Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 10.1899

DOI Artikel:
Schulze-Köln, Otto: Der Kunst-Salon Keller & Reiner in Berlin
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7397#0197

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Seite 150.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Oktober-Heft.

Abbildung Nr. 1187. keli.er & reiner, Kunst-Salon, Berlin. Grosser Oberlichtsaal. Architekt Professor a. messel, Berlin.

(Die Möbel im Vordergrunde entworfen von Walter Leistikow, Berlin.)

Und wo finden nun die Vornehmen, die sogenannten
Gebildeten und Reichen einen vollwichtigen, ja einen sie
weitaus mehr befriedigenden Ersatz für die Aufgabe der
Museumsbesuche. Nicht allein auf den Ausstellungen der
grossen Städte, das würde nicht genügen, das würde zu
umständlich, zeitraubend und kostspielig sein; diese Ausstel-
lungen würden auch nicht die gewünschte Ausbeute liefern.
Auf einmal zu viel, auf die Dauer ermüdend und zu alltäglich
inmitten des Plebs. — Das, was die Museen an modernen
Erzeugnissen und modernen Menschen freiwillig oder unter
Zwang ausscheiden, das nehmen die sogenannten Kunst-Salons
auf, die dem Bedürfnisse nach Sammelpunkten moderner
Kunstwerke, nach freiester und ungezwungenster Besich-
tigung und Geniessung derselben in umfassendster Weise
entgegenkommen wollen und dem auch unbedingt, wenigstens
wo es sich um erstklassige Einrichtungen dieser Art handelt,
vollauf gerecht werden. Man mag über moderne Kunst und
ihre Werke denken wie man wolle, dagegen nicht einmal
in philiströsem Sinne, man wird zugeben müssen, dass die
grosse Menge noch nicht reif ist, moderne Kunst in öffent-
licher Schaustellung zu verstehen, zu würdigen, von ihr zu
lernen, sich von ihr erheben zu lassen. Sicher ist unser
gesammter Museums-Apparat, unsere gesammte öffentliche
Kunstpflege aus Gründen mancherlei Art noch nicht so weit,
die bedeutende Rolle zu übernehmen, die unsere ersten
Kunst-Salons zu vertreten im Sinne unseres gegenwärtigen
Kulturlebens berufen sind. Die Aufgabe der Museen liegt
noch auf wesentlich anderen Gebieten; in erster Linie auf
dem des Sammeins und Erhaltens überhaupt, in zweiter auf
dem des Sichtens und Werthens, der kritischen und historischen

Forschung. Mehr zu verlangen ist unbillig; hier hiesse das
Neue pflegen — das Alte vernachlässigen. Damit würde
aber der echten Kultur schlecht gedient sein. Es kann und
braucht gar nicht Aufgabe der Museen zu sein, sich der
neuesten Kunst in gleichem Sinne zu widmen wie der alten;
nicht selten würde das zu Begünstigung und Druckausübung
führen, nichts würde aber das freie Schaffen der Künste
mehr unterbinden, als eine Oberaufsicht von Staatswegen.
Die alten Vorbilder verführen viel zu leicht zur Trübung des
Urtheils in modernen Dingen.

Unter diesen Umständen ist die Errichtung von Kunst-
Salons unter verständiger und feinfühlender Leitung geradezu

I ein Bedürfniss geworden. Wir können ihrer gar nicht mehr
entbehren, denn die moderne Kunst hat den festesten Halt

| und Stützpunkt, weiteste Förderung und finanzielle Hülfe in
ihnen gefunden, und jede grössere Stadt würde mit solchen
Instituten segensreiche Einrichtungen treffen. — Zu den
bedeutendsten Kunst-Salons neuerer Zeit zählt der von
Keller & Reiner in Berlin W., Potsdamerstr. 122, eröffnete.
Schon seine günstige Lage in dem vornehmsten Viertel der
Stadt, dem von der Geburts- und Geld-Aristokratie bevölkerten
Westen, gibt ihm ein fühlbares Uebergewicht über verwandte
Institute der Residenz. Die in den Händen der Inhaber, die
über ein Jahrzehnt im Kunstverlage und Kunsthandel thätig
sind, ruhende Leitung hat nach geradezu glänzender Ent-
faltung ihrer Arbeitsmittel den vollen Beweis erbracht, dass
es an einem solchen Sammelpunkte der neuesten Kunst-
produktion aller Gebiete bisher auch in Berlin gefehlt hat.
Gemälde-Salons, in die versehentlich hier und da eine Plastik

J hineingeriet!!, haben wir mehr als genug; es fehlte uns an
 
Annotationen