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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 10.1899

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Schölermann, Wilhelm: Der Wiener Rathhaus-Keller
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Seite 70.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Mai-Heft.

Extreme Versäumniss oder Uebereilung zu kennen scheint.
Ein Glück daher, dass der Geschmack und die Vielseitigkeit
Leflers noch ein verhältnissmässig gutes Resultat zu erzielen
vermochten. Ihm und Architekt Urban gebührt die Aner-
kennung dafür.

Beginnen wir unseren Rundgang beim Eingang des
Stiegenhauses von der Magistratstrasse aus und nehmen wir
in einem kurzen Ueberblick das Wesentliche des Gesammt-
eindrucks in uns auf.

Das Stiegenhaus selbst ist mit einem einfachen Gerank
von Weinreben ornamentirt; eine in Kupfer getriebene Ampel
mit Opaleszentgläsern beleuchtet den Raum, dessen Stirn-
wand auf goldenem Eichbaume das Wiener Stadtwappen,
und auf den Seitenfeldern zwei heitere »Weinsegen« trägt,
nämlich den des edlen Hans Rosenblüth (1450):

»Nun gesegn' Dich Gott, Du Heber Eidgesell',
Mit rechter Lieb' und Treu ich nach Dir stell'
Bis dass wir wieder zusammen kommen;
Dein Name der heisst Kützelgaumen!
Du leihst meiner Zung' eine süsse Naschung,
Du bist meiner Kehl' eine reine Waschung,
Und schmeckst mir bass denn alle Brunnen,
Die aus dem Felsen je sind geronnen.
Und beschirm mich Gott vor Sträuchen,
Wenn ich die Stieg' hinab muss tauchen,
Dass ich auf meinen Füssen bleib'
Und fröhlich heimgeh' zu meinem Weib,
Und alles das wisse, was sie mich frag'
Und behüt' mich Gott vor Niederlag!« —

und den ehrlichen, wenn auch minder ausführlichen Spruch
von Wolf gang Schmclzl (1543);

»Kein pessern Wein ich trunken hab,
Er kompt vom Kahlenberg herab,
Ach lasst uns Gott seliger greifen an,
Bechern, wie Ninive hat gethan,
Des Bitt Wolf Schmelzl jedermann.«

Durch den anschliessenden Vorraum gelangt man zu
nächst in das Rosenzimmer, über dessen Eingang die Worte:

»Fröhlich, wenn icli kann,
Traurig, wenn ich muss,
Jenes lacht mich an,
Dieses macht Verdruss.«

Dieses Zimmer ist in hellgrüner Stimmung gehalten mit
durchgehenden Rosen Ornamenten. Die Decke wird von zwei
starken Säulen getragen. An den Wänden befinden sich die
Ansichten der vier hervorragendsten niederösterreichischen
Weinorte: Gumpoldskirchen, Falkenstein, Retz und Kloster-
neuburg, lieber der Thür zur angrenzenden »Schwemme«
stehen weitere Sprüche. Die Wände der Schwemme sind
weiss mit Weinrankenornamenten geziert, die Holztäfelungen
aus rothgebeiztem Buchenholz.

Verschiedene humoristische Bilder ziehen die Blicke auf
sich. Da ist zunächst am Eingang links »Der Wiener Meer-
fahrt«. Der unbekannte Verfasser eines »epischen« Gedichtes
dieses Namens erzählt nämlich, wie einst die reichen Wiener
Bürger beim Weinschlurf sassen und wacker zechten. Als
ihnen der Wein zu Kopf gestiegen war, schlug einer vor,
eine Kreuzfahrt ins heilige Land zu unternehmen, was sie
sofort zu thun vermeinten. Als sie beim Aufstehen sich nicht
mehr auf den Beinen halten konnten, glaubten sie, das Schiff
schwanke hin und her, und, als einer nach dem andern zu
Boden sank, meinten sie, es wüthe der Seesturm. Dann
befiel sie alle die Seekrankheit und sie fürchteten den Unter-
gang; da entdeckten sie einen, der in volltrunkenem Zustand
unter der Bank lag und schnarchte. In der Meinung, der
sei an allem Unglück schuld, warfen sie ihn mit vereinten
Kräften über Bord, beziehungsweise zum Fenster hinaus —

da legte sich auch sogleich der Sturm und alle schliefen ein.
Am nächsten Morgen mussten sie aber für den über Bord
Geworfenen, der mit zerbrochenen Gliedmassen vor den
Fenstern aufgefunden worden war, eine schwere Geldbusse
zahlen. So endet der »Wiener Meerfahrt ins heilige Land«.

Ein zweites Bild stellt »Meister Mux und das rothe
Mandl« dar. Meister Mux war ein geschickter Schlosser,
von dem unter anderen das berühmte Schloss am Stock-im-
Eisenplatze herrührte, das Niemand ausser ihm zu öffnen ver-
mochte. In seiner Jugend hatte er sich dem Gottseibeiuns
verschrieben, doch sollte der Pakt nur Gültigkeit haben, wenn
der Schlosser eine Sonntagsmesse versäumte, was auch einmal
geschah. Er eilte nämlich zu spät zur Stephanskirche, als der
Priester gerade den Segen gab; da erschien ihm der kleine
rothe Teufel und freute sich lachend der gewonnenen Seele! —

Aber noch mehr Teufelsgeschichten gab es in Wien.
Unter anderen hat auch Dr. Johannes Faust der Wienerstadt
seinen Besuch gemacht. Einstmals in einer Kellerwirthschaft
malte ein übermüthiger Junker den Teufel an die Wand.
Faust, der dabei war, sagte, er werde ihnen den Teufel per-
sönlich zeigen. Das Zimmer verdunkelte sich und die an die
Wand gezeichnete Figur sprang als lebendige Gestalt mit
fürchterlichem Getöse unter die erschrockenen Gäste. Daher
das Sprichwort: Man soll den Teufel nicht an die Wand malen.

Die dritte Teufelsbegcgming ist dem Spruch eines alten
Hausschildes entnommen, darin es heisst:

»Pestilenz und Noth ein Uebel ist,
Krieg ein arger Zeitvertreib,
Doch ärger als des Teufels Tück und List,
Gott behüt uns, ist ein böses Weib.«

Eine Xantippe hat auf dem Bilde den Teufel beim Schwanz
gepackt und ringt mit ihm.

Die Geschichten vom »lieben Augustin« und vom städ-
tischen Weinkoster, vom »Esel in der Wiege« und von der
»Speckseite am Rothenthurmthor« vervollständigen den Bilder-
schmuck dieses Raumes. Die letztere Anekdote hat einen
eigenthümlichen Volkshumor in sich. In früheren Zeiten war
nämlich am Rothenthurmthore stets eine grosse Speckseite
aufgehängt. Jeder, der auf Ehre und Gewissen schwor, dass
er das Regiment in seinem Hause führe, konnte sich den
Speck holen. Das Bild schildert nun den feierlichen Akt, als
ein Handschuhmacher die Leiter betrat, um die That zu
vollbringen. Ein unten stehender Lehrjunge macht ihn auf-
merksam , dass das schöne neue Sonntags - Gewand Flecke
bekommen werde. Der erschrockene Meister stutzt und hält
inne. Da nun der versammelten Menge mit dem Bürger-
meister an der Spitze das Gehaben des Meisters verdächtig
vorkam, fragte man ihn, warum er sich besinne, worauf
dieser entgegnete: »wenn das Wams Flecken bekäme, würde
sein Weib ihm die Augen auskratzen«. Für den Handschuh-
macher war somit die Speckseite verloren und er musste
unter dem Gelächter der Zuschauer wieder herabsteigen.
Unter dem Bilde steht der Spruch:

»Welche Frau ihren Mann oft rauft und schlagt,

Und ihm mit alter Laugen zwagt,*) [*) wäscht.]

Der soll den Pachen lassen henken,

Ihr ist ein anderer Kirchtag zu schenken.«

Hinter dem Schrank ist noch der Spruch angebracht:

»Gott fürchten, ein gesunder Leib,
Ein fröhlich Herz, ein freundlich Weib,
Ein guter WTein, das Gewissen rein,
Mag wohl das beste Leben sein.«

während über dem Ofen zu lesen ist:

»Kalbsaugen, Hasenlungen,
Hechtenleber, Karpfenzungen,
Süsser Wein und Lieschens Maul,
Brachten manchen um den Gaul.«
 
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