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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 10.1899

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Z., D.: Die Hans Christiansen-Ausstellung in Darmstadt
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Abbildung Nr. 1106. Kneipzimmer-Stühle. Villa Fritzsche in Leipzig-Gohlis. Entwurf hans friedet.—München, Ausführung Tischlermeister hahn—Leipzig.

Fall richtige zu treffen dem Taktgefühl und der Fantasie des
Künstlers überlassen bleibt. Es ist daher im Grunde genommen
nicht ganz korrekt, dekorative Werke auf einer Ausstellung
zu beurtheilen, wenn diese nicht, wie es auf der »Kunst- j
gewerblichen Abtheilung« der hiesigen Kunst-Ausstellung von
1898 mit Glück durchgeführt war, die Arbeiten in ihrer
praktischen Anwendung vorführt. Das war nun allerdings
in den für die Kollektiv-Ausstellung Hans Christiansens in
der Centralstelle für die Gewerbe zur Verfügung stehenden
Räumlichkeiten nicht durchführbar. Gleichwohl wurde uns
hier Gelegenheit gegeben, einen Ueberblick über das Schaffen, |
die Absichten und die künstlerische Persönlichkeit dieses
Künstlers zu gewinnen, der sich als einer der Führer der
modernen Bewegung bereits eines internationalen Rufes erfreut.

Ausser etwa 400 Entwürfen dekorativer Art und Drucken, |
waren in der in Rede stehenden Ausstellung etwa 20 ange-
führte Kunstverglasungen zu sehen, darunter ganz vorzügliche
Leistungen von Engelbrecht in Hamburg, Gebrüder Liebert
in Dresden, Adolf Schell in Offenburg und Friedrich Endner
in Darmstadt. Die von der zuletzt genannten Kunstglaserei
herrührenden Stücke verdienen ganz besondere Beachtung.
Sie fallen von vornherein auf durch ihren wohlthuenden,
warmen Glanz, der, trotz der oft geradezu prunkvollen Farben-
gluth niemals zu greller, blendender Lichtwirkung gesteigert
ist. Die Wahl der Töne, ihre Abstufungen und namentlich
die durch Hinterlegung dämpfender Gläser hervorgerufenen
Effekte sind bei Endner musterhaft. Das »Mädchen im Schnee«
ist ein Kabinetsstück moderner Opaleszentverglasung. Der I
flatternde Rock des Kindes ist durch ein einziges glücklich
gewähltes Stück Glas wiedergegeben, das so geschickt ver-
wendet ist, dass es sogar die Falten des Gewandes und den
Eindruck des Flatterns in echt dekorativer Weise zur Empfin-
dung bringt. Endner ist in diesem Falle über den Künstler,
der auf seinem Entwurf nur einen glatten Farbfleck vorsah,
hinausgegangen. Mit feinem Verständnisse spürt er aus den

Vorlagen Christiansens die tiefere Absicht heraus, die dem
Künstler als das Wesentliche vorschwebte, und beschränkt
sich nicht auf ein handwerksmässiges Ausführen dessen, was
in derber Handschrift auf dem Papiere steht. Das gilt auch
von seinen Verbleiungen, die er mit ausserordentlichem
Geschick beherrscht. Er kann in den Konturen den feinsten
Nuancen der Zeichnung folgen und erreicht mitunter eine
Weichheit in der Führung und eine Plastik von ganz eigen-
artigem Reize. Auch einige Teppiche, von Frau Professor
Käthe Steiner in Freiburg i. Br., in Scherrebeker Manier
nach Entwürfen Christiansens gewebt, fielen vortheilhaft auf.
Ferner erwähnen wir Cigarettendosen, Taschenspiegel, Feuer-
zeuge in Silber, mit überaus feinen Email-Dekors nach
Christiansen ausgeführt von der Firma Louis Kuppenheim
in Pforzheim.

Schon aus dem Ebengesagten erhellt die aussergewöhn-
liche Vielseitigkeit dieses Künstlers. Seine Fantasie grenzt
fast ans Fabelhafte. Es gibt nichts, was ihn nicht anregte
zu einer hübschen Komposition: Strassenszenen, spielende
Kinder, Meerungeheuer, Nixen, Schwäne, badende Mädchen,
sanfte edle Frauen und boshafte Teufel, Albdruck-Visionen
und anmuthige Träume, farbenglühende Landschaften. Das
alles zieht wie ein bunter Reigen an unseren Aug-en vorüber,
das alles ist unserem Künstler Stoff zur Gestaltung verzierender
Gebilde. Selten geht er auf die stilistische Strenge des Orna-
mentes im engeren Sinne aus. Er ist vielmehr ein begeisterter
Anhänger jener anderen Dekorationsweise, die von jeher neben
der ornamentalen bestand und die durch die herrlichen Vor-
bilder der alten Japaner in neuerer Zeit in Europa wieder
Verbreitung gefunden hat. Hier gilt es, die Eindrücke aus
dem Leben und aus der Natur in unmittelbarer Frische fest-
zuhalten und zugleich in Linie und Farbe so zu vereinfachen,
zu »sterilisiren«, sodass sie eine Schmuckwirkung ausüben
und hierin kommt Christiansen kaum ein anderer deutscher
Künstler bei. D. z.
 
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