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Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 1.1900-1901

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Eine moderne Kunstgewerbeschule, [4]
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LeitscIniJi; Eine moderne Kunstgezverbeschule.

187

der Schule entspricht es, dass diese Ar-
beiten als Grundlage für dekorative Studien
ihre Verwertung finden; die Ausführung
von lebensgrossen Karyathiden nach dem
lebenden Modell, die Herstellung dekora-
tiver Füllungen mit Masken oder Figuren
leitet den Schüler dazu an, die Bedeutung
des Modellierens nach dem lebenden Mo-
dell für die Praxis zu erkennen, wie denn
gerade die später in einer Bauwerkstätte
thätigen Bildhauer die in der Schule ge-
wonnene Beherrschung der der Natur
entnommenen Formenwelt zu schätzen ver-
stehen. So wird also in dieser Abteilung
auch die Pflege der «architektonischen»
Gefühls nicht vernachlässigt. Das Kunst-
gewerbe, wie es der Keramiker von heute
braucht, findet namentlich in der mit be-
sonderer Energie betriebenen Herstellung
der verschieden gestalteten Vasen mit
figürlichem Schmuck wertvolle Anregung.

Die Modellierklasse findet dann noch
eine Ergänzung in der wichtigen Werk-
stätte für Keramik. Das Wort des Fran-
zosen Laborde : Es giebt keinen wirklichen
Unterricht in der Industrie als mit abge-
legter Weste, aufgestülpten Ärmeln, dem
Lederschurz auf dem Leib und dem
Hammer in der Hand, erhält in den Lehr-
werkstätten der Schule seine volle Bestä-
tigung. Wurden bei der Begründung dieser
Lehrwerkstätten im Allgemeinen die Rück-
sichten auf örtliche Verhältnisse und auf
früher im Lande blühende Kunsttechniken
geltend gemacht, so gilt dies ganz beson-
ders von der keramischen Abteilung, die
sich für die Strassburger Ofenindustrie wie
für die so bedeutsame heimische Thon-
industrie des Unter-Elsasses heute bereits
als unentbehrlich erwiesen hat.

Der Hauptzweck dieser mit staatlicher
Unterstützung weiterausgebauten und ge-
leiteten Werkstätte besteht darin, der
heimischen keramischen Industrie, haupt-
sächlich auf dem Gebiete der Baukeramik
mit Abgabe von Mustern und in sonst
geeigneter Weise an die Hand zu gehen.
Die Schüler beginnen mit dem Formen
zuerst von einfachen, später von schwie-
rigeren Stücken, also anfangs von Blättern,

später von Dachziegeln bis zu verzierten
Wand- und Fussbodenbelagplatten. Dem
Aufstellen von bleihaltigen und bleifreien
Glasuren, zunächstfarblosen,später farbigen,
folgen Übungen im Glasieren und das
Ein- und Aussetzen des Glasurbrandes.
Die Versuche des Aufbrennens von Gla-
suren auf verschiedene Thone bei ver-
schiedener Temperatur führten zur Her-
stellung von Wandverkleidungen und von
Fussbodenbelagplatten und Flachreliefs.
Unser erstes Heft brachte von diesen Ar-
beiten, zu deren Ausführung nur heimische
Thonsorten verwendetworden sind, charak-
teristische Proben.

In den übrigen Abteilungen der kerami-
schen Werkstätte wird das Ausarbeiten von
Platten, Luftheizungsverkleidungen, Bau-
ornamenten, Vasen, Medaillons und Friesen
mit Herstellung der Gebrauchsformen geübt
und werden dekorative Reliefs und Masken
für Fayence als Füllungen, Wanddekora-
tionen oder Zimmerschmuck angefertigt.

Auch für die Goldschmiedeabteilung
gelten dieselben Grundsätze, die hier dem
Lehrgang einer Fachschule für Edel-
schmuck (Ciselieren, Gravieren und Metall-
treiben) angepasst sind. Der Schüler lernt
zuerst nach dem frischen und getrockneten,
dem dürren Blatte und der welken Blüte
zeichnen und aquarellieren; er lernt die
Anfertigung des Werkzeuges, das Schlagen
einfacher Gefässformen, das Treiben von
ornamentalen und figürlichen Reliefs in
Messing und Kupfer, das Wachsmodellieren,
ornamental und figürlich. Auch wird der
Lederschnitt und das Ciselieren von Bücher-
schnitten geübt. Die vorzüglichen Treib-
arbeiten, Gravierarbeiten und Schmuck-
sachen, welche aus dieser Fachabteilung
hervorgegangen sind, zeigen zur Genüge,
dass den Schülern, welche das Endziel
des Zeichenunterrichts, die selbständige
Komposition von Bijouterie erreicht haben,
die Verwertung von Naturmotiven, sowohl
realistisch als stilisiert, geläufig ist. Dabei
ist selbstverständlich nicht ausgeschlossen,
dass auch von den mustergültigen Schätzen
der Vergangenheit ausgiebig Gebrauch
gemacht , und dass dem technischen
 
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