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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1883

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Vereinschronik
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■h 90 4

„Willkommen hier in meinem heil'gen Paine
An meinem See, vereinigte Vereine!

Ihr, die Ihr Luch verbunden zu Beschlüssen,

Die selbst der blut'ge Krieg wird achten müssen,

Und Ihr, die Ihr in kleinsten Kunstgeweben
Des Fleißes Lohn, die Arbeit wißt zu heben I
Wir sehen Eurem Zweck die Bahn auf schienen
Der Schifffahrt Flaggen und den Lichtstrahl dienen!

(D schöner Tag, verheißungsvolle Stunden,

Die Luch zu froher Feier hier verbunden!

Aus Fluthen von der Freude hergetragen
Luch zu begrüßen komm' ich, Luch zu sagen:

G, bleibt vereinigt, bleibt stets vorwärts dringend
Im Geist vereinigt, Glück und Wohlfahrt bringend!

Ls schütze Völkerrecht das Kunstgewerbe
Daß sich die Kunst im Rechten sortercrbe
Und mächtig sich in gleichem Maß erweit're,

Daß Kunst den Reichthum, Recht die Sitten läut'rc,

Und beide sich zum höchsten Ziel verbinden:

Der menschlichen Gesellschaft peil zu gründen I
Mit diesem Wunsche heiß' ich Luch willkommeu
In meinem Reich und festlich ausgenommen!

Die Nixe wagt kein Zauberwort zu sprechen,

Wo Geistesmächte Schranken kühn durchbrechen.

Ls wurde zwar ihr fröhliches Geschlecht
Zur pexenzunft gezählt, Ihr perrn vom Recht!

Der polzstoß wurde mancher zuerkannt —

Doch sind wir meistens glücklich durchgebrannt;
viel besser ist's uns mit der Kunst geglückt,

Die als illustre Weibchen uns geschmückt.

Gleichviel I die Nixe nimmt ja gerne Theil
An jeder Menschenlust, sie ruft Luch: peil!

Und wie sie diesen Tag mit Weihe nennt
Kehrt sie zufrieden in ihr Element.

Luch aber sollen Becher, soll Musik ertönen,

Die Ihr sür's Gute kämpft und huldiget dem Schönen!

Jubelnder Beifall folgte diesen Worten der Nixe, deren Rolle
die pofschausxielerin Fräulein Fischer in liebenswürdigster Weise
übernommen hatte.

Nach allgemeiner Restaurirung wurde im Saale des potels
eine kleine Tanzunterhaltung arrangirt, die jedoch, als sie im besten
Zuge war, durch den unerbittlichen Fahrplan unterbrochen werden
mußte. Gegen halb 8 Uhr Abends trat man die Heimfahrt an.

Sämmtliche Villen des gegenüberliegenden linken Ufers, ganz
besonders großartig aber die Villa des perrn von Miller, hatten
glänzend illuminirt. Durch massenhafte Verwendung von bengalischem,
Flambeaux- und Kerzenlicht, sowie von Raketen und Leuchtkugeln
hob sich ans dem Dunkel des Sees ein märchenhaftes, imposantes
Bild ab. Die Gesellschaft dankte durch stürmische purrah's und
brachte perrn von Miller zum Abschiede ein dreimaliges begeistertes
Poch aus. von Starnberg führte ein Lxtrazug die Theilnehmer
nach München zurück, deren größter Theil sich noch im Saale des
Kunstgewerbehauses zusammenfand, wo man bei den Klängen eines
Musikkorps noch lange beisammenblieb und durch Rede und Gegen-
rede das in den vorangegangeneu Tagen Erlebte nochmals in die
Erinnerung zurückrief.

Lin kleiner Theil der Gäste begab sich am anderen Tag auf
Einladung des perrn Bürgermeisters Gehring noch nach Landshut,
wo sie von den dortigen Kunstschätzen Einsicht nahmen. — Unseren
kursorischen Bericht über den Kongreß wüßten wir aber nicht besser
zu beschließen als durch Anführung dessen, was perr Direktor
Luthmer jüngst über denselben irr der nenerscheinenden Wochenschrift
„Der Zeitgenosse" geschrieben hat.

Er sagt:

„Die beiden Jahre (876 und (883 werden künftig als die be-
deutsamsten Etappen zu nennen sein, wenn man von dem hohen
und erfreulichen Aufschwung reden wird, den das deutsche Kunst-
gewerbe im neuen Reich genommen hat: eine anmuthige Blüthe an
dem neuerstarkten Baume deutschen Volksthums!

Das Jahr (876 brachte die erste deutsche und österreichische
Kunstgewerbeausstellung in München. Noch tönte von Philadelphia
her das „Billig und schlecht" der Rculeaux'schen Berichte uns im

Mhr und brachte jene selbstquälerische Lntmuthigung hervor, die sich
nachträglich doch als gesunder Boden für eine Entwickelung zum
Besseren auswies: fast zu gleicher Zeit aber war es uns vergönnt,
in München die Knospen zu erkennen, die an dem scheinbar abge-
storbenen Baume deutschen Kunstgewerbes doch noch künftige Blüthen
ahnen ließen.

Wohl übertraf damals Oesterreich, das erst drei Jahre zuvor
seine Kraft in einer Weltausstellung zusammengcfaßt hatte, uns
Deutsche noch um pauxteslängen. Kein ehrlicher Besucher konnte es
damals sich verschweigen, daß wir einem Lobmetzer, einem Pollenbach,
Giani, paar und wie sie alle hießen, keine ebenbürtigen Rivalen zur
Seite zu setzen hatten. Was von Anfängen bei uns zu sehen war
und zum Theil noch unter unbehilsticher Ausstellungsart verschwand,
das entbehrte doch jeder einheitlichen Richtung. Wie zwei fremde
Länder stand sich Nord und Süd, die seit einem Lustrum geeinigten,
auf dem Gebiete des Kunstgewerbes noch gegenüber.

Und welchen Wandel haben die sieben Jahre, die zwischen jener
Ausstellung und heute liegen, gebracht! Wenn wir auch voraussichtlich
erst in zwei Jahren Gelegenheit haben werden, in einer zweiten deutschen
Kunstgewerbeausstellung, zu welcher dann die Reichshauptstadt einladen
wird, ein Gesammtbild des deutschen Kunstgewerbes zu überblicken,
so hat uns doch eine Reihe von Lokalausstellungen hinlänglich darüber
belehrt, daß wir schon heute ein einheitlich geartetes, national gefärbtes
Kunstgewerbe besitzen. Und das hat sich ganz im Stillen, im emsigen
Schaffen au Werkbank und Zeichentisch entwickelt, ohne große Phrasen, ohne
daß die Literatur, wie zur Zeit der Romantiker, sekundirt hätte. Ja
mir selber reden nur ganz bescheiden davon; erst von draußen erfahren
wir es, daß Stuttgarter Möbel und Berliner Bronzen, rheinisches
Glas und Münchner Silberarbeiten nebeneinander auf dem Weltmarkt
erscheinen, als wären sie Erzeugnisse desselben künstlerischen Geistes.
Daß wir unvermerkt ein nationales Kunstgewerbe besitzen, hören wir
von den Franzosen, die den Rückgang ihres Exportes nach Deutschland
bitter empfinden und ihre Konsulate beauftragen, genau zu erkunden,
was denn eigentlich dieser „goüt allemand actuel“ sei und darüber zu
berichten, damit sie ihm Rechnung tragen und so das verlorene Absatz-
gebiet zurückgewinnen können.

Bucheinband, entworfen von L. G raff, k. pofrath und Direktor der
Kunstgewerbeschule in Dresden.
 
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