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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 10.1899

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Schliepmann, Hans: Allerlei vom Maassstabe, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7397#0217

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Seite 166.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

November-Heft.

Fenstergitter in Passau. Entwurf Architekt Hans Friedel in München.
Abbildung Nummer 1201.

und so werden auch beim Maassstab Grössen verglichen;
aber es sind nicht die Theile eines Gegenstandes zu einander,
einer ganzen Reihe von Dingen zu einander, d. h. die Pro-
portionen eines Dinges, einer Landschaft, eines Interieurs,
die verglichen werden, sondern es gilt den Vergleich mit
einer Idee, einer vorgefassten Ansiebt über einen Gegenstand
und den ihm gebührenden — Maassstab. In ihm erscheint,
und das ist der Kern seiner Wirkung, ein unbewusstes
Hineintragen des Menschlichen in die Natur. Denn der
Eindruck des absoluten Maassstabes eines Gegenstandes ist
weiter nichts, als dessen Vergleichung mit der menschlichen
Figur, eine Feststellung des Verhältnisses des Dargestellten
zum betrachtenden Ich. Durch diese subjektive Beziehung

aber rückt der Gegenstand erst recht eigentlich in eine
Beziehung zu unserer Persönlichkeit; alles Gefallen oder
Missfallen ist aber nur ein mehr oder minder bewusster oder
unbewusster Vergleich mit unserem eigenen inneren Ich,
woher denn auch der Geschmack so verschieden, oder gar
auch meist — so jammervoll ist.

So sind denn auch die häufigsten bei den Bezeichnungen
für Maassstabverhältnisse »gross« und »klein« gar keine fest-
stehenden Begriffe. Ein jeder kennt aus Erfahrung, wie die
Verhältnisse unserer Umgebung während der Kinderzeit
später zusammenschrumpfen, wenn wir sie plötzlich einmal
nachträglich mit dem Maassstabe des Erwachsenen messen;
und selbst wir Ausgewachsenen empfinden Gross und Klein
nicht gleichmässig; je nach unserer Körperlänge, je nachdem
wir uns mit der zu-
frieden oder unzufrie-
den fühlen, je nach
unserem Geschlecht,
ja, nach unserer Rasse
messen wir die Dinge
verschieden, bevorzu-
gen wir das Grosse
oder das Kleine, das
Kräftige, Starke,
Derbe, Massige.Ernste,
Ehrliche, Trotzige,
Einfache oder das
Leichte, Zierliche, Ge-
fällige, Niedliche, Hei-
tere , Tändelnde.

Nicht ohne Ab-
sicht häufe ich da die
Bezeichnungen. Sie
lassen uns eben er-
kennen, wie wir in
den Maassstab eine
| grosse Anzahl von
Eigenschaften, je nach
unserem Empfinden,
hineinlegen, und dass
wir ferner jedenfalls
mit dem Begriff Gross

Abbildung Nr. 1203.
Fenstergitter. Villa Fritsche, Leipzig-Gohlis.
Entwurf Hans Fkiedel in München.

die Reihe der Empfindun-
gen verbinden, welche ins
Erhabene, Ernste hinüber-
neigt, während das Kleine
dem Begriff des Anmuthi-
gen nahesteht. Wie schon
angedeutet, ist die Bewerth-
ung von Gross und Klein
aber ausserdem noch immer
wieder subjektiv; ich
brauche nur an Nieder-
deutsche und Franzosen zu
erinnern, die vielleicht po-
lare Gegensätze des Schön-
heitsempfindens in Bezug

w____auf Maassstab darstellen.

Dort alles grob, schwer,

Abbildung Nr. 1202. Kerzenleuchter. Nach den Originalen auf der Wartburg gefertigt von Otto Bergner, gediegen, hier alles leicht,

Grossh. sächs. Hof-Kunstschlosser in Bad Berka a. d. Ilm. Alleiniges Ausführungsrecht. zierlich, spielerisch. Diesem
 
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