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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 10.1899

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Tettau, Wilhelm von: Innen-Architektur des modernen Mieths-Hauses
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https://doi.org/10.11588/diglit.7397#0025

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Seite 10.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

jauuar-Heft.

Abbildung Nr. 986. C. R. ASHBEE—LONDON. Lichtkrone.

mögliche Helle nicht beeinträchtigen. Glasmalereien sind
keine Fenster, sind durchscheinende Gemälde zur Belebung
von Wandflächen. Das Treppenhaus bildet den Uebergang
von der Fassade zu den Wohnungen. Seine Ausstattung
darf noch ganz den individuellen Karakter der Fassade tragen.
Farbe und Form in der Tapete, Decke, im Treppengeländer
und Glas mögen eine Architektur schaffen, die selbständig
und in sich geschlossen, zugleich aber stets ruhig und ein-
fach, von vornehmster Gesammtwirkung sei.

Die Flurthür zur Miethswohnung aber gebietet energisch
Halt. Was uns die Moderne bis jetzt an innerer Einrichtung
gebracht hat, ist ein Chaos ganz individueller Schöpfungen.
Wir haben Möbel nach englischer, französischer, belgischer,
amerikanischer, deutscher Art; dürre, steife, zarte, elegant
geschweifte, kraftvoll geschwungene, derbe, schwere, nicht
zu reden von den unendlich verschiedenen Schnitzereien,
Intarsien, Aderätzungen, Färbungen, Beschlägen etc. Kurz,
jede dieser modernen Einrichtungen hat ihren selbsteigenen
Karakter. Ob wir uns aus dieser Fülle dereinst zu einem
nationalen Stil durcharbeiten, der auch wirklich nationale, d. h.
allgemeine Verwendung findet, muss dahingestellt bleiben.
Vorläufig haben wir noch lange mit der Internationalität all
dieser Formen zu rechnen. Auch dürfen wir uns dem nicht
schroff verschliessen, dass ja noch recht lange gothische,
Renaissance-, Rokoko-, Empire- und die beliebten rothen
Plüschmöbel in buntem Wechsel die Einrichtung der grossen
Masse ausmachen. Wir wollen also Rücksicht nehmen eines-
theils um unliebsamen Unzuträglichkeiten zwischen den traditio-

nellen Stilen und unserer neuen Richtung vorzubeugen,
andererseits um zu verhindern, dass das junge aufstrebende
Kunstgewerbe kritiklos mit jenen meist werthlosen Stil-
Imitationen vermischt wird. Eine gewisse Indifferenz sei also
die erste Forderung, die wir für die Miethswohnung aufstellen.
Dem Miether sei es überlassen — modern oder unmodern —
seinen eigenen Karakter in seiner Wohnung zum Ausdruck
zu bringen. Das Gepräge einer Wohnung aber hängt ab
einmal materiell von Stil und Farbe der Möbel, Teppiche,
Bilder etc., zweitens rationell von ihrer praktischen, sinn-
gemässen Vertheilung und Stellung, drittens ästhetisch von
dem Geschmack in der Farbenzusammenstellung. Alle drei
Punkte kann der Architekt leicht stören und hat es bis jetzt
oft gethan: den Stil durch Rokoko-Ornament und stilvolle
Deckengemälde, rationelle Aufstellung der Möbel durch un-
glückliche Fensteraxen, verfehlte Thür- und Ofen-Anordnung;
die harmonische Wirkung hauptsächlich durch bestimmte
Farbengebung in der Tapete und Decke als Grundakkord.

Wie jede Andeutung an einen historischen Stil aus der
Innen-Architektur der Miethswohnung verschwinden muss,
sollten auch die modernen Linien und Farben nur bis zu
einer gewissen neutralen Grenze darin Platz finden. Glas-
malereien, Intarsien, Schnitzereien, schmiedeeiserne Arbeiten,
speziell jeder Schmuck hat sich vor allzugrosser Selbständig-
keit zu hüten. Einfache oder gar keine Profilirung und Dar-
stellung der reinen Konstruktion nach englischer Art sei

Abbildung Nr. 987. C. R. ASHUEE —LONDON. Lehnstuhl.
 
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