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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 1.1866

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Heft 10/11 (17. Mai)
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.4905#0059

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59

einen Schatz aus den ErzLhlungen des Dichters gehoben,
den diese selbst kaum entfernt ahnen lassen.

Wie wir hören, werden die Leser dieser Zeitschrift
nächstens Gelegenheit haben, eine dieser trefflichen Kom-
Positionen durch eigene Anschauung kennen zu lernen.

Auch die Projekte zum Bau eines neuen Rathhauses
für München waren ausgestellt, und zwar in der Schran-
nenhalle. Die Preisrichter hatten den ersten Preis Nie-
manden zuerkannt, den zweiten erhielten die Herren L. und
E. Lange für ihr Projekt, das sich durch eine imposante,
jedoch nicht in reinen Nenaissanceformen gehaltene Fa?ade
auszeichnete; bei den übrigen stritten Gothiku. Renaissance
oft in den wunderlichsten Formen um den Vorzug. Ein
besonderes Interesse hatte die Ausstellung deswegen, weil
man ersehen kvnnte, daß der Standpunkt der Maximilians-
straße, der „neuideale Styl", in München noch keines-
wegs zu den überwundenen gehört.

Der Verkauf der gräsl. Schönborn'schen Galerie zu
Pommersfeldcn ist nunmehr leider defiuitiv beschlossen,
und es wurdc der Montmorillon'schen Kunsthandlung da-
hier die Leitung der Versteigerung, welche im Monat
September dieses Jahres stattfinden soll, übertrag'en, wenn
es nicht vorher gelingt, die Sammlung im Ganzen zu
verkaufen, oder wenn nicht widrige politische Verhältnisse
hindernd dazwischen treten.

Berlin, 10. Mai 186«.

-si Die schweren Wolken, die sich allgemach immer
bedenklicher am politischen Horizonte zusammenziehen, be- ^
einträchtigen begreiflicherweise auch das Kunstleben un- !
serer Stadt in hohem Grade. Denn nicht allein das
Jntercsse des Publikums erhält vorwiegend eine andere
Nkichtung, auch auf den Kunstverkehr'als solchen wirkt die
Spannung und Unsicherheit des Momentes lähmend ein: i
das Kriegsgeschrei droht die Musen zu verscheuchen.
Denuoch ist von manchcm Trefflichen zu bcrichtcn, das sich
trotz der Ungunst der Stimmung zur Geltung zu bringen
vermochtc. War cs doch, als hätte ich einen Geist citirt,
der scinen Namen nicht wollte nennen lassen, ohue seine
Macht auf's Neue zu bewährcn. Kaum hatte icchmeinen
letztcn Bericht abgesandt, als ich bei Sachse die bexeits in
der Chronik Nr. 9 erwähntcn Porträts des Grafen und
der Gräfin Bobcrinskoy von Gustav Richter fand, deren
ganz emincnte Borzügc sie wcitaus alles Uebrige über-
strahlen licßen und dic permanente Ausstellung mit
Schaaren bewundernder Bcschaucr fülltcn. Was soll ich
von der cinfachcn Noblcsse dieser Bildnisse sagen, die
Schmuck uud Zier gleichsam nur als eine Nothwendigkcit
in sich aufnahm, ohue ihncn cine cigcnthümliche Bedeu-
tung zuzugestehen; was von dcr gcnialen Verbindung von
Delikatessc und Kühnhcit in dcr Behandlung, durch dic
die wirksamste Abstufung zwischcu Haupt- und Ncben-

sachen erreicht wnrde, ohne die wünschenswerthe Durch-
führung irgendwo vermissen zu lassen; was von der be-
wußten und großen Auffassung des Charakteristischen, die
in jeder Linie die Persönlichkeit voll und ganz sich doku-
mentiren ließ, ohne dem Zufälligen und Kleinlichen eine
Stelle einzuräumen! Soll ich bei Richter noch von der
Leuchtkraft des Kolorits, von der Harmonie der Farben-
bestimmung, von dem mehr als bloß ungezwungenen
Arrangement reden? Das wäre so überflüssig, als cs
unfruchtbar wäre, durch eine Beschreibung auch nur eine
annähernde Vorstellung von dem Eindruck zu vermitteln.
Der Graf steht eben ganz leger in einfachem schwarzem
Anzuge neben einem eleganten Möbel, auf das cr leicht
den rechten Ellnbogen stützt, während die Hand in eigen-
thümlicher, aber graziöser Bewegung mechanisch mit der
Uhrkette beschäftigt ist; dic Gräfin sitzt, die Hände im
Schooß leicht gefaltet, in reicher aber einfacher Gescll-
schaftstoilette auf einem Sopha, das stahlgraue Kleid und
die Haartracht weichen sehr zu ihrem Vortheil und mit
echt künstlerischer Wirkung von der modernen Unnatur
ab. Das scheint so natürlich, alS könnte es nicht an-
ders sein, darin aber eben liegt das Verdienst. Jn dem
einhelligen Urtheil und der ungetheilten Bewunderung,
der ich mich durchaus anschließe, hat selbst der leisefle
Tadcl Mühe, sich als berechtigt zur Anerkenunng zu
bringen; dennoch kann ich 'einige Ausstellungen nicht zu-
rückhalten. Der rechte Arm der Gräsin ist in der schwie-
rigen Verkürzung (die Konture des Ober- und Unterarmes
bilden bei etwas gebogenem Ellnbogen eine ungebrochen
fortlaufende Linie) nicht ganz geglückt. Außerdem, da
beide Bilder Pendants sein sollen, wollen dic beidcn Hintcr-
gründe, der eine grünlich, der andere bräunlich, sich nicht
wohl vertragen. Den mcistcn Anstvß ivird man aber
daran nehmen, daß, wie es das Pendant forderte, beide
Köpfe in derselben Höhe erscheinen, die stehende männ-
lichc Figur aber alsdann ciuen viel tiefcr gelegencn Bodcn
vorauSsetzen läßt, als die sitzende weiblichc. Im ersten
Momentc, ehe ich mir hierüber klar gewordcn war,
hatte ich den Eindruck, als säße die Dame nicht sicher
nnd müßte jeden Augenblick hcrabgleitcn.

Auch außerdem hat sich das Porträtfach besondcrs bc-
merkbar gemacht. Ein Porträt des Fräulcin Dssiröe
Artot von Ferd. Schauß behandelt seincn schwicrigen
Gegcnstand mit Geschick, doch ohne Beseelung der sonst
nichts wcniger als rcizenden Zügc und zerstrcnt dnrch un-
uöthiges Beiwerk. Günstiger war jedcnfalls dic Aufgabe,
die Oskar Begas zugefallcn, Frau Paulinc Lucca zu
malen, doch kann nian nicht anders sagen, als daß dcr
Eindruck unbefriedigend ist. Vicl gelnngcncr ist nanicnt-
lich von Seiten deS Seclischen das Porträt dcs Fräulcin
Orgeny von A. Jebens, in dem dcr Künstler mcines
Wissens zum ersten Male die ihm sonst cigcne Trockcnheit
vollstLndig überwnndcn nnd cin Bild von trcfflich gchal-
 
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