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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 1.1866

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Heft 15/16
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Woltmann, Alfred: Die nationale Porträt-Ausstellung in London, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4905#0099

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17. Jahrhunderts beweist, ein Fenster mit der Aussicht
auf einen gothischen Kirchthurm. Später wurde eine
große lateinische Jnschrift auf weißem Grunde, der die
ganze Haltung todtschlägt, an die Stelle gesetzt. Für
den, welcher dennoch Holbeins Spuren herauszufinden
weiß, bleibt indeß das Bild immer noch von hohem
Werth.

Vor der Entdeckung von Holbeins Todesjahre wurde
neben diesem Gemälde stets ein anderes großes Cere-
monienbild, Eduard VI. den Borständen von drei Hospi-
tälern einen Gnadenbrief verleihend, genannt. Waagen
bereits driickt sich mit großer Vorsicht dariiber aus; der
üble Zustand und die hohe Stelle, sagt er, lassen ein
wahres Urtheil nicht zu (Handbuch I., S. 274). Jetzt
hängt das dem Bridewell-Hospital gehörende Bild in
der Ausstellung in gutem Licht und dem Auge erreichbar,
und dies neun Jahr nach Holbeins Ende gemalte Bild
zeigt sich als ein sehr mittelmäßiges Machwerk, in welchem
alle Gestalten auf schwachen Beinen stehen und Farbe
und Modellirung kraftlos sind.

Einige „Holbein" der Ausstellung sind alte Kopien,
so das vom Viscount Galway geliehene Porträt des
Astronomen Nicolaus Kratzer, dessen Original im
Louvre ist, das Mr. Chetwynd Stapylton gehörende
Bildniß des Richard Southwell, dessen Original in
den Uffizien zu Florenz zu sehen ist. Das Bild des
Herzogs von Norsolk mit zwei Stäben, aus Windsor,
soll dem Exemplar in Arundel-Castle nachstehen, ist aber
jedenfalls eine gute gleichzeitige Wiederholung. Eine
vortreffliche Kopie, wohl aus dem Atelier des Meisters,
ist das Bildniß des Prinzen Edward im Alter von zwei
Jahren, das der Herzog von Warborough besitzt. Jch
hätte es ohneWeiteres für ein Original gehalten, wäre mir
nicht das Exemplar im Welfenmnseum zu Hannover
(früher in Herrenhausen) frisch im Gedächtniß. Dies ist
doch noch geistvoller, und namentlich das dicke rechte
Kinderhändchen ist noch ganz anders gcmalt. Ein Bild
aus Hamptoncourt, das dort als Holbein's Bildniß von
seiner eigenen Hand gilt, trägt die Jahrzahl 1539 und
das von Holbcin nie angewendete Monogramm ZZ.
Das war, unter Andcren, Hans Baldung Grien's
Zeichen*), und die Malerei hat in der That Aehnlichkeit
mit ihm. Es zeigt einen jungen Mann mit Vollbart in
ritterlicher Tracht, mit z'ierlichem Degen, Handschuh in
der Linken, eine Kette mit Kreuz um den Hals. Er sieht
vornehm und uuternehmend aus und war wohl irgend
eine fürstliche Persönlichkeit aus der Zeit.

Welch unvergleichlicher Meister Holbein war, das
werden wir erst recht inne, wenn wir die Künstler, die
neben und nach ihm wirkten, in das Ange fasscn, Keiner

*) Burgkmair, der cs gleichfalls führte, war schon lS3l
gestorben.

von Allen, Jtaliener wie Niederländer, ist ein Künstler
höherer Art. Nach dem Tode Holbein's sank die Malerei
in England tief. Lukas Cornelis, Markus Ge-
rard, Lukas deHeere undAnderetreten aufden Schau-
platz. Jch war uicht im Stande, von Allen mir ein klares
Bild zu schaffen, da die ihnen in der Ausstellung beige-
messenen Bilder zu verschiedenartig sind und ich, nach den
Erfahrungen in Betreff Holbein's, keinen Grund habe,
denBenennungen besonders zu trauen. Von L.de Heere
rührt ein mit seinem Monogramm bezeichnetes, sehr ver-
dorbenes Bild der katholischen Maria her. Unangeneh-
meren Züge, als diese blutige Königin zeigt, wird man nicht
leicht begegnen. Unter ihr trat in der Folge wieder ein
Meister im Bildniß auf den Schauplatz, der Niederländer
Antonius Moor (geb. 1518, p 1588). Er war schon
unter Karl V. in spanische Dienste getreten und mag durch
Philipp II., dem Gemahl Maria's, nach England gekom-
men sein, wo er ihr Hofmaler ward. In seinen Werken
ist mit dem streng realistischen, germanischen Charakter das
Studium der großen italienischen Bildnißmaler vereinigt
und eine warme, energische Färbung zeichnet sie aus. Sein
eignes Bildniß, aus dem Besitz des Earl of Spencer,
zeigt eine stattliche, weltmännische Erscheinuug, mit brau-
nem, spitz zulaufendem Bart. Seine Linke ist in die
Seite gestemmt, die Nechte ruht auf dem Kopf eines
großen Hundes. Eine lange goldene Kette schmückt den
Hals. Fast noch schöner ist das Bild des Walter De-
vereux, ersten Earls von Essex. Er sitzt, bis zu dcn
Knien sichtbar, im Lehnstuhl, schwarz gekleidet, mit krau-
sem braunen Haar und spitz zulaufendem Bart. Gesunde
Manneskraft und frische Schlagfertigkeit reden aus den
Zügen. Das Werk stammt aus der Sammlnng des Earl
of Narborough. Dieser Essex ist der Vater vom nn-
glücklichen Günstling der Königin Elisabeth; er war Lord-
Marschall von Jrland und starb 1575, vergiftet, wie es
heißt, von Dudley, Earl of Leicestcr, der nach seinem
Tode sein Weib freite. Gleichfalls trefflich, wenn viel-
leicht auch nicht auf gleicher Höhe stehend, ist das
Bildniß des Kaufmanns Sir Thoma's Gresham, von
Elisabeth in den Ritterstand erhoben. Er war einer dcr
ersten Geschäftsleute seiner Zeit und Gründer der Lon-
doner Börse. Wie der Vorige sitzt er im Armstuhl; mei-
sterhaft ist das blänliche Schwarz seines Anzugs behan-
delt. Das Gemälde gehört Herrn Leweson Gower,
Mitglied des Parlaments.

Das anziehendste Bild, welches von der Kvnigin
Elisabeth vorhanden ist, stellt fie als ganz junge Prin-
zessin im Alter von etwa vierzehn, fünfzehn Jahren vor,
und wird für gewöhnlich im St. James Palace bewahrt.
Holbein ist als Maler angegeben, was voraussetzen würde,
daß er die Prinzessin vier bis fünf Jahrc nach seinem
Tode gemalt hätte. Stil und Auffassnng sind auch durch-
gängig von ihm verschieden. Schade, daß iiberdcn Künst-
 
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