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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 10.1899

DOI Artikel:
Mielke, Robert: Über Intime Kunst, [2]
DOI Artikel:
Schliepmann, Hans: Allerlei vom Maassstabe, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7397#0247

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Seite 190.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Dezember-Heft.

u

dringen nach dem Ziele der öffentlichen Kunst,
die ihren eigenen Boden und ihre eigenen Ziele
besitzt, immer mehr der Gegenwart verhüllte. Noch
sind wir ja weit entfernt von der schönen Hoff-
nung, dass auch die grosse Masse Theil und Freude
hat an der aufblühenden intimeren Kunst des
Hauses; da aber in ihr selbst ein Dauernderes als
Stil und Mode liegt, so wird auch die unserer Zeit
eigene Tendenz nach unten das Verständniss dafür
zu einem Gemeingut machen und damit vielleicht
auch das Wesen der Kunst in einer Weise erwei-
tern, die nach dieser Seite hin die Vergangenheit
nicht kannte. _

Allerlei Vom MaasssIabe.

(Schluss aus dem November-Hefte.)

Jnd man vergleiche dann ferner, wie sicher
sich der menschliche Kopf vor dem viel
grösseren, aber in feinerem Maassstab gegliederten
Granatapfelmuster einer venezianischen Renais-
sance-Tapete behauptet.

Dass Zurückhaltung in der Farbe eine grössere
Freiheit im Maassstabe gestattet, geht aus dem
Gesagten hervor, denn auch hier läge ein Mittel
der Stilisirung vor. Soll der Untergrund für die
Allgemeinwirkung nur eine grisaille- oder chagrin-
*f % artige Belebung statt der gleichmässigen Farbe

« 4 j zeigen, so ist meist auch eine Uebertreibung ins

Kleine von trefflicher Wirkung, selbst wenn die
Einzelheiten ganz naturalistisch gezeichnet sind.
Ich erinnere an das Laubwerk, das, dicht zusammen-
gedrängt, nur als Fläche wirken soll, sowohl im
Buchschmuck, etwa bei Bernhard Pankok, als in
der Edelmetallarbeit, z. B. bei Werner'schen Silber-
gefässen, als in der Architektur, wie bei Rieth'schen
Bekrönungen, Füllungen und dergleichen.
^^^^KSSK^fmm% % ^^J^BBBPjj|# M Nothwendig ist es aber hier, dass dieser »Klein-

Efe^^Htatt^S^w '.lyiU^H Ip^M kram« in seiner Bedeutung durchaus hinter anderem

W' ^^^^mim9^mm tfc*^ f»T<t(f iltffiZ Ornament in grösserem Maassstabe zurückbleibe.

K '4g§sSS39fitt> 4 ^?-^^^^^^!L f ''' -'''^^P^BBSSSt "B Gerade in der Wahl verschiedener Maassstäbe bei

K A^Miai^r i&J^säCF^P^SK^22^Ls!ftHMV^MM*'!fl der Detaillirung eines Gegenstandes zeigt sich oft

•w» .... / '»..<, ? -v ein erstaunlicher Mangel an Feingefühl.

W} Einem Wallot gelingt es wohl einmal, wie in

B der Südhalle des Reichstagsbaues bei den reichen

Sandsteinportalen und den Kämpfermasken der
Abbildung Nr. 1242. Portiere mit Applikation. Miss M. c. Houston, London Gewölbe, die stärksten Maassstabunterschiede er-

träglich zu machen; an unseren modernsten Möbeln
aber zeigt sich oft in naivster Unausgeglichenheit
ein schweres Metallband neben zierlich spielerigsten Archi-
tekturmotivchen und feinsten Flachornamentfriesen und auch
wieder grossen naturalistischen Blumen, als ob das eine Mal,
sagen wir die Augenbrauenstärke des Menschen, das andere
Mal der Daumen, wo anders gar die Hand den »Modul«,
die Maassstabeinheit bilden solle. Wohl sind solche Unter-
schiede unter Umständen von Wirkung; aber es muss dann
auch mit der Einheitsgrösse die geistige Bedeutsamkeit des
Ornamentes wachsen; nur dann gelangen wir zum Eindruck
des Organischen. Nur dann aber sind wir Künstler, wenn
wir Organisches schaffen. Dazu gehört zu allererst organisches
Denken. Nur bei Versenkung in das Wesen aller künstle-
rischen Eindrücke vermag der Künstler diese nach seinem
vorbedachten Willen hervorzurufen. Fühlen lernen und sich
davon Rechenschaft ablegen, was diese Gefühle erzeugt: das
brauchen wir vor allen Dingen! Hans Schliepmann.

Ueber Intime Kunst.

Von ROBERT MlEI.KE. (Sehluss aus dem ersten Bogen.)

Die kommende Weltausstellung wird ja den gegensätzlichen
Stimmungswerth durch die ausgestellten Innen-Dekora-
tionen offenbaren. Gerade in der Ermüdung des künstle-
rischen Empfindens, das der Wechsel unserer Kunstanschau-
ungen in den letzten Jahren mit sich gebracht hat, bringt
der Drang nach intimeren Reizen, als sie die geschichtliche
Form allein zu geben vermag, zur rechten Zeit eine alte
deutsche Eigenschaft zum Bewusstsein, um das angesammelte
ästhetische Bedürfniss nicht wieder verfliegen zu lassen.
Damit wird der Weg auf jenen Anknüpfungspunkt gewiesen,
der als eine alte volkliche Forderung in dem alten Hause
zum künstlerischen Durchbruch kam, und den ein Weiter-
 
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