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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 2
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Porträtstudien von Liebermann
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0088

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PORT RÄT STUDIEN VON LIEBERMANN

Unsere wenigen modern denkenden Galerie-
leiter begnügen sich in der Regel damit, gute Bilder
lebender Künstler anzukaufen. Müssen sich in ihrer
Beamtenstellung meistens damit begnügen. Der
Direktor der Hamburger Kunsthalle, dem unsere
Zeit schon so viele Anregungen und Erziehungsresul-
tate verdankt, weiss sein freieres Bestimmungsrecht
besser zu nutzen. Er ist den modernen Künstlern
nicht nur ein geschätzter Käufer, sondern auch ein
Vermittler wichtiger Aufträge. Neben der Idee,
seine Kunsthalle zu einer Stätte edelster Heimats-
kunst zu machen und spezifisch hamburgische Dinge
von guten Malern darstellen zu lassen, öffnet er
wieder Schritt vor Schritt der arg darniederliegenden
Bildniskunst alte Gebiete. Die Art, wie er seine
Pläne durchsetzt, scheint selbstverständlich; doch
ist ja gerade das Selbstverständliche bei uns das
Seltene. Lichtwark hat dafür gesorgt, dass sich
Mitglieder der regierenden Körperschaften Ham-
burgs für die öffentliche Sammlung porträtieren
lassen, und die besten unter den lebenden Künstlern
sind wiederholt von ihm eingeladen worden, um
Porträts bedeutender Männer und Frauen Hamburgs
zu malen. In seiner sich immer besser arrondierenden
Sammlung sind, unter anderen, mit solchen Porträt-
bildern vertreten: Kalckreuth, Slevogt, Trübner und
Herkomer. Neuerdings ist nun auch Liebermann
gewonnen worden, das Gruppenbild eines Schul-
kuratoriums für die Kunsthalle zu malen.

Dass solche Aufgaben nach mancher Richtung

fruchtbar zu wirken vermögen, lehrt ein Gang durch
die Hamburger Kunsthalle; dass sie aber in unserer
Zeit einer immer etwas fahrigen und disziplinlosen
Landschaftskunst auf grosse Schwierigkeiten stossen,
lehrt ein Blick auf die nur zum Teil geglückten
Arbeiten Kalckreuths, Trübners und Slevogts eben-
falls. Woran die Holländer sich erzogen haben,
was Courbet noch mit magistraler Sicherheit zu be-
wältigen wusste, das erscheint den Heutigen als et-
was nahezu Unlösbares, weil jede organisch ge-
wordene Tradition — selbst die kleinbürgerliche
der Waldmüller, Oldach und Krüger — dem Be-
wusstsein verloren gegangen ist. Es bleibt dem
Modernen nur Frankreich mit seinen spärlichen und
das alte Holland mit seinen reichen Beispielen der
Gruppenmalerei. Wem im Alter die Staalmeesters
gelingen sollen, der muss schon in der Jugend eine
Anatomie gekonnt haben. Denn die Schwierig-
keiten, eine Anzahl von Personen ähnlich und un-
befangen, natürlich und monumental, wahr und
malerisch dekorativ auf engem Raum zu vereinigen,
sind ungeheuer. Das Stoffliche erhebt so weit-
gehende Forderungen, dass ihm gegenüber nur ein
Meister Herr der Form bleibt. Wer das Einzel-
porträt schon vollkommen beherrscht, ist noch
längst nicht berufen, Gruppenbilder zu malen.

Liebermann scheint diese Schwierigkeiten, wo-
rüber noch ein Langes und Breites zu sagen wäre,
stark empfunden zu haben. Denn, wie man hört,
hat er nur zögernd die gefährliche Aufgabe, neun

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