es muss darum auffallen, dass eine so reiche, glänzende Haupt-
stadt, wie die alte Vindobona, nie einen Rathhauskeller besass,
obwohl Herzog Albrecht I. schon im Jahre 1296 das Recht
des Weinverkaufes urkundlich der Stadt verliehen hatte. Ueber
eine alte »Stadttaverne«, in der mit landesfürstlicher Billigung
auch ausländische Weine verkauft werden durften, kam es
aber nicht hinaus. Der Grund dürfte vielleicht darin zu
suchen sein, dass der alles zentralisirende und absorbirende
kaiserliche Hofstaat in Wien die Bedeutung und Selbst-
ständigkeit stadtväterlichen Regimentes und autonomer Gesetz-

bestimmung der Bürgerschaft von Anfang an in den Hinter-
grund gedrängt und dadurch auch jedes äussere Kennzeichen
einer solchen nicht zu bewusster Erscheinung kommen liess.

In Städten mit mehr republikanischem Gemeinwesen, wie
die mitteldeutschen Patrizierzentralen Nürnberg oder Augs-
burg, oder die hanseatischen Handelsemporien Lübeck und
Bremen, musste auch die Wichtigkeit der Rathsweinkeller,
allwo die verantwortlichen Würdenträger nach ernster Be-
rathung ihre Sorgen in einem herz- und magenerquickenden
Trunk deutschen — oder welschen — Rebensaftes vergessen
konnten, eine viel fühlbarere und anerkanntere werden!

So mag es sich erklären, dass Wien, trotz der begünstigten
Lage inmitten von Rebengeländen, wo reiner und guter
Landwein wuchs, durchs ganze Mittelalter bis in die neueste
Zeit hinein keinen Rathskeller besessen, und dass seines
Rathsweinkellers Geburtsjahr erst mit dem letzten Jahr des
neunzehnten Säculums christlicher Zeitrechnung zusammenfiel.

Was nun die küntlerische Ausschmückung betrifft, so
lässt sich allerlei darüber sagen, vielleicht auch manches besser
verschweigen. In einer schier unglaublich kurzen Arbeitszeit
wurde das Ganze fertiggestellt, Dank der energischen That-
kraft Heinrich Lefler's, dem die Hauptarbeit zufiel. Ihm und
den zum Theil weniger zu solchen Aufgaben berufenen
jüngeren Helfern — deren Namen aus zarter Rücksicht hier
nicht alle genannt werden sollen — kann man die durchaus
unfreiwillige Eile kaum zum Vorwurf machen. Die Schuld
lag wahrscheinlich wieder mal in den eigenthümlichen Wiener
Verhältnissen, wo man, wie von Alters her, nur die beiden
 
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