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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 10.1899

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Ebe, Georg: Das Historische Erbe der Architektur und die "Moderne", [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7397#0115

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Seite 84.

Inneren sind durch die nachfolgenden Entwicklungsstufen
weit überholt; und überdem haben Griechen, Perser und
Römer nicht verfehlt, die vorgeschrittensten Motive der
ägyptischen Kunst, die Säulenhallen und Säulensäle, nament-
lich die letzteren mit ihrer seitlichen Beleuchtung des höher
geführten Mittelschiffs, in den Kreis ihrer eigenen Kunst
aufzunehmen und weiter zu entwickeln. Anders freilich, wie
zu der altorientalischen, ist unsere Stellung zu der griechischen
Kunst; diese hat stets mittelbar durch die Römer und Byzan-
tiner, unmittelbar seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts
auf die Gestaltung der Kunstformen eingewirkt, und ihre
Sprache ist uns so vertraut geworden wie eine zweite Mutter-
sprache. Der Karakter des vollendet Einfachen und Inhalts-
vollen, der geregelte Bezug der Theile zum Ganzen und ihre
Unterordnung unter einen beherrschenden Mittelpunkt, mit
einem Worte, der Begriff des Klassischen wird für uns immer
mit der griechischen Kunst verknüpft bleiben und muss an
ihren Werken studirt werden. Aber dennoch, sollen wir

Mai-Heft.

dieser Vorzüge wegen vergessen, dass der Kreis der griech-
ischen Bautypen viel zu eng und im nationalen Sinne um-
schrieben ist, um die Ideen und Bedürfnisse der folgenden
und unserer eigenen Zeit in sich aufnehmen zu können?
Eigentlich ist es doch nur der Typus des Tempelhauses, welcher
bei den Griechen ganz zur Vollendung gekommen ist, und alle
anderen Gebäudeklassen entlehnen hiervon ihre Elemente. Das
Säulengerüst der äusseren Tempelhallen, in Verbindung mit
den flachen Steindecken, den figurengeschmückten Giebeln
und dem Marmordach, bildet einen in seiner Folgerichtigkeit
unübertroffenen Organismus, und die Bauten der Akropolis
zu Athen aus den Zeiten des Perikles müssen vielleicht als
das Höchste aller architektonischen Leistungen für alle Zeiten
anerkannt werden. Aber das Fehlen des Bogens und der
Gewölbe in der griechischen Baukunst, die hieraus folgende
Einschränkung in der Ausbildung der Grundrissformen und
des Stockwerkbaues treten jeder Fortbildung des griechischen
Bau-Ideals hindernd in den Weg. — (Fortsetzung im nächsten Heft.)

IIIustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Abbildung Nr. 1098. Wiener Rathhaus-Keller: *Das Rathsstübchen.« Nach dem Aquarell von Heinrich lefler in Wien.
 
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