Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

DOI Heft:
Heft 9
DOI Artikel:
Chronik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0395

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
CHRONIK

Eine wunderschöne Sammlung von graphischen Ar-
beiten Goyas ist in den dem Kupferstichkabinet über-
wiesenen, wohlbeleuchteten Räumen des ehemaligen
Antiquariums ausgestellt. Man sieht seltene, kostbare
Drucke und ist von neuem frappiert von der Grösse
und zeitlosen Lebendigkeit dieser zu Cyklen, wie die
„Caprichos", die „Tauromaquia", die „Desastres de la
guerra", die „Proverbios", vereinigten Blätter, von der
ganz durchgeistigten Radiertechnik und von den über-
raschend modernen Wirkungen, die der im Alter taub
Gewordene als Lithograph, als einer der Ersten, die Sene-
felders Erfindung künstlerisch nützten, dem Stein ab-
zugewinnen wusste. In den stillen Räumen dieser
Ausstellung, wo kein Gedränge Schaulustiger die Ver-
senkung stört, spricht das Michelangeleske im Wesen
des kühnen Aragonesen lebendig zum Betrachter; es
eröffnen die grossgearteten, dem Boden der Wirklich-
keiten entwachsenen Phantasien weite Gedankenreihen;
und es erschreckt die bittere Schonungslosigkeit eines
verachtenden Grüblers, der das Groteske mit den
Schauern der Monumentalität zu umkleiden wusste.
Man begrüsst in diesem Spanier, der die Kunst so sieg-
reich vom achtzehnten ins neunzehnte Jahrhundert
hinüberführte, einen verwandt Fühlenden. Und in einem

Genie Verwandtes zu entdecken: gäbe es wohl ein
höheres Fest für die Selbstliebe?

■SS-

In der Nationalgalerie sind nun auch die beiden
Corneliussäle wieder eröffnet worden. Der hintere
Raum mit Kartons von Cornelius und Rethel und Schir-
merschen Bildern (die, ohne den Charakter des Raumes
zu stören, auch durch Bilder Böcklins ersetzt werden
könnten, was sehr amüsant zu denken ist) macht einen
sehr würdigen Eindruck. Im vorderen Saal ist alles zu-
sammengedrängt, was mehr zum soldatischen Borussen-
gemüt als zum Kunstgefühl spricht. Es hängt dort hübsch
ausser Weges und kann von Jedem, den es nicht gerade
zu Menzels Friedrichbildern zieht, bequem vermieden
werden.

*

Eine Ausstellung altperuanischer Kunst im Kunst-
gewerbe-Museum wurde zu einem Erlebnis. Es ist nütz-
lich, wenn dem selbstgefälligen Modernen an der Hand
eines so reichen Materials zuweilen zu Gemüt geführt
wird, was die „Wilden" in vorhistorischer Zeit gemacht

37<5
 
Annotationen