Seite 118.
Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.
August-Heft.
möglichst vollkommen erfüllen, das Material in seiner eigen-
tümlichen Schönheit deutlich und ehrlich sprechen lassen
und in die Anforderungen der besonderen Technik sich hinein-
finden. So gibt es denn heute also für die kunstgewerblichen
Fabrikanten keinen ehrlichen Grund mehr, sich weiter ab-
lehnend zu verhalten.
Wenn sie nun aber hingehen und sehen, und es findet
das Neue öder etwas davon Gnade vor ihren Augen, so
mögen sie nicht zu ihren Musterzeichnern und Modelleuren
sagen: Gehet hin und thuet desgleichen, das heisst, macht
mir das auch, das heisst: nach! Denn thun sie also, so wird
das, was diese dann fertigen, nicht nach dem Wort Schillers:
»im inneren Herzen gespürt« sein. Nein, zu den Handwerks-
Künstlern selbst mögen sie gehen, die ein gutes Recht haben,
die Früchte ihrer Arbeit auch zu gemessen, und die heute
zumeist nicht mehr »eingebildet« sind, wohl aber sich weit
genug selbst »ausgebildet« haben, um allen praktischen An-
forderungen zu entsprechen, ja die ja sehnsüchtig darauf
warten, in grösserem Maassstabe unter gegebenen Beding-
ungen fröhlich zu schaffen. Erst wenn der kapitalkräftige
Produzent sich, muthiger und von solchen Erwägungen
geleitet, getraut, die neue Art der künstlerischen Bodenkultur
auch bei sich zu erproben, wird es ein allgemeines Blühen
und Fruchten geben. Das Publikum ist eigensinnig wie ein
Kind, aber nicht lange, dann ist es auch folgsam wie ein Kind.
Das sind einige von den allgemeinen Bemerkungen und
Wünschen, die sich bei dem Betrachten der kunstgewerblichen
Abtheilung unserer deutschen Ausstellung aufdrängen. Gerade
für die letzten Behauptungen ist sie ein schlagender Beweis.
Wie verhältnissmässig klein ist noch die Zahl der Firmen,
die sich verständnissvoll mit der technischen Ausführung des
Neuartigen befassen, wie im Verhältniss zum Geleisteten
gering waren die Mittel, die aufgewandt werden konnten,
und wie viel treffliches ist hervorgebracht! Und das Publikum ?
Natürlich bekam man auch neben einigem klugen Tadel
schwer zu erwärmender Beschauer viel urtheilsloses dummes
Zeug in den Räumen zu hören, aber es überwogen doch weit-
aus die Ausrufe aufrichtiger Freude und die Worte, die von
vorhandenem oder aus der neugewonnenen Empfindung auf-
keimenden Verständniss zeugten. Und davon, dass das nicht
nur Worte waren, davon, dass die Freude so nachhaltig war,
um den Wunsch des Besitzes zu erwecken, davon sprechen
schon heute an vielen Stellen die schwarzen Zettel mit dem
»einmal«, »zweimal« bis zu »dreiundzwanzigmal verkauft«
(und nicht etwa zur Verloosung, sondern einzeln).
Der Eindruck der Innen-Dekoration auch jener Räume,
die Malerei und Plastik beherbergen, ist überraschend vor-
nehm und schön. Und das war schon im Konstruktiven
nicht leicht. Es galt diesmal wiederum in unserer städtischer
Ausstellungshalle die Räume zum grösseren Theil als ein
Haus im Hause erst zu schaffen und dabei musste im Be-
nutzen wie im Verdecken mit den vorhandenen Lichtquellen
gerechnet werden. Bis auf wenige Räume ist die Ueber-
windung dieser rein konstruktiven Schwierigkeiten vortrefflich
geglückt. Die Raumbehandlung geht mit dem dezent ver-
wandten Dekorativen so selbstverständlich zusammen, dass
ein gut Theil von dem ästhetischen Behagen, welches wir
beim Durchwandern der Räume empfinden, auf ihr Konto,
das heisst auf das Konto Architekt Gräbners geht, der hier
von Professor Kuehl unterstützt seines Amtes gewaltet hat.
Das Schwierigste ist gleich in der Eingangshalle vollbracht.
In dem von Hause aus schwülstigen Barockraum ist mit
phantasieanregendem, lustigem Holzgegitter, mit ein wenig
Rasen und einigen Bäumen der Eindruck einer Gartenhalle
hervorgerufen. Zwischen den Säulen stehen Sprüche von
Ferdinand Avenarius, deren schönste wir doch hersetzen
wollen:
Kunst, was magst Du geben ?
Arbeitswochen als Feste zu leben.
Kunst ist die Pforte am Haus der Natur,
Bleib nicht im Thorweg, durchschreit ihn nur !
Die grosse Haupthalle, seit 1897 inzwischen gedielt, hat
diesmal nicht Garten-, sondern Saal-Karakter. Der Fussboden
ist roth gedeckt, die unteren Wandtheile gelb und blau, da-
zwischen die grünen Büsche. Ein wundervolles Gesammtbild.
Der alte Wahn, dass kräftige Farbigkeit an sich bäuerisch
und unvornehm sei, erhält hier wieder einmal einen kräftigen
Stoss. Geläuterten Geschmack bedarf es freilich um die harten
Farben als harmonischen Akkord zusammenklingen zu lassen.
Ausser den feierlich weissen, tempelartigen Räumen für
Klinger und Hildebrandt geben in den anderen Sälen die
meist gestrichenen Matten, das Holzpaneel und die schimmerig
getönte Rupfea der Wandfläche einen schlichten, verschieden-
artig und stets geschmackvoll zusammengesetzten Farben-
dreiklang. Wie gut und leicht Hessen sich auch in unseren
Wohnungen solch köstliche Zusammen Wirkungen erzielen,
wenn man die Wände statt mit unseren meist noch entsetzlich
unruhigen Tapeten mit dem ruhigen Leuchten solcher goldigen,
röthlichen, bläulichen Farben überdeckte. Dass die Wand
doch stets nur ein Hintergrund ist, der unaufdringlich und
nur als Fläche zu wirken hat; wann kommt der Tag, der
diese Ueberzeugung als herrschende sieht? Auch der ganz
einfache Anstrich der Thürrahmen wirkt lediglich durch ge-
schmackvolle Farbwahl sehr vornehm; die schlimmen lehm-
braunen Töne der Thüren unserer Miethskasernen findet man
da nirgends. Erlesenste Genüsse für das geschulte Auge
geben dann die Durchblicke durch mehrere solcher Räume.
Die kunstgewerblichen Räume unserer Ausstellung, von
denen nun im Einzelnen in Ergänzung der Abbildungen
unseres Heftes zu sprechen ich die erfreuliche Aufgabe habe,
beweist wieder, dass auf allen Gebieten der Innen-Dekoration
auch in Deutschland heute ein intensives Arbeiten da ist.
Es handelt sich also nicht mehr darum, das junge Pflänzchen
zärtlich zu hüten und so wird man heute schon zu dem
Minderen, oder zu dem, was uns am Guten noch nicht als
endgültige Lösung erscheint, auch ein Tadelwort sagen können,
ohne Schaden anzurichten. Keine Gelegenheit dazu — es
sei denn die Anmerkung, dass der Spezialkatalog erst jetzt
Mitte Juni erschienen ist — bietet das mühevolle Wirken
der Kommission der kunstgewerblichen Abtheilung und ihres
Vorsitzenden des Geh. Regierungsraths Woldemar v. Seidlitz.
Nicht nur mit kräftigen Beihülfen zu den Herstellungskosten,
sondern auch mit ganz ausserordentlichem Verständniss und
Feingefühl ist man den Wünschen der Handwerkskünstler
entgegen gekommen. Vor allem hat man ihnen Freiheit
gelassen, sich die Räume selbst abzumessen und so zu
belichten, wie es ihnen für ihre Zwecke dienlich schien.
Unter den herstellenden Firmen treten für Möbel zum
erstenmal unsere jungen »Werkstätten für Handwerkskunst
(Schmidt u. Müller)« hervor. Die Entwürfe zu ihren Zimmern
und einzelnen Möbelstücken sind durchweg von Dresdener
Künstlern geschaffen. Ihre Hervorbringungen haben bereits
deutliche Eigenart, die sie von den älteren Münchener Werk-
stätten unterscheidet. Doch davon später im Einzelnen.
Diese Räume nun — es sind fünfzehn im Ganzen — in
denen das Kunsthandwerk nicht dient, sondern herrscht, glie-
dern sich äusserlich in zwei Gruppen, von denen wir die
kleinere zunächst durchwandern wollen. Wir wollen uns
dabei zunächst nur um die nothwendig zum Gesammt-Eindruck
gehörigen Dinge kümmern und die kleineren Sachen, die
Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.
August-Heft.
möglichst vollkommen erfüllen, das Material in seiner eigen-
tümlichen Schönheit deutlich und ehrlich sprechen lassen
und in die Anforderungen der besonderen Technik sich hinein-
finden. So gibt es denn heute also für die kunstgewerblichen
Fabrikanten keinen ehrlichen Grund mehr, sich weiter ab-
lehnend zu verhalten.
Wenn sie nun aber hingehen und sehen, und es findet
das Neue öder etwas davon Gnade vor ihren Augen, so
mögen sie nicht zu ihren Musterzeichnern und Modelleuren
sagen: Gehet hin und thuet desgleichen, das heisst, macht
mir das auch, das heisst: nach! Denn thun sie also, so wird
das, was diese dann fertigen, nicht nach dem Wort Schillers:
»im inneren Herzen gespürt« sein. Nein, zu den Handwerks-
Künstlern selbst mögen sie gehen, die ein gutes Recht haben,
die Früchte ihrer Arbeit auch zu gemessen, und die heute
zumeist nicht mehr »eingebildet« sind, wohl aber sich weit
genug selbst »ausgebildet« haben, um allen praktischen An-
forderungen zu entsprechen, ja die ja sehnsüchtig darauf
warten, in grösserem Maassstabe unter gegebenen Beding-
ungen fröhlich zu schaffen. Erst wenn der kapitalkräftige
Produzent sich, muthiger und von solchen Erwägungen
geleitet, getraut, die neue Art der künstlerischen Bodenkultur
auch bei sich zu erproben, wird es ein allgemeines Blühen
und Fruchten geben. Das Publikum ist eigensinnig wie ein
Kind, aber nicht lange, dann ist es auch folgsam wie ein Kind.
Das sind einige von den allgemeinen Bemerkungen und
Wünschen, die sich bei dem Betrachten der kunstgewerblichen
Abtheilung unserer deutschen Ausstellung aufdrängen. Gerade
für die letzten Behauptungen ist sie ein schlagender Beweis.
Wie verhältnissmässig klein ist noch die Zahl der Firmen,
die sich verständnissvoll mit der technischen Ausführung des
Neuartigen befassen, wie im Verhältniss zum Geleisteten
gering waren die Mittel, die aufgewandt werden konnten,
und wie viel treffliches ist hervorgebracht! Und das Publikum ?
Natürlich bekam man auch neben einigem klugen Tadel
schwer zu erwärmender Beschauer viel urtheilsloses dummes
Zeug in den Räumen zu hören, aber es überwogen doch weit-
aus die Ausrufe aufrichtiger Freude und die Worte, die von
vorhandenem oder aus der neugewonnenen Empfindung auf-
keimenden Verständniss zeugten. Und davon, dass das nicht
nur Worte waren, davon, dass die Freude so nachhaltig war,
um den Wunsch des Besitzes zu erwecken, davon sprechen
schon heute an vielen Stellen die schwarzen Zettel mit dem
»einmal«, »zweimal« bis zu »dreiundzwanzigmal verkauft«
(und nicht etwa zur Verloosung, sondern einzeln).
Der Eindruck der Innen-Dekoration auch jener Räume,
die Malerei und Plastik beherbergen, ist überraschend vor-
nehm und schön. Und das war schon im Konstruktiven
nicht leicht. Es galt diesmal wiederum in unserer städtischer
Ausstellungshalle die Räume zum grösseren Theil als ein
Haus im Hause erst zu schaffen und dabei musste im Be-
nutzen wie im Verdecken mit den vorhandenen Lichtquellen
gerechnet werden. Bis auf wenige Räume ist die Ueber-
windung dieser rein konstruktiven Schwierigkeiten vortrefflich
geglückt. Die Raumbehandlung geht mit dem dezent ver-
wandten Dekorativen so selbstverständlich zusammen, dass
ein gut Theil von dem ästhetischen Behagen, welches wir
beim Durchwandern der Räume empfinden, auf ihr Konto,
das heisst auf das Konto Architekt Gräbners geht, der hier
von Professor Kuehl unterstützt seines Amtes gewaltet hat.
Das Schwierigste ist gleich in der Eingangshalle vollbracht.
In dem von Hause aus schwülstigen Barockraum ist mit
phantasieanregendem, lustigem Holzgegitter, mit ein wenig
Rasen und einigen Bäumen der Eindruck einer Gartenhalle
hervorgerufen. Zwischen den Säulen stehen Sprüche von
Ferdinand Avenarius, deren schönste wir doch hersetzen
wollen:
Kunst, was magst Du geben ?
Arbeitswochen als Feste zu leben.
Kunst ist die Pforte am Haus der Natur,
Bleib nicht im Thorweg, durchschreit ihn nur !
Die grosse Haupthalle, seit 1897 inzwischen gedielt, hat
diesmal nicht Garten-, sondern Saal-Karakter. Der Fussboden
ist roth gedeckt, die unteren Wandtheile gelb und blau, da-
zwischen die grünen Büsche. Ein wundervolles Gesammtbild.
Der alte Wahn, dass kräftige Farbigkeit an sich bäuerisch
und unvornehm sei, erhält hier wieder einmal einen kräftigen
Stoss. Geläuterten Geschmack bedarf es freilich um die harten
Farben als harmonischen Akkord zusammenklingen zu lassen.
Ausser den feierlich weissen, tempelartigen Räumen für
Klinger und Hildebrandt geben in den anderen Sälen die
meist gestrichenen Matten, das Holzpaneel und die schimmerig
getönte Rupfea der Wandfläche einen schlichten, verschieden-
artig und stets geschmackvoll zusammengesetzten Farben-
dreiklang. Wie gut und leicht Hessen sich auch in unseren
Wohnungen solch köstliche Zusammen Wirkungen erzielen,
wenn man die Wände statt mit unseren meist noch entsetzlich
unruhigen Tapeten mit dem ruhigen Leuchten solcher goldigen,
röthlichen, bläulichen Farben überdeckte. Dass die Wand
doch stets nur ein Hintergrund ist, der unaufdringlich und
nur als Fläche zu wirken hat; wann kommt der Tag, der
diese Ueberzeugung als herrschende sieht? Auch der ganz
einfache Anstrich der Thürrahmen wirkt lediglich durch ge-
schmackvolle Farbwahl sehr vornehm; die schlimmen lehm-
braunen Töne der Thüren unserer Miethskasernen findet man
da nirgends. Erlesenste Genüsse für das geschulte Auge
geben dann die Durchblicke durch mehrere solcher Räume.
Die kunstgewerblichen Räume unserer Ausstellung, von
denen nun im Einzelnen in Ergänzung der Abbildungen
unseres Heftes zu sprechen ich die erfreuliche Aufgabe habe,
beweist wieder, dass auf allen Gebieten der Innen-Dekoration
auch in Deutschland heute ein intensives Arbeiten da ist.
Es handelt sich also nicht mehr darum, das junge Pflänzchen
zärtlich zu hüten und so wird man heute schon zu dem
Minderen, oder zu dem, was uns am Guten noch nicht als
endgültige Lösung erscheint, auch ein Tadelwort sagen können,
ohne Schaden anzurichten. Keine Gelegenheit dazu — es
sei denn die Anmerkung, dass der Spezialkatalog erst jetzt
Mitte Juni erschienen ist — bietet das mühevolle Wirken
der Kommission der kunstgewerblichen Abtheilung und ihres
Vorsitzenden des Geh. Regierungsraths Woldemar v. Seidlitz.
Nicht nur mit kräftigen Beihülfen zu den Herstellungskosten,
sondern auch mit ganz ausserordentlichem Verständniss und
Feingefühl ist man den Wünschen der Handwerkskünstler
entgegen gekommen. Vor allem hat man ihnen Freiheit
gelassen, sich die Räume selbst abzumessen und so zu
belichten, wie es ihnen für ihre Zwecke dienlich schien.
Unter den herstellenden Firmen treten für Möbel zum
erstenmal unsere jungen »Werkstätten für Handwerkskunst
(Schmidt u. Müller)« hervor. Die Entwürfe zu ihren Zimmern
und einzelnen Möbelstücken sind durchweg von Dresdener
Künstlern geschaffen. Ihre Hervorbringungen haben bereits
deutliche Eigenart, die sie von den älteren Münchener Werk-
stätten unterscheidet. Doch davon später im Einzelnen.
Diese Räume nun — es sind fünfzehn im Ganzen — in
denen das Kunsthandwerk nicht dient, sondern herrscht, glie-
dern sich äusserlich in zwei Gruppen, von denen wir die
kleinere zunächst durchwandern wollen. Wir wollen uns
dabei zunächst nur um die nothwendig zum Gesammt-Eindruck
gehörigen Dinge kümmern und die kleineren Sachen, die