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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 1.1866

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Heft 18 (27. August)
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Woltmann, Alfred: Die nationale Porträt-Ausstellung in London, [3]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.4905#0115

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115

rührt. Jmmer stärker reißt dabei die Lust an allegorischen
Tändeleien ein; bald scheint cs ihm kaum mehr thzrnlich,
Lente schlechtweg als das abzubilden was sie sind, sie
müssen imnier etwas ganz Besonderes vorstellen, eine
Maske, die nach etwas aussieht, annehmcn. Die deut-
lichsten Beispiele dafür bietet Lelh's Galeric der Sch ön-
heiten vom Hofe Karl's II. in Hamptoncourt, aus
der hier einige der besten Gemälde vorhanden sind. Ent-
weder als Göttinnen des Alterthums oder als Heilige
der Kirche stehen uns hier die verschiedenen Maitressen
des Königs vor Augen. Die Schauspielerin Moll
Davis, die einst durch ein Lied, das sie anf der Bühne
sang, Karl's Herz gewann, von ihm 1673 eine Tochtcr
hatte und vierzehn Jahrc später mit dem Earl of Der-
ventwater in den sicheren Hafcn des Ehestandes einlief.
sitzt höchst passend als heilige Magdalena vor uns, dnrch
das Salbengefäß als solche charakterisirt. Galanter ist
der Maler gegen eine andere dieser schönen Damen ge-
wesen, die ein LLmmchen, das Symbol der llnsckuld,
neben sich hat und dadnrch als heilige Agnes erscheint.
Der Katalog giebt sie für Nell Gwhn aus, doch
sie stellt, nach G. Scharf, die Herzogin Marie von
Modena vor, und ist in der That eine ganz Verschie-
dene von derjenigen, welche in zwei völlig übcr-
einstimmenden Bildern Lely's, dem Marquis of Ha-
stings und dem Earl of Spencer gehörend, als Nell
Gwhn vor uns erscheint. Jm letzten steht, während die
„heilige Agnes" dunkle Haare hat, ein blondes niedliches
Wesen mit zärtlich blickenden blanen Augen vor uns, die
rechte Brnst ganz entblößt, nnd Blumen zum Kranze
windend. Diesc Erscheinung paßt viel besser zu Allem
was wir von der „prett^ rvitt^ Xell" wissen, die ihre
Laufbahn als Orangen-Mädchen vor den Thüren des
Theaters begann, dann die Bretter selbst bestieg und als
geistreiche, witzige Schauspielcrin berühmt ward, des
Königs Geliebte wurde und im Jahr 1687 starb, als
Wohlthäterin der Armen gepriesen. Eine andere schöne
Dame, BarbaraVilliers, Tochter des Viscount Gran-
dison, eines wackeren Kriegsmannes der royalistischen
Partei, Gattin des Earl of Castlemaine und später
Herzogin von Clcveland, die sechs Kinder mit dem
Könige hatie, tritt sehr passend als jungfräuliche Göttin
Minerva auf. Jhr flaches Gesicht mit dem Stumpfnäs-
chen nininit sich bei dieser Ausrüstung mit Helm, Lanze
und Medusenhanpt ctwas komisch aus, indeß ist zu er-
kennen, daß sie sich selber sehr schön erscheint. Auch als
eine Heiligc, — als wclche, ist nicht ersichtlich — erscheint
die witzige, schöne Elisabeth Hamilton, Gräfin von
Grammoiit,' einePalme hält sie in dcr Hand, präsentirt
sich abcr dabei in üppigster Morgentoilette, die ihre Reize
gar zu unverhüllt zeigt, und blickt höchst verführerisch drein.
Lady Eleanor Bhron, Karl's sicbzehnteMaitresse, die
sehr habsüchtig war nnd dem König nicht Ruhe ließ, bis

für sie um 4000 L. St. Silbcrgeschirr bestellt ward, die
glücklicherweise aber starb, ehe sie es bekam, kniet als heilige
Katharina da, niit Rad, Palme nnd Büchern, und wirft
zwei oben schwebenden Engeln schwärmerische Blicke zu.
Unter dieser anmuthigen Gesellschaft nun erblicken wir
Karl II. selbst, dasitzend im vollen Königsornat, auf
einem großen Bilde des Sir Peter Lely, das derKorPo-
ration von Winchester gehört. Ein widerwärtigeres Ge-
sicht — mißmüthig, gehaltlos. verlebt, — kann man nicht
leicht sehen. Von seinem ältesten natürlichen Sohn, dem
Herzog von Monmouth, der gegen Jakob II. aufstand
nm den Thron zu erkämpfen, und >685 enthauptet ward,
sind mehrere Porträts vorhanden; namentlich eines, von
William Wissing, das den unglücklichen Fürsten in der
Jugend zeigt und der Naticnal-Porträt-Galleric gehört,
ist bemcrkenswerth.

Nicht aus künstlerischer, sondern aus geschichtlicher Nück-
sicht seien noch dieBildnisse des Rechtsphilosophcn Hobbes
— ein ernster Denkerkopf — nnd des Architckten Chri-
stopher Wren, des Erbauers dcr Panlskirche erwähnt.
Unter der folgenden Negiernng wird der Verfall der
Bildnißmalerei inimer größer. De>r Deutsche Gott-
fried Kneller, der am Hofe Jakob's ll. die erste Stelle
als Porträtmaler einnahm, ist dnrchgängig hohl und
conventionell. Sein eigenes Bildniß in dcr Jngend,
diejenigen des Königs nnd des Dichters John Drhden
sind unter seinen Arbeiten namentlich bcmerkenswerth.
Vor Allem aber fällt das große vom Earl of Tanker-
ville geliehene Portät des Richters und späteren Lord
Kanzlers Ieffrehs in dieAugen, derwegen seiner Grau-
samkeit, namentlich in der Unterdrückung des Monmouth?
Aufstandes, berüchtigt ist. Jn ganzer Figur nnd in voller
Amtstracht, die großen Siegel haltend, sitzt er da, ein
kaltes, herzloses Gesicht; keine äußere weltmännische
Glätte kann die innere Iämmerlichkcit verhehlen. Daß
eine neue Revolution nothwendig war, nm den Boden
rein zu fegen, zeigt nichtS deutlicher als diese Bildnisse
ans der Zeit der beiden letzten Stnart-Könige, die Pe-
riode, mit welchcr dic diesjährige Ausstellung abschließt.

Korrespoirdcn;.

Rom, in> J»»>.

Jn keiner der deutschen Bildhauerwerkstätten Roms
herrscht angenblicklich wohl eine regcre Thätigkeit als in
der des Würtembergers Joseph Kopsi Die große Auf-
gabe, welche neben dcn kleincren des laufenden künstle-
rischen Verkehrs die arbeitcnden Hände bcschäftigt, ist
zwar kein religiöseS oder volksthümliches, dem öffent-
lichen Leben gewidmetes Moniimcnt, sondern nur ein
zum Schmucke eines fnrstlichen Saales bestimmtes Werk,
doch von so reicher, königlicher Pracht, so sinnrcich an-
geordnet und so glücklich nnd mcistcrhaft durchgeführt,
 
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