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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 1.1866

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Heft 23/24 (17. November)
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Teichlein, A.: Münchener Aphorismen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4905#0154

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anderen Standpunkt hinübergetreten, wir haben uns des
absoluten Maßstabes begeben und sind in die relative
Werthschätzung der Zeitgenosscn, bczichungswcisc der
Konkurrenten untereinander übergegangen. So dürfeu
wir denn auch sogleich noch ein wcitcres Lob bcisügen.
Zumbusch kann sich seines errungenen Preises um so
mehr freuen, als er es denn doch nicht mit geringen Geg-
nern zu thnn hatte. Denn auch die übrigen Denkmal-
entwürfe, insbesondere die Modelle von Schilling,
Hähnel, Widnmann und auch das Kreling'sche haben
große Schönheiten und Berdienste, und an nnd für sich
betrachtet, ohne mit dcm linken Ange nach Phidias oder
Michelangclo zu schiclen, muß man gcstehcn, dicß war
eine über alles Erwarten gute und erfreuliche Konkurrenz.
Das inzwischen (München, bei Kaiser) im Druck erschienene
offizielle Gutachten des SchiedsgerichteS beleuchtet, von
der Feder eines Vischer redigirt, die interessante Er-
scheinung in ebrnso interessanter Weise, und dieselbe wird
auch den Lescrn dieser Blätter später noch bcsonders vor-
gcführt wcrden. Ich begnüge mich dahcr mit den paar
aphoristischen Bemerkungen, welche sich mir dabei in
erster Linie aufgedrängt haben und ziehe dafür den neuen
Fischbrnnnen von Konrad Knoll, welchcr kurz vor dem
Wcttkampf im Glaspalast auf dcm Maricnplatz enthüllt
ward, in den Kreis meiner Betrachtungen ein, obwohl
darüber auch schon anderweitig bcrichtet wurde.

Das Beste an dem letztgenannten Werke ist wohl
wieder cinmal uach deutscher Art der „Gedankc", d. h. der
Einfall, den bekanntcn Ncctzgersprung, welchcr seit so vielen
Iahrzehnten im alten Fischbrnnnen abgchalten wurdc,
im neuen plastisch zu verewigen. Knoll hat das Verdienst
des Einfallcs gehabt, cs war rccht, daß cr mit dem Anf-
tragc der AuSführnng bctraut wurdc und es wäre uubillig
gewcscn, wcnn man dem scincr Zcit in natiirlichcr Grvße
auSgcstclltcn Biodclle gegcnübcr dcm Erzgussc Einhalt
gethan hättc. Dcun das Werk ift immcrhin so gut
gerathen, daß wir recht froh scin wollen, wenn nur dcr
ncue RathhauSban nebenan (der nun doch cin gothischer
wcrdcn soll) wcnigstens nicht schlimmcr gcräth als dcr
Brunnen davor. Knoll's Arbcit ist im Ganzen cine
heiterc, gcfälligc Erscheinung von zierlichcm Aufbau nnd
nicht nnangcnehmen Vcrhältnisscn. Heiter — mvchte nun
gnt sein, aber gefallig und zicrlich ist in dicsem Falle schon
cin verdächtiges Lob. Dcnn wcr jcmalS unscrm Metzger-
sprung beigewohnt hat, dem wird cr den Eindrnck eincr
höchst derben Volksbclnstigung zurnckgelasscn haben, deren
grotcsker Charakter ganz zur tollen Ausgelassenheit der
Faschingstage stimmt, in welchem diescS Schauspiel abge-
gehalten wird. Diesen Charakter hat Knoll gründlich
verfchlt. Scin Bruniicn hätte vom keckstcn Ucbermnth
sprudeln »insscn, und seinc Konception ist so schüchtcrn
als die Wasscrstrahlcn dem Brnnnmcistcr dünn gcrathcn
sind. Am meisten hat cr wvhl seinc Komposition dadurch

I gelähmt, daß er die Hauptacteurs unseres Volksschau-
spieles, die sich mit Eimern überschüttenden Lehrlinge in
sitzenden Gruppcn an dcn Sockcl der Brnnnensäule an-
gcklebt hat, statt sie anf energischen Vorsprüiigen dessclben
stehend und zwar ihrer Action angemessen in so bewegten
Stellnngen zu bilden, als die Plastik nur iinmer erträgt.
Bei älledem konstatiren wir gern, weitere Bedenken über
daS Detail unterdrückend, daß der neue Fischbruunen
immerhin eher zu denjenigen Werken monumentaler Plastik
zähle, welche unsere Straßen zieren, als zu denen die
sie verunzieren, was in„Jsar-Athen" mitunter auch vor-
kommt. Was wir aber an Knoll vermissen, wollen wir
ihm auch nicht alleiu anrechnen, den größeren Theil der
Schuld mag die Zeit anf ihre Schultern laden. Woher
soll denn ein junger Künstler unserer Tage nöthigen
FallS das Ungestüm des michelangelcSkcn Kraftausdrnckes
oder auch nur d;e Lebensfrische eines Peter Vischer oder
Jean Gonjon nehmen? Fehlt doch dieser ganzen Zeit
dcr frische Mnth, dic Entschlossenhcit, der Ncrv deS un-
getheiltcn StilgefühleS großcr Knnstpcriodcn. Sind Ivir
doch alle eingeschüchtert von Zweifeln; znm Aengstlichcn,
Schwächlichen, Halben und Hohlen verdammt, sind wir
vor lauter Skrupel und Geklügel über „Jdealismus" und
„RealiSmuS" nicht im Stande, wcder im Sinnc dcs Einen
l noch des Anderen so recht ziizugreifen, zu wagen und noch
weniger aus dem Vollen und Ganzen eines nngebrochenen
cchten KnnstgefühleS zu arbcitcn. Davon nvch ein andcrcs
Beispiel aus dem Bereiche der Konkurrenz inn das Königs
denkmal.

Währcnd sich Knoll nicht so derb realistisch zu scin gc-
trantc alS cr bei scincr volksthümlichen Aufgabe hätte scin
dürfen, zeigt sich umgekehrt bei den Konknrrcnten deS
Königsdenkmalcs, wenigstcns in der einschlägigcn Kostüm
frage wicder die übliche Zaghaftigkeit nnd Unschlüssigkclt,
rund heraus idcalistisch zu Wcrke zn gchen. Professvr
Widnmann, dcssen Mvdcll untcr dcn nnifangrcicheren
Kvmpvsitivnen nächst dcm Hähncl'schcn wohldie mcisten
Schönheiten hat, spricht sich in cincm crläuterndcn Bro-
schürchcn eingchcnd übcr dic Kostümfrage aus, vhne nns
jedoch von dcu Gründcn übcrzengen zn könncn, welchc
ihn bestimint haben, dcn König in dcr Feldmarschalls-
nniform nnd mit dem „KönigSmantcl" darüberdarzustellen.
Die Znsaiiiincnstcllung dcr moderncn Uniform mit dcm
Hcrmeliiimantcl scheint mir an und für sich, dcr Er-
schcinung nach, cine arge Geschmacklosigkcit, in wclcher
mcinethalben die Ziittcr des schwarzcn Adlcrs (an wclche
Widnmann appellirt) bci ihren Ordensfesten sich gcfallcn
mögcn, dic man aber dvch nicht anch noch in Erz vcr-
ewigcn sollte. Akan hat dcn sogenannten Kröniingsornat
und das spätcr in Anfiiahme gckonimcnc Hilbcrtnstvstiim
cine Biaskcrade gescholtcn nnd anch Widnmann bekennt
sich zn diescr Ansicht. Ich möchtc aber zu bcdenkcn gcben,
ob unS dcnn, wenn ganz ohnc Biaskerade doch nicht durch-
 
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