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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 59.1908-1909

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Messerer, Otto: Die Gewerbeausstellung in Bad Tölz
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https://doi.org/10.11588/diglit.9042#0363

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Die Gewerbeausstellung in Bad Tölz.

8(3. Tölzer Gewerbeausstellnng: Leonhardibruinien;
von Architekt Drechsler.

5t. Leonhardi Ehren (von Bildhauer Drechsler)
plätschert die alte Weise (Abb. 8s3). Über eine Stiege
geht's in den Ausstellungsraum, den ehemaligen
Tanzsaal des Rlammerbräu. Der hat wuchtigen
Charakter. Ein Fußboden, aufgerauht von der Lust
der „Genagelten", Fensternischen in meterdickem
Mauerwerk, darüber eine altersbraune polzdecke auf
mächtigen Bohlen, die zur Feier der Ausstellung ein
abgetöntes Blau erhielten. Das ist die echte Folie für
die durchwegs echte Ausstellung.

Jedem für Tölz wichtigen Gewerbe wurde eine
eigene Abteilung eingeräumt, die zur Erzielung eines
gleichheitlichen Eindruckes je mit weißen Spalier-
bogen eingegrenzt und gekrönt ist. Umschlingende
Ruskuszweige bringen in die weißen Bögen Leben
und Farbe und stellen zu den über jeder Abteilung
hängenden Schrifttafeln (mit der Bezeichnung des
hier ausstellenden Handwerks) das Gegensatzmotiv dar.

Die originelle Anordnung von höchst entwickel-
tem Geschmack ist das Verdienst des künstlerischen
Leiters der Ausstellung, des Architekten Franz Rank,
München, der auch bei den einfachsten Ausstellungs-
stücken für eine gewählte Aufmachung sorgte, — für
eine dezente Umrahmung, die, ohne abzulenken, die
Gegenstände ins beste Licht setzt.

Beginnen wir den Rundgang an der Stiegen-
wand, da, wo die Abbildungen von Tölzer Bauten
Prof. Gabr. v. Seidls und Stadtbaumeisters Freist
hängen. Hier eröffnet „der Sattler" (Sattlermeister
H. Mayr) den Reigen mit einem prächtigen Brauerei-
Viererzug voll heimatlicher Stimmung. Eine aparte
Farbenharmonie, das Gelb des Leders und der Mes-
singbeschläge und das bunte Gewirr der Troddeln
und Schnüre, eine peinlich saubere und zugleich de-
korative Ledertechnik zeichnen dies für die Thomas-
brauerei in München bestimmte lustige Prachtstück
aus. Gleich nebenan erblicken wir eine neue Über-
raschung : die mit alten, aber durchwegs künstlerischen
Typen gedruckten Handdrücke — auf Bauernleinen
— des Färbers Bernhard Beck. Mer möchte diese
Rissen und Stoffe nicht besitzen, die sich wie seltene
Museumsstücke bewerten und in ihrer Technik dabei
so neu anmuten? Ein Gebiet, das für eine zu
gründende Hausindustrie in Frage kommen könnte,
die Rorbflechterei, repräsentiert Rorbmacher Bruno
Zellhan (Abb. 8s^). Seine wirkungsvollen Stroh-
geflechte in Sitzmöbeln und Mandmatten könnten recht
gut in den traditionellen Bestand der oberbayerischen
Wohnungseinrichtung aufgenomrnen werden, zur An-
bahnung einer höheren Wohnungskultur. In einem
Glasschrank brachte Frau Maria Wild-Hosmayr
ihre lustig bunteu Putzsachen, Stickereien, Rissen und
Decken unter, die sie mit technischem Geschick und
zum Teil nach sehr seltenen alten Mustern herstellt.
In einem anderen gibt's kunstvoll gestrickte Strümpfe
und schwierige Rnüpfarbeiten. Beides in halb ver-
gessenen mühsamen Techniken.

Sehr Charakteristisches und Brauchbares lieferte
Drechslermeister Rarl Schott mit seinem Holzkron-
leuchter iin später erwähnten „Wohnzimmer", seinen
originellen Holzleuchtern, Haubenstöcken und Spinn-
rädern.

Die Gruppe „der Buchbinder" wird von Hans
Nr bau bestritten. Seine Missale, Gebet- und andere
Bücher, Weinkartenhüllen ic. ic. geben ein anschau-
liches Bild, was sich durch tadellose Arbeit, maß-
volle Goldzier und Farbenzusammenstellung Erfreu-
liches leisten läßt.

Die in einem hübschen bleigefaßten Glasschrank
ausgelegten Schmucksachen sind durchwegs von boden-
ständiger Originalität. Silberarbeiter p. Reitsam -
mer (Abb. 8sO) steuerte schöne Filigranarbeiten,
Brachen, Geschnüre und Halsgehänge bei und ver-
suchte es auch mit Erfolg, mit Linien von einfacher
Schönheit auszukommen; Goldschmied AntonMayer
beteiligte sich mit sehr feinen Rombinationen von
steinbesetzten Silberknöpfen, mit Grandelfassungen,
Altsilberarbeiten und einer pompösen Schützenkette.
 
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