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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 10.1899

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Van de Velde und die moderne Zimmer-Einrichtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7397#0037

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Seite 20.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Februar-Heft.

mit dem Begriff Herrenzimmer zugleich den des Arbeits-
raums und wir können Arbeit, welcher Art sie auch sei, nur
mit den Vorstellungen von Ernst und Festigkeit in Verbin-
dung bringen. Der französischen Möbel-Tischlerei steckt
eben immer noch etwas von dem Geist des Rokoko im Blut,
es bleibt eine Salonkunst, die zu Causerie und Lebensgenuss

Anstrich von Nüchternheit statt von Eleganz. Etwas Ueber-
ästhetisches gibt diesen Möbeln den Eindruck der Hinfällig-
keit. Man kann sich nur Menschen mit steifer Haltung und
vorsichtigen Bewegungen zwischen diesen Tischen, Stühlen
und Etageren denken, welche die Vorstellung erwecken, als
könne man sie leicht umstossen. So ist es auch kein Zufall,

der in unseren deutschen
Einrichtungen die englische
wiaMI^lHHiJMi Mode, welche bald anfängt

obligatorisch zu werden,
auf den Salon beschränkt,
auf das Zimmer, in dem
man gewöhnt ist, sich ge-
halten und gleichsam im
Parade-Anzug zu zeigen.
T^H Tritt man dann in das
HL ~ Speisezimmer und findet es

mit Anlehnung an Renais-
sanceformen ausgestattet, so
kann man allerdings nicht
leugnen, dass dem Zweck
des Raumes hier ebenfalls
Rechnung getragen ist, aber
welcher Widersinn dies
Wechseln mit Stilen, das
aus der Wohnung kein
Ganzes, sondern ein Museum
macht. Wie viel mehr der
Vernunft und auch dem
Schönheitssinn zusagend
ein einheitlicher Karakter,
welcher die Form durch
die verschiedenen Zwecke
und Aufgaben nur nüanci-
ren, nicht umgestalten lässt.

Im Gegensatz zu der
Neigung zum Tändelnden
wohnt in Van de Velde's
Dekorationskunst ein ent-
schieden männlicher Geist.
Man kann nicht von seinen
Möbeln allein sprechen,
denn er gibt sich nicht
damit ab, Einzelstücke her-
zustellen. Ihm ist es aus-
gemacht, dass ein Wohn-
raum nur ein einheitliches
Ganzes vorstellen darf, das
in Form und Farbenstim-
mung zusammenhängend
gedacht werden muss. Und
mit diesem Zusammenhang
ist es ihm voller Ernst. Es
scheint ihm nicht genug,

^^^■^^^^^^^^^^^^^^^■i^^^^^^Hi^HHL^Bl.—HUB. J Konstruktion

der verschiedenen Möbel

Abbildung Nummer 999. C. R. ASHDEE—LONDON. Musik-Halle in einem englischen Wohnhause. Widersprüche vermieden

sind, wenn die Ziermotive,

besser stimmt, als zur rauhen Wirklichkeit. Wo man an der | sofern er sie nicht ganz verschmäht, sich an Wandbekleidung

Seine englische und belgische Grundsätze schlichter Zweck- , und Geräth stets wiederholen. So leicht kommt eine Einheit

dienlichkeit aufgenommen hat, wollen sie dem gallischen [ nicht zu Stande. Es erinnert förmlich an gothische Zeiten,

Kunsthandwerk, weil fremd, nicht recht zu gesichte stehen. \ welche das Möbel fest mit der Wand zu verbinden liebten,

Eine ähnliche Bewandtniss hat es mit dem englischen j wie Van de Velde die Geräthe fest aneinander rückt, und

Möbelstil, so verschieden er auch im allgemeinen Karakter eines als die Fortsetzung des anderen erscheinen lässt. So

von dem französischen ist. Hier hat die Zierlichkeit einen schliesst er einmal die Fensterumrahmung direkt an die
 
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