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Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 1.1900-1901

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Kritische Rundschau
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98

R. Trunk: Die deutsche Wohnungseinrichtung

Auf diesen Stil richtete nun der Deutsche
sein Augenmerk und führte seine Formen
als neueste Errungenschaft ein, aber was
sich für England schickt, bietet desshalb
noch kein Gewähr, dass es auch in
Deutschland diese Eigenschaften besitze ;
die importirten Ideen konnten auf das
deutsche Gemüt keinen Einfluss gewinnen.
Einen Vorteil brachten uns aber die
fremden Stilformen doch, sie halfen näm.
lieh die Ueberzeugung festigen, dass wir
nur dann im Stand sind, eine nationale
Kunst zu schaffen, wenn wir die Ideen
der eigenen Seele selbstständig verarbeiten
und nicht unser Heil im Kopieren fremder
Vorbilder suchen. Eine Kunst muss aus
den Bedürfnissen eines Volkes heraus-
wachsen, sein ganzes Denken und Fühlen
verkörpern und zum beredten Ausdruck
bringen, andernfalls wird sie einer ver-
setzten Pflanze gleich verkümmern und

verwelken. Es ist auch ganz natürlich,
dass all die Gegenstände, die wir ge-
brauchshalber täglich um uns haben, alle
Schmuckformen, mit denen wir unsere
Räume ausstatten, unseren eigenen Cha-
rakter repräsentiren sollen. In einer Be-
ziehung war das Bestreben unserer Stil-
reformatoren von entschiedenem Vorteil,
als es die Bevorzugung deutschen Mate-
rials und deutscher Arbeit überall betonte.
Man sollte meinen, dass es Pflicht der
heimischen Kunst sei, Stoff und Arbeits-
kraft des eigenen Landes zur Geltung zu
bringen, im übrigen wird uns aber das
Geschick keine Wiederholung der Renais-
sance bescheeren. Möge es uns die Mittel
an die Hand geben, alle Schäden wieder
gut zu machen, die jene Stilhetze verur-
sacht hat.

Wer sich ein Bild jener Geschmacks-
und Gefühlsverwirrung machen will, besehe
sich die Wohnungseinrichtung unserer
besseren Stände und er wird begreiflich
finden, dass mancher Einsichtige den Glau-
ben an bessere Zeiten verlieren konnte
und mit dem Hinweis auf den unverdauten
Stilwirrwar die Möglichkeit eines neuen
Stils nicht zugeben will. Wie manche
Wohnung, die vornehm sein soll, sieht
aus wie ein Möbelladen, mit unbeholfenen
Schränken, deren Preis der Besitzer selbst-
gefällig nennt, eine Unmasse Gesimse daran,
gedrechselte Knöpfe, Säulen, als Dutzend-
ware erworbene Schnitzereien etc, Tapeten
mit unglaublichen Mustern, darauf lebens-
grosse Photographien in breiten Gold-
rahmen, an den Fenstern jene berüchtigten
Dekorationssurrogate, die mit der Auf-
munterung „Schmücke dein Heim" massen-
haft angepriesen werden. Mitunter trifft
man noch jene Teppiche mit gestickten
Hundsfiguren und eingesetzten Glasaugen;
das im Gegensatz zu den übrigen Möbel-
stücken schwarzgebeizte Klavier zieren
blanke Gypsfiguren — mitunter sogar
bronzirt -- und zwischen ihnen steht ein
sonderbares, formloses Etwas, aus Blät-
tern und Gräsern zusammengefügt und
Makartbouquet geheissen.

(Fortsetzung folgt.)
 
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