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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 1.1852

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Johannes Keppler
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https://doi.org/10.11588/diglit.45111#0093
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DD»-—A-


Johannes Keppler.
Historische Skizze.

Es ist eine in Deutschland eben so häufig ge-
hörte, als durch die Erfahruug selbst widerlegte
Behauptung: aus dem Felde der Literatur sei der
Norden unseres Vaterlandes mehr die Mutter tie-
ser Denker, der Süden dagegen bringe mehr poetische
Naturen hervor. Um der Heroen unserer neuern
Philosphie, eines Schelling und Hegel, welche
beide Württemberg, also einen Theil Süddeutsch-
lands ihre Heimath nannten, nicht zu gedenken,
so spricht schon in älterer Zeit der eben so geniale
als gründlich tiese Astronom Keppler, ebenfalls
ein Schwabe, gegen die Richtigkeit der oben an-
geführten Behauptung. Wenn aber Schiller in
seiner „Theilung der Erde" nur den verkürzten
Dichter beim Zeus im Olymp als Gast willkommen
sein läßt, so dachte er dabei einseitig nur an das
Reich der Ideale, das den Dichter für die karge
Wirklichkeit entschädigen soll: in dem wahren Olymp
dagegen, dem mit den ewigen, unwandelbaren Ster-
nen besäeten, erging sich und schwelgte Keppler, der
Sternkundige, als ihm die Erde kaum Raum bot,
sein Haupt niederzulegen.
Um die Ehre, Johann Keppler's Geburtsstätte
zu sein, stritten und streiten sich zwei Orte — wie
einst im grauen Alterthum sieben Städte auf den
Ruhm, den Heldensänger Homeros in ihrem Schooße
erzeugt zu haben, Anspruch machteu — nämlich die
ehemalige Reichsstadt Weil, nach der gewöhnlich-
sten Annahme Keppler's Vaterstadt, und das eine
halbe Meile davon entfernte Dorf Magstatt, beide
im Königreich Württemberg gelegen. Gewisser als
der Ort ist Jahr und Tag seiner Geburt: er er-
blickte nämlich den 27. Deccmber 1571 das Licht
der Welt, als ein noch nicht ganz reifes Kind,
welch' leztcrer Umstand denn auch seine kleine, hagere
und schwache Körper-Constitution erklärt. Kepp-
ler's Vater, evangelischer Confcssion, stammte aus
einem alten adeligen Geschlechte und hatte eine
ansehnliche Stelle im kaiserlichen Heere bekleidet,
aber durch unglückliche Bürgschaften sein ganzes

Vermögen verloren, daher er sich gezwungen sah,
auf eine feinem früheren Range angemessene Stel-
lung zu verzichten und eine Wirtschaft zu treiben.
Seinen ersten Unterricht erhielt der junge Kepp-
ler wechselnd in mehreren kleinen Schulen, theils
in dem Städtchen Leonberg, theils in einem benach-
barten Dorfe; derselbe war aber, da zu jener Zeit
das Volksschulwesen noch im Argen lag und wohl
auch ungeregelte Familicnvcrhältnissc nachthcilig auf
Keppler's Schulbesuch cinwirkten, äußerst dürftig.
In seinem dreizehnten Jahre, bis zu welchem
er manchen trüben Tag hatte durchleben müssen,
gelang es ihm, in das Kloster Maulbronn, eines
der zur Heranbildung junger protestantischer Theo-
logen bestimmten niederen Scminarien Württem-
bergs, ausgenommen zu werden. Den Hauptgegen-
stand des Unterrichts bildeten daselbst, wie damals
überall, die klassischen Sprachen. In diesem Auf-
enthalte entwickelten sich ungemein schnell Keppler's
Anlagen, und als er nach Verfluß weniger Jahre
im Jahr 1589 von da aus die Universität Tübin-
gen bezog, so hatten sie schon einen bei seiner Ju-
gend überraschenden Grad von Reife erlangt. So
sehr auch während seiner Studienjahre zu Tübingen
widrige häusliche Verhältnisse und wiederholte Krank-
heitsansälle seinem wissenschaftlichen Streben Eintrag
zu thun drohten, so vermochten sie doch nicht seinen
Muth niederzuschlagen und seinen Wissensdurst zu
ersticken; ja, Keppler wandte sich neben den Bc-
rufsstudien, Philosophie und Theologie, auch mit
Entschiedenheit dem Studium der Mathematik und
namentlich der Astronomie zu, iu welcher Wissen-
schaft ihn damals insbesondere die Untersuchung
der physikalischen Bewegung der Weltkörper be-
schäftigte, mit einem so erfolgreichen Eifer, daß er
1593 durch die Empfehlung seiner Lehrer eine Pro-
fessur der Mathematik und Sittenlehre am Lyceum
zu Grätz in Steiermark erhielt, wo er seine astro-
nomischen Untersuchungen fortsehte. Nach einem
mehrjährigen segensreichen Wirken daselbst und nach
 
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