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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 10.1899

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Sammlungen und Ausstellungen.

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der Grossh. Centralstelle für die Gewerbe zugleich mit etwa
dreissig nach Christiansen's Entwürfen von Karl Engelbrecht-
Hamburg, Gebr. Liebert-Dresden, Adolf Schell-Offenburg
und Fr. Ender-Darmstadt ausgeführten Kunstverglasungen
vom 1. bis 30. April d. J. veranstaltet werden. ' -u-

A. R. Berlin. — Im Künstlerhause ist nach längerer Zeit
wieder einmal ein französisches Sensationsgemälde grossen
Stils zur Schau gestellt worden, die »Jagd nach dem Glück"
von Georges Rochegrosse, das für uns Deutsche insofern
von Interesse ist, als es uns zeigt, dass in Frankreich die
Zeit der „grossen Maschinen" noch keineswegs vorüber ist,
dass diese Art der Malerei, die unter dem Napoleonischen
Regime ihre höchste Blüte erreicht zu haben schien, viel-
mehr auch unter der Herrschaft der dritten Republik als die
specifisch französische noch sehr liebevoll gepflegt wird.
Uns will freilich dieses Gemisch von effektvollem Aufbau,
raffinierter Technik und kaltem theatralischen Pathos nicht
mehr behagen; aber ohne solche Bilder würde der fran-
zösischen Malerei ein charakteristischer Zug ihres Wesens
fehlen. Rochegrosse, der sich bisher mit Vorliebe mit den
blutigsten Tragödien der Geschichte befasst hat, hat das in
Deutschland meist in romantischem Stile behandelte Thema
in die Prosa des modernen Alltagslebens übersetzt. Auf
einem im Vordergrunde der kolossalen Leinwandfläche spitz
aufsteigenden Hügel klimmt eine Menge von Menschen
aller Stände und Berufsklassen in wilder Hast, in rücksichts-
losem, wüstem Aufwärtsdrängen, in wütendem Kampf mit-
einander empor, nach der Glücksgöttin haschend, die wie
eine Vision in zerfliessenden Umrissen durch die in den
Farben des Spektrums erstrahlenden Wolken gleitet. Männer
und Frauen in Balltoilette, Arbeiter in Blusen, Künstler,
abgehärmte Frauen mit den Spuren der Sorge und Ent-
behrung in den Gesichtern, Dirnen, Spieler und Wüstlinge

— solche und ähnliche Gestalten führen einen Wirbeltanz
auf, bei dem die einen steigen und die anderen fallen. Ein
blutender Selbstmörder mit der Pistole in der Hand ist eine
besonders charakteristischeFigur,die nach altem französischen
Rezept das Grausen mit der Sinnenlust verbindet, die auf der
anderen Seite durch eine ihre Reize halb enthüllende Schön-
heit im Ballstaat repräsentiert wird. Den Hintergrund bildet
eine in der Dämmerung liegende Gebirgskette, links blickt
man auf die Türme, Schornsteine und Dächer einer grossen
Stadt und rechts, wo sich neben dem Hügel jählings ein
Abgrund öffnet, auf die Leichensteine eines im fahlen Abend-
lichte ruhenden Kirchhofs. An Kühnheit des Aufbaus, an
Originalität der Erfindung fehlt es dem Bilde nicht; aber
man sieht deutlich, dass das Ganze nicht aus der Phantasie
geflossen, sondern mit dem kühlen Verstände zusammen-
gerechnet worden ist. Aus jeder Figur blickt das Modell
heraus, das lange Zeit bis zur Ermüdung in einer möglichst
verzwickten Stellung festgehalten worden ist. — Zu gleicher
Zeit ist eine schon seit mehreren Jahren bestehende Künstler-
vereinigung „die Zunft St. Lucas", die von ehemaligen
Schülern der Kgl. Kunstschule in Berlin gegründet worden
ist, mit einer Sammelausstellung zum erstenmal in die
Öffentlichkeit getreten. Es sind durchweg Landschaftsmaler,
die nach einem möglichst starken Ausdruck einer ruhigen,
gemessenen Stimmung in einfachen Motiven streben, die sie
wohl zumeist in der Mark gefunden haben: eine Partie vom
Stadtgraben, eine Kirche bei Mondschein, ein Kirchhof bei
Frühlingsabendstimmung, Wiesen und Baumgärten. In
dieser kleinen Welt ist die bisherige Thätigkeit dieser Maler

— ihre Namen sind Fritz Geyer, Ernst Boch, Carl Hessmert
und Willy Brandes — beschlossen. Aber sie haben alle die
zarte, schwermütige Poesie, die in diesen ländlichen Idyllen

ruht, mit richtigem Verständnis herausgefunden. Es sind
meist Bilder ohne Staffage; nur Brandes hat seine Land-
schaften mit Ochsen- und Pferdegespannen bei der Feld-
arbeit belebt. Das fünfte Mitglied der Zunft, der Bild-
hauer A. Hussmann, liebt dagegen das Dramatische. Er ist
Tierbildner und stellt gern Tiere in lebhaftester Bewegung
dar. Ein verwundeter Löwe und eine vor einem Feinde
fliehende Säbelantilope zeugen von einer nicht geringen
Virtuosität der Darstellung und grosser Schärfe der Beob-
achtung. — In einer Sammelausstellung von landschaftlichen
Aquarellen aus der Mark, der Umgegend von Potsdam, dem
Harz, Hessen und den Maingegenden hat Hermann Schnee
den vielen Freunden seiner liebenswürdigen, anspruchslosen
Kunst, die uns die Schönheiten deutschen Landes immer von
ihren sonnigsten und anmutigsten Seiten zeigt, von neuem
bewiesen, dass die Sorgfalt seiner Darstellung, die nament-
lich in der Wiedergabe der Architekturen glänzt, unter
seiner Massenproduktion keineswegs leidet.

A. R. Berlin. — Bei Eduard Schulte hat der April zwei
Sonderausstellungen gebracht: über vierzig Tierbilder und
Landschaften von dem Münchener Heinrich Zügel und eine
grosse Zahl von Öl- und Temperagemälden, von Aquarellen,
Kreidezeichnungen und Lithographien von Wilhelm. Stein-
hausen in Frankfurt a. M. Die Eigenart beider Künstler
ist bekannt. Zügel gehört zu den Münchener Künstlern,
die nach jahrelanger ruhiger, aber steter Entwicklung in
eine Sturm- und Drangperiode geraten sind, die sonst den
Anfang einer Entwicklung zu bezeichnen pflegt. Seit dem
Beginn der neunziger Jahre etwa hat er seinen malerischen
Stil, der sonst auf eine verschmolzene, sattglänzende Dar-
stellung bei sorgfältigster Detaillierung ausging, völlig ge-
ändert, um in das stürmische Fahrwasser eines ungestümen
Naturalismus einzulenken. Was seine Bilder — Schaf- und
Rindviehherden, Ziegen, Schweine und Ochsengespanne
in Landschaften zu allen Jahres- und Tageszeiten — an
plastischer Kraft und Wucht der Erscheinung, an Grösse
und Tiefe des Raumgefühls, an Mannigfaltigkeit und
Energie der Stimmung gewonnen haben, haben sie an
schönem Schmelz des Kolorits und an Feinheit in der
Charakteristik der Tierindividuen eingebüsst, und ein Ver-
gleich einer aus dem Anfang der siebziger jähre stammenden,
in Berlin ausgestellten Tierstudie (zwei naturgrosse Köpfe von
Schafen) mit der Masse der übrigen, zum Teil sehr um-
fangreichen Bilder, die sämtlich in den Jahren 1895—1899
gemalt worden sind, lässt es uns zweifelhaft erscheinen, ob
der Gewinn den Verlust völlig aufwiegt. Es ist jedoch zu
hoffen, dass Zügel nach Überwindung seines jetzigen Ringens
ebenso einen Ausgleich finden wird wie der Münchener
Albert Keller, der eine ganz ähnliche Entwicklung durch-
gemacht und jetzt wieder zu Ruhe und Klarheit gelangt
ist. Im Gegensatz zu Zügel ist Wilhelm Steinhausen kein
starkes Temperament, sondern eine stille kontemplative
Natur. Seine biblischen Bilder und Zeichnungen, in denen
der Schwerpunkt seines Schaffens liegt, zeigen besonders
das Studium Dürer's, lassen daneben aber auch Einflüsse von
E. Steinle erkennen, während man bei seinen Bildnissen
und Landschaften an Thoma erinnert wird. Beiden gemein-
sam ist jedenfalls ein starker Idealismus, der sich um keine
Modeströmungen kümmert, dem Geschmack der Menge
keine Konzessionen macht. Von seinen Gemälden sind be-
sonders das figurenreiche Bild aus dem Jahre 1889: Johannes
der Täufer und die Abgesandten der Pharisäer, lauter Halb-
figuren vor einer strengstilisierten Berglandschaft, und
Christus und Nikodemus (1898) durch die Schärfe der
Charakteristik und das auf einen bräunlichen Gesamtton
 
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