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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 10.1899

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Fuchs, Georg: Deutsche Kunst u. Dekoration neuen Stiles, [1]
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Seite 32.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Februar-Heil.

eine Truhe von Hermann Obrist, Webereien und schmied-
eiserne Leuchter von Eckmann, ein Büffet von Riemerschmid,
Kunstglasereien von Ule, Zinngegenstände von Karl Gross,
getriebene Kupfergefässe von Kellner und Winhart, Webe-
reien und Stuckfriese von Endeil, Bucheinbände von Erler,
Kacheln und keramische Arbeiten der Familie von Heider,
von Schmuz-Baudiss und M. Länger, *) ein Ofen von Fischer,
ein Wandschirm von Engelhardt, ein Sofa von Bertsch und
ein Stuhl von Pankok und viele, viele andere Dinge. Die
Ueberraschung, die Freude war gross. Alsbald regte sich
die Kauflust des Publikums und eine geradezu fieberhafte
Bewegung ging durch alle Kreise, die zunächst interessirt
waren. Angewandte Kunst! Deutsches originales Kunst-
gewerbe! so scholl die Losung durch die Schaaren unserer
jungen Maler und Bildhauer. Mit elementarer Gewissheit
brach sich die Ueberzeugung unter ihnen Bahn: hier ist der
Fortschritt, hier winken uns grosse, neue Ziele, grosse und
lohnende Aufgaben. Publizistische Organe, wie der »Pan«
in Berlin, stellten sich sofort in den Dienst der neuen Bewe-
gung, andere Organe grössten Stiles, wie man sie bisher in
Deutschland nicht gekannt hatte, entstanden. Der bekannte
Kunstverleger Alexander Koch in Darmstadt, der schon
durch die »Zeitschrift für Innen-Dekoration« bahnbrechend
auf dem Gebiete des deutschen Heimes gewirkt hatte, gründete
die illustrirte Monatsschrift »Deutsche Ktmst und Dekoration«.
Und wenn es uns gelingt, Deutschland ideell und materiell
auf dem Gebiete des Kunst-Handwerkes und der Kunst-
Indtistrie wieder selbständig zu machen und die immer höher
anschwellende Fluth ausländischer Erzeugnisse durch gleich-
werthige inländische zu verdrängen, so ist das dem muthigen
Vorgehen Alexander Koch's und seiner jungen Zeitschrift,
der »Deutschen Kunst und Dekoration« mit zu verdanken.
Alexander Koch erliess einen Aufruf an alle deutschen
Künstler und Kunstfreunde, in welchem er mit kühnem Wage-
muthe ein Programm entwickelte, welches nichts geringeres
bedeutete, als eine grosse publizistische Centrale für deutsche,
für ausschliesslich deutsclie dekorative Kunst, durch welche
die Produktion gesteigert, bei den Gewerbetreibenden und
im Volke in thatkräftiger Weise eingeführt und endlich dem
Auslande gegenüber in würdiger Weise repräsentirt werden
soll. Auch hier war der Ueberzeugung Ausdruck gegeben,
dass die reichen Kräfte, welche in Deutschland und den
deutschen Theilen der Schweiz und Oesterreichs mit frischer
Jugendkraft sich regen, zusammengefasst werden müssen zu
einer grossen nationalen That. Es schien anfangs fast un-
möglich, dass dieses Programm jetzt schon durchgeführt
werden könnte. Allein die ersten uns nunmehr vorliegenden
Hefte belehrten uns eines Besseren. Nehmen wir hinzu das,
was die »Jugend«, was Josef Sattler, was der »Pan« und
viele andere für die Buch-Ausstattung und verwandte Gebiete
bereits zu Tage gefördert haben, nehmen wir hinzu die
erhabenen Glasmalereien eines Melchior Lechter und die
prachtvollen Werke unserer dekorativen Maler, Böcklin, Thoma,
Klinger, Ludwig v. Hofmann, nehmen wir hinzu, was nament-
lich von Dresdener Künstlern an Plakaten geschaffen worden
ist, so können wir den Schluss nicht abweisen: wir haben
eine angewandte Kunst neuen Stiles.

Andererseits ist Bresche gelegt in die individualistischen
Irrlehren, welche bestritten, dass die Kunst einen Zweck
habe, welche verkündeten: der Künstler lebe sich aus in
seinem Werke — schrankenlos, ungebändigt! Unsere schöpfe-
risch begabten Maler und Bildhauer werden heimgeführt zu
ihrem Berufe. Wir erinnern uns der Zeiten edelster Kunst-

*) Von allen diesen bedeutenden Arbeiten Reproduktionen in den verschie-
denen Heften der »Deutschen Kunst und Dekoration«.

blüthe, der Zeiten eines Dürer, Holbein, Veit Stoss und Jam-
nitzer, wo auch der erhabenste Schöpfergeist die Beziehungen
zum Leben, zu den Zwecken und Bedürfnissen des Lebens
nicht verlor, wo er nicht von der heute herrschenden Origi-
nalitätssucht und Schaulust dazu getrieben wurde, sich in
schwülstigen Effekten und wüster Phantastik gleich dem
Athleten der Arena zu erschöpfen. So begrüssten wir die
angewandte Kunst als eine Schule der Genesung auch für
die freien Künste. Es macht uns froh und getrost, unsere
Meister wieder so recht bei der Arbeit zu sehen, beim
Webstuhl und Brennofen, beim Holzstock und beim Ambos
und vor der Staffelei nicht mit der Absicht, ihre Person durch
seltsame und immer seltsamere Darstellungen in der Leute
Mäuler zu bringen, sondern bedacht auf die Schönheit und
auf die Erfüllung des jeweiligen Zweckes. Nur so gelangt
die Kunst zu jener edelsten Freiheit in strengster Gebunden-
heit, welche wir Stil nennen.

Wir wollen freilich nicht verkennen, dass wir noch bei
den Anfängen stehen, dass die meisten Künstler noch nicht
über Ansätze und mehr oder minder glückliche Versuche
hinausgekommen sind. Die meisten Künstler sind sich noch
sehr wenig klar darüber, was sie wollen oder sollen. So
ergeben sie sich entweder individualistischen Ausschweifungen
oder aber dem Japonismus. Der Japaner bildet eine Natur-
form , einen Blüthenzweig, einen Frosch, eine Vedute so
naturalistisch ab wie nur möglich und überträgt diese natur-
getreue Nachbildung auf die Fläche eines Gebrauchsgegen-
standes, wo er ihn so geschickt und appetitlich anzubringen
weiss, dass der zu verzierende Raum organisch ausgefüllt
erscheint, obwohl er es in der That meist gar nicht ist. Die
Natur nachzubilden, das ist für einen geschickten Techniker
so keine schwere Sache, dazu braucht man vornehmlich eins
nicht: künstlerische Einfälle. Also hielten sich die Minder-
begabten als ehemalige Maler und Impressionisten an die
Methode der Japaner. Leider nur fehlte ihnen das Geschick
im Anbringen ihrer Naturstudien, jene verblüffende und
unbeschreibliche Kunstfertigkeit der Japaner, die sich eben
nur durch eine jahrhundertelange Tradition und Geschmacks-
Verfeinerung entwickeln konnte. Aber wir müssen anderer-
seits auch zugestehen, dass der Japonismus in Frankreich
noch ganz anders haust, während bei uns doch die Führenden
fast alle erkannt haben, dass die Tendenz unseres Kunstgewerbes
keine malerische, sondern eine konstruktive ist. (Fortsetzung folgt.>

BERICHTIGUNG.

Die modernen Gemächer im Grossherzoglichen Neuen
Palais zu Darmstadt, über welche wir im Januar-Hefte berich-
teten, sind, wie wir ausdrücklich nochmals hervorheben möchten,
von der Gluckert'sehen Hof-Möbelfabrik in Darmstadt ausge-
führt worden. Insbesondere sind auch die prächtigen Kupfer-
beschläge der Täfelungen und Thüren in den Ateliers der
genannten Anstalt entworfen worden. Nur die Möbel und
Geräthe im Empfangs-Zimmer I. K. H. der Frau Grossherzogin
wurden in der -»Guild and school of handicraft« in London
unter Ashbee's Leitung angefertigt. — Wir glauben dies
deshalb genau feststellen zu sollen, weil unsere ersten Mit-
theilungen über diese Gemächer, die mehr allgemein-ästhe-
tischer Art waren, sich nur auf die Namhaftmachung der Aus-
führenden beschränkt hatten. Es ist jedoch für unser Kunst-
gewerbe und besonders für die Firma Glückert eine ehren-
volle Thatsache, dass diese Gemächer, welche zu den besten
Leistungen der neuen Richtung gezählt werden müssen,,
von einer deutschen kunstgewerblichen Anstalt ausgeführt
worden sind. Die Redaktion.
 
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