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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 10.1899

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Einiges über den Städte-Bau der Zukunft, [1]
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Seite 130. Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration. August-Heft.

Abbildung Nummer 1150. Entwurf zu einem Büffet. Architekt patriz huber, Darmstadt.

burger Thor in Berlin, so könnte das Pariser noch am ehesten
den obigen Anforderungen entsprechen, da es die weitaus
grösste Bogenöffnung dem Verkehr bieten würde; dieser
selbst aber wird in grossem Umwege herumgeleitet und
enorm gehindert. Dagegen sind bei den Münchener Thoren
und dem Brandenburger Thor die Oeffnungen viel zu schmal.
Bei dem letzteren könnte durch die Anzahl der Durchfahrten
deren mangelnde Breite ausgeglichen werden, wenn jede
Möglichkeit eines Zusammenstosses mit querfahrenden Wagen
oder mit Fussgängern ausgeschlossen wäre, sodass das Thor
in flottem Tempo zu passiren wäre. Da nun für den künst-
lerischen Eindruck nicht ein thatsächlicher Abschluss, sondern
nur ein Zielpunkt für den Blick nöthig ist, so genügen auch
kleinere Bauten. Es gehören hierhin die verschiedenen Arten
von Denksäulen, Monumenten, Standbildern, Blumen-Anlagen,
Springbrunnen, selbst Gitterthore und was sonst zur Ver-
schönerung der Strassendurchblicke Verwendung gefunden
hat, und wozu wir Vorbilder in unendlicher Mannigfaltigkeit
besitzen.

Um einen Gesichtspunkt zur Beurtheilung der Einzel-
durchführung der Bauten zu gewinnen, ist es vortheilhaft,
zunächst einige Vergleiche anzustellen. Es gibt wohl kaum
eine andere Stadt, in der man soviel Aufwand an Architektur,
soviel eigenartiges Streben findet wie in Berlin; aber was
ist damit erreicht? Kein Mensch bemerkt überhaupt die
Bauten, an denen er in der inneren Stadt vorüberläuft, denn
die Strassen sind schnurgerade und ausserdem eng oder, wie

die Linden, mit Bäumen verbaut. Hätte London die Berliner
Bauten, so würde unzweifelhaft ein höchst interessantes
Strassenbild sich überall bieten. Dort sind die Strassen durch
ihre historisch entstandenen unregelmässigen Linien geeignet
für abwechslungsreiche Bauten; dort würde jedes Haus zur
Geltung kommen. Bei einem modernen geradlinigen Strassen-
netz aber dringen die architektonischen Details nicht durch,
und Mannigfaltigkeit wirkt kleinlich. Vergleichen wir damit
die Pariser Strassenzüge. Welch ein Unterschied in der
Wirkung, und doch wieviel geringere Mittel, wieviel weniger
Aufwand an Architektur! Der Grund hierfür kann einzig
und allein in der absoluten Gleichmässigkeit der Bauten zu
suchen sein, die nicht langweilig wirken kann, wenn durch
die ■ geometrische Anlage die Einzelheiten verloren gehen,
wohl aber durch ihre Grossartigkeit der Auffassung zu einem
imposanten Eindruck sich durchringt. Es ergibt sich daraus,
dass überall da, wo die geschichtliche Entwickelung oder
lokale Eigenthümlichkeiten es begründen und zweckmässig
erscheinen lassen, geknickte Strassenzüge sehr wünschens-
werth sind und bei voll gewahrter Individualität der Einzel-
bauten ein künstlerisches Bild abgeben werden. Wo aber
derartige Begründungen nicht vorliegen, werden von Knoten-
punkt zu Knotenpunkt die Strassen vernünftigerweise gerade
angelegt werden, und dann ist allein eine Wirkung möglich,
wenn die Einzelbauten einem künstlerischen Gesetze unter-
worfen werden. Es müsste also ein Stadttheil systematisch
derart angelegt werden, dass gleichzeitig mit den Plänen des
 
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