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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 1.1866

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Heft 3/4 (16. Februar)
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Die Böhm'sche Kunstauktion in Wien, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4905#0010

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standen. Der verhältnißnmßig hohe Preis, den die aller-
dings sehr guten Cinguecento-Steine erreichten, dürfte
wohl zum Theil auf Rechnung der herrschenden Mode,
welche geschnittene Steine für Damen-Toiletten sncht, zu
setzen sein. Unbedeutend waren die Münzen und Me-
daillen (unter letzteren mehrere alte Bleiabgüsse); die
Partie der mittelalterlichen und neueren Bronzen
enthielt einen höchst interessanten, unbekrönten, byzantini-
sirenden Christus, vielleicht eine deutsche Arbeit des
XII. Jahrhunderts mit der wundervollsten Patina über-
zogen, und einige alte Vortragkreuze; die der orienta-
lischen Bronzen treffliche indische und japanische Ge-
fäße, mit höchst charakteristischem Laubwerk geschmückt.

Wir übergehen die 52 Elfenbeinarbeiten, die
außer einigen Diptychon-Täfelchen nichts Erhebliches auf-
wiesen, um von dem Schwerpunkt der ganzen Sammlung,
den Holzskulpturen (VIII. Abtheilung), welche das
höchste Jnteresse erregten, zu sprechen. Das hervor-
ragendste Werk waren zwei Büsten aus Birnbaumholz
von 4Zoll Höhe, das Bildniß eines unbärtigen Mannes
im Pelzkleide, mit Haarnetz und breitem, geschlitzten Baret
und einer Frau mit steifem Schleier, angeblich die Porträts
Karl's des KLHnen und seiner Gemahlin, eine Bestim-
mung, der wir nicht beipflichten können; denn, obgleich
eine entfernte Aehnlichkeit der männlichen Büste mit den
Bildern und Medaillen dieses Fürsten nicht zu leugnen
ist, so machen sich doch manche Bedenken geltend. Die
Lebendigkeit und Detailcharakteristik lassen keinen Zweifel
übrig, daß der Künstler nach dem Leben gearbeitet, das
Original vor sich gehabt und daß er selbst einer Zeit angehört
habe, in welcher das Porträt in realistischer, das Jndi-
viduum bis auf die kleinsten Züge in seiner Einzeler-
scheinung auffassender Darstellungsweise schon völlig ent-
wickelt war. Hiernach und dem Costüme zufolge dürften
die Bildwerke kaum vor 1530 —1540 zu setzen sein,
mithin wohl 60 — 70 Jahre nach Karl dem Kühnen.
Welche Meisterhand sie geschaffen, läßt sich freilich schwer
bestimmen, aber die Ansicht Böhm's, der sie Holbein
dem Jüngeren zuschrieb, hat jedeufalls mehr Berechtigung
als die oben angeführte Bezeichnung. Das Eiue steht
fest, daß die Büsten das Höchste sind, was je in dieser
Art geleistct wurde und daß kein Museum der Welt etwas
gleich Vollendetes besitzt. Nach langem Kampfe, den zu-
letzt die Kunsthändler Georg Plach in Wien und Clement
aus Paris miteiuander ausfochten, wnrden die Büsten dem
Ersterem, der sie seither an Baron Rothschild in Wien
verkauft hat um den Preis von 11,810 Fl. (inclusive
des zu entrichtenden fünfprocentigen Zuschlags 12,400
Fl.) zugescklagen.

Von uicht geringerer küustlerischer Bedeutung waren
ferner sieben 2^/z Zoll hohe Täfelchen mit Darstellungcn
aus der Passionsgeschichte, in flachem Relies, vollständig
im Charakter Holbein's und nicht unwahrscheinlicher

Weise von diesem Künstler geschnitten, in Ausdruck und
zarter Durchführung gleich vollendet; auch diese erstand
Herr Plach um 1976 Fl.*) Von besonderem kunsthistori-
schen Jnteresse waren auch zwei Schächer, 4 und 6 Zoll
hohe, runde Figürchen, sehr lebendig, obwohl übertrieben
in der Bewegung, ungemein fleißig ausgeführt, ungefähr
aus der Mitte des XV. Jahrhunderts (Ersteher Herr
Plach um 421 Fl.), ferner drei nackte Modellfiguren:
Mann, Frau und Kind, im Charakter der Figuren in
Dürer's Proportionslehre und auch in der Ausführung
diesem Meister nahe verwandt (gekauft vou Herrn Clement
für 820 Fl.), ein Adam in der Art Tilman Riemenschnei-
der's (106 Fl.) und ein späterer von üppiger Formensülle,
91/2 Zoll hoch, sehr durchgeführt, aber schon etwas mate-
riell, die Mache den geistigen Jnhalt überwiegend (erstan-
den vom österreichischen Museum für Kunst und Jndustrie
um 1525 Fl.), ein Christus am Kreuz mit einer Art Tur-
ban um den Kopf und merkwürdigerweise ohne Schamtuch,
aus der Zeit Dürer's (gekauft von derselben Anstalt für
459 Fl.), endlich Maria und Johannes von der Darstel-
lung der Kreuzigung, treffliche, ungemein ausdrucksvolle
Figuren von 1 Fuß Höhe, um 1500 gearbeitet (für die
kais. Ambraser-Sammlung erstanden um 231 Fl.). Von
kleineren Bildwerken in Holz waren besonders einige
trefsliche Porträt-Medaillons gesucht, deren jedes über
200 Fl. ging; ein Mascaron von Zoll Höhe, ein
phantastischer Thierkopf mit Widderhörnern (wahrschein-
lich ein Beschlägstück) voll Leben und Charakter wurde
mit 202 Fl. bezahlt.

Von den Bildwerken aus Stein (IX. Abtheilung)
sind eine 8^/j Zoll hohe Madonna mit dem Kinde, aus
Bernstein im XVI. Jahrhundert rund geschnitten (239 Fl.)
und ein kleines Relief in Kelheimerstein, die Stärke dar-
stellend, in der Art Sebald Beham's (106 Fl.) hervorzu-
heben.

Die X. Abtheilung, Majolica, Email, Porzel
lan, enthielt nebst guten chinesischeu und japanischen Ar-
beiten einige trefsliche Figuren und Gruppen von weißem,
glasirten Porzellan, Wiener Fabrikate aus dem vorigen
Jahrhundert; dieXI.Abtheilung, Glasarbeiten, mehrere
grau in grau ausgeführte Tafeln mit Scenen aus der Ge-
schichte des verlorenen Sohnes und heiligen Darstellungeu,
aus dem XV. Jahrhuudert. Unter den Silbergegen-
ständen (Abtheilnng XII) zeichneten sich besondcrs zwei
getriebenc Figürchen, Petrus und Andrcas, 2t/,, Zoll
hoch, aus dem Endc des XV. Jahrhundcrts durch fein
cmpfundenen Ausdruck, schönen Faltenwurf nud Präzisc
Arbeit aus.

Mauches Bemerkenswerthe boten auch die folgeu-
den drei Abtheilnngen: Waffcn, Geräthe für den
häuslichen Gebrauch, Bijonterien und Möbel,

*) Gegenwärtig im Besitze des Herrn v. Morpurgo in Triest.
 
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