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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 10
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Hannover, Emil: Weibliche Kunst: Minka Grönvold
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0420

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sie gehorchen musste, wenn etwa einmal im Jahr
der Drang sie erfasste, zu zeichnen. Sie zeichnete
dann gern wochenlang hintereinander, unaufhör-
lich, bis ihre Phantasie — oder vielleicht ihre
körperliche Kraft — erschöpft war. Sie verschloss
dann mit dem Lächeln der Weltdame die weiteren
Geheimnisse ihres Wesens wie mit einem Siegel
und brach es erst, wenn abermals die Inspiration
über sie kam und sie in sich selbst hinein flüchtete.

Ihre Kunst ist das Bekenntnis einer krankhaft sen-
siblen Seele, die lieber in Sehnsucht lebt, als sich

in seiner Einsamkeit ganz seiner Stimmung hin-
giebt.

Es kann äusserlich eine kleine Verschiedenheit
unter diesen jungen Frauen herrschen. Aber immer
enthüllen sie verwandte Seelenzustände, deren stärk-
ster Zug eine tiefe Wehmut und grosse Müdigkeit
ist. Stehen diese Gestalten, so suchen sie gern eine
Stütze an einem Baumstamm, einem Stuhl oder
Kamin. Doch gewöhnlich sind sie zu gebrechlich
in ihrer Seelennot, um zu stehen. Sie flüchten in
eine Sophaecke, wo sie in Kissen lehnen, unfähig

in der Berührung mit der harten und kalten Wirk-
lichkeit wund zu reiben. Als Frau gilt ihr stärkstes
Sehnen hübschen Kindern, lieben, blauäugigen
kleinen Mädchen; und solche hat sie — meist in
traulicher Gemeinschart mit ihren Müttern — oft
auch dargestellt. Ein häufig wiederkehrendes Motiv
in ihrer Kunst und nicht minder weiblich sind die
zwei oder drei Freundinnen, die mit einander reden
— oder schweigen. Allein ihr bei weitem häu-
figstes Thema ist das einsame junge Weib, das sich

ihren Körper zu tragen, die zarten Glieder, ihre
langen, dünnen Arme, die auf der Rückenlehne
des Sophas ruhen. Zuweilen selbst unfähig, ihr
schweres Haar zu halten, das herabgleitet, wenn sie
sich im Schmerz mit den langen schmalen Händen
an den Kopf greifen. Und sie alle sind doch nichts
weniger als immer Stuben- und Sophamenschen.
Oft flüchten sie hinaus in die Natur, wo sie still
und schweigend dasitzen, die Wange in die Hand
gelehnt, wenn sie nicht völlig in sich zusammen-

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