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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 10.1899

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D., W. O.: Unser Speise-Zimmer
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https://doi.org/10.11588/diglit.7397#0227

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Seite 174. Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration. November-Heft.

Abbildung Nummer 1214. Entwurf zu einem Speise-Zimmer, Fenster-Wand. Hof-Möbelfabrik A. ßEMliE in Mainz.

Speisen mit den Fingern, anstatt mit der Gabel zum Munde
zu führen. Kein Porzellan, kein Krystall — heute die Zierde
jeder Tafel — würde die Tafel schmücken, nur Zinn- und
Holzteller und Zinnkrüge würden wir sehen, worunter wir
uns beileibe nicht unser Kayser-Zinn vorstellen dürfen. Ja
auch die Servietten müssten wir als stilwidrig verbannen;
unsere Gäste würden es vorgezogen haben, ihre Hände und
ihren Mund im Zipfel des Tischtuches abzuwischen. Es ist
der Gipfel der Geschmacklosigkeit, in unserer heutigen Zeit
an einer modernen Tafel Diener in Landsknechtstracht (!)
aufwarten zu lassen, das sollte man Kostümfesten überlassen.

Unser Speise-Zimmer ist kein altes, verräuchertes Kneip-
oder Wein-Zimmer, in dem der Mann sich in alltäglicher
Kleidung nach des Tages Last und Mühen erholte, zerstreute.
Nein! es ist derjenige Raum, in dem wir mit unseren Gästen
in der besten Kleidung, in kostbaren Toiletten, Stunden der
Freude verbringen, in dem wir Feste feiern.

Es ist hier nicht der Ort, auf alle Details des Speise-
Zimmers einzugehen, das will ich einem folgenden Aufsatz
überlassen, der dem umfassend gerecht werden soll.

Auf, auf! ihr Künstler, Architekten, die ihr das Ziel —
einen deutschen Stil, eine germanische Kunst im Auge habt,
hier helft den Hebel einsetzen. Hier bietet sich Gelegenheit,
euer Können zu zeigen.

Ist es nöthig, dass wir kunstgewerbliche Gegenstände,
dass wir Wohnungs-Einrichtungen aus dem Auslande beziehen?
Ist es nöthig, dass jährlich tausende von Mark für derartige

Gegenstände in das Ausland gehen? dass fremde Künstler
für Deutsche arbeiten? Lernt von ihnen und schafft selbst!

Und dem Publikum muss ich zurufen: »Warum in die
Ferne schweifen, seht das Gute liegt so nahe.«

Gebt unseren Künstlern Aufträge, setzt euch bei Bedarf
mit deutschen Künstlern in Verbindung. Lasst euere Wohn-
räume nicht von fremden Künstlern einrichten; ihr bekommt
es hier mindestens ebenso und billiger. An euch liegt es,
dass der deutsche Künstler was Gutes schafft. Gebt ihm
Aufträge, helft ihm auf die Beine, laufen wird er schon
können, besser als ihr denkt.

Warum schuf der Renaissance - Künstler so Grosses?
weil Auftraggeber und Künstler innig zusammenwirkten, ohne
das ein harmonisches Ganzes nicht denkbar ist. Indem
Fürsten und Päpste den Künstlern einträgliche Aemter zu-
wiesen, ermöglichten sie ihnen durch den täglichen Verkehr
ein genaues Studium der künstlerischen Wünsche des Be-
stellers — zeichneten doch diese ihre Wünsche oft nieder
zur besseren Orientirung des Künstlers. w. O. D.

WELTAUSSTELLUNG PARIS 1900. Der Reichskom-
missar hat der neu begründeten »Darmstädter Künstler-
Kolonie« auf Veranlassung des Grossherzogs von Hessen hin
einen besonderen Raum zur Verfügung gestellt, in welchem
sie sich mit der Herrichtung und vollen Ausstattung eines
Empfangszimmers an der Ausstellung betheiligen wird, unter
Mitwirkung hessischer Künstler und kunstgewerbl.Werkstätten.
 
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