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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 10.1899

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Schliepmann, Hans: Allerlei vom Maassstabe, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7397#0225

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Seite 172. Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration. November-Heft.

zur vollen Wirkung gelangen. — Nur leider oft genug die
zu grosse Linie. Man ist aus einem Extrem in das andere
gefallen. Wird uns nach Obrist eine Art Paragraphenzeichen
in Hammelgrösse als einzige Verzierung auf eine grosse Decke
gestickt oder nach Peter Behrens ein Teppich geknüpft, auf
dem sich eine Linie ähnlich einem vereinfachten »laufenden
Hund« spreizt, als ob sie aus einem Kübel in kühnen
Schwingungen mit blauer zähflüssiger Farbe auf weissen
Grund gegossen wäre, so sind das einfach Ungeheuerlich-
keiten; und die modernsten Schrankbeschläge vergessen fast
ebensosehr, dass der Mensch der Maassstab aller Gebrauchs-
gegenstände ist, dass diese sonach einen Organismus bilden

erzielen lassen. Für das Detail nun bilden nicht nur das
Interesse an der Linie an und für sich die Grenze für den
Maassstab, sondern auch die ursprüngliche Grösse des
benutzten Naturmotives.

Nicht eigentlich Maassstabfragen betrifft es, doch gehört
es immerhin in den geistigen Zusammenhang, dass jede
Naturform um so weniger zu rein dekorativer Detail-Ver-
wendung geeignet ist, je individueller ihr Leben ist. Aber
auch dort, wo die Naturform an sich nicht Interesse an deren
Zi?^«jäusserungen, sondern nur an ihrer Form und Farbe
erweckt, gibt uns die Kenntniss dieser Naturform zugleich
die Idee von deren zugehörigem Maassstab. Ein Stief-

müssen, dem in mütterchen von

seiner Proportio- Tischplatten-

nirung eine ähn- B grosse ist eine

liehe Grössenein- '^^^ >5^f '*" =^ Laune, ein Witz,

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der menschlichen (/_\WY_\W_W_-WZ-_4? ^em Werth; das,

Figur. ^ - jfL=== 5<- Jjls was wir am Stief-

Sollen der- ^ j2>SfiL jjfcfo JßfgL JOT^ Jß> mütterchen be-

artige primitive---- ■ —---- wundern, können

Wurm - Gebilde --= HlilllOillllllllllil w"" n'cn^ besser

unser ganzes Ge- _ 1 Im^jI 11 durch hundert-

sichtsfeld in An- ___' |IWß "X>1| fache Vergrösse-

s^p^^ ^nehmen^ ~ ^^^^^^^^ ^ ~^ ^ ^^^^

harmonisch aus- ■ fe^1 j^^^U^l^Sll lll^Jj | ' I j || I ken wir hohl und
dass die einfache Bf^^ —E 53 55 CT— lü^l^l l=Ü ^ ^ flff&s^ £ä ^2. J beschränkt an-
gösse Linie in H — ^^^^ — | ^^'1'' ^ - | l^^y^ '"^ I maasslich.^ Ein

hunger befriedi- B^^^^— ferS^i^ — i^f^ljlll 1—t I =1^i benutzen, ist nun

gen kann: wer ^ ^^^^g [ j|, , freilich die StiHsi-

ausser unseren rung. Je weni-

Geziert - Primiti- ger naturalistisch

ven könnte das Abbildg. Nr. 1212. Entwurf zu einem Rauch-Zimmer. Kamin-Wand. Hof-Möbelfabrik A. Bemb£, Mainz. die Wiedergabe

behaupten? Ge- wirkt, desto we-
radesogut könnte niger tritt sie mit
man einen Raum etwa in nur zwei harmonirende Farben [ unserer vorhandenen Maassstabidee in Widerspruch. Darum
tauchen, im Uebrigen aber alle Kunstformen sparen und wirken unsere älteren, meist aber noch immer wieder auf-
behaupten , dieser Akkord sei einfach himmlisch und inten- gelegten Tapetenmuster mit naturalistischem Blumenwerk,
sivster Schönheitsgenuss. Wir werden das, beiläufig bemerkt, 1 abgesehen von der krausen und schlechten Linienführung

sicher auch noch wirklich bekommen; die Idiotisirung der
Kunstanschauungen bei Neigungen zur »Dekadenz« lässt das
mit voller Sicherheit erwarten.

Ein ganz Anderes wäre es, wenn man die karakteristische
Linie nur immer wieder als »Leitmotiv«, für eine Raumaus-
schmückung zu Grunde legte, ähnlich wie in manchen orien-
talischen Innen - Dekorationen immer wieder das gleiche
Polygon den Ausgang für die Bandverschlingungen des
Flächenornamentes gibt. Durch reichere und abwechselnde

und Flächenvertheilung, so geradezu schreckenerregend und
darum die neuen englischen Muster, die Linie und Fläche
zum stilisirenden Prinzip machen, so sehr viel erträglicher.
Trotzdem ist auch hier oft genug die Maassstabgrösse für
unser Gefühl überschritten; der aufdringliche Fleck bedeutet
uns zu wenig, wenn er — nur Tulpe ist (denn die Tulpe ist
ja die Lieblingsform dieser Gebilde). Man vergleiche nur,
wie ein schöner Menschenkopf vor solchen einfachen hand-
grossen, wenig modellirten Gebilden steht, zumal wenn diese sich

Detaillirung würden sich hier gewiss neuartige Wirkungen I durch die Farbe lebhaft vom Untergrund lösen. (Schius. folgt.)
 
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