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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Lueer, Hermann: Fälschungen mittelalterlicher Kunstarbeiten
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0195

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373

Nekrologe.

374

als Befestigungsmittel an, an Arbeiten, die solche
nicht aufweisen dürften. Vorsicht bei der Beurteilung
ist selbstredend notwendig, zu prüfen ist vor allem,
ob die fragwürdigen Teile nicht allein nachträglich
angefügt sein könnten. Wenn allerdings, wie beim
>Reliquiar< Kat. No. 351, die Eisenschrauben in das
Gelbmetall mit eingegossen sind, darf man kaum an
spätere Zuthat denken.

Ziemlich selten bietet sich Gelegenheit, an der
Struktur des verwendeten Metalles die Fälschung zu
erkennen. In der Regel ist die bei der Herstellung
sich bildende Faserlagerung durch die weitere Bear-
beitung verwischt. Insbesondere kommt das Blech in
Betracht. Eisenblech hat man erst im 18. Jahrhundert
unter Walzen herzustellen gelernt. Weichere Metalle
hat man in kleinem Massstabe wohl früher bereits
gewalzt, doch mit Sicherheit ist anzunehmen, dass
man vor dem 16. Jahrhundert Metallwalzwerke nicht
kannte.

Naturgemäss äussert sich die Einwirkung der
Walzen in der parallelen Lage der Fasern. Teile
verschiedener Härte, Unreinigkeiten u. a. m. lassen
auf dem gewalzten Blech charakteristische Streifen
zurück, die entweder auf der Oberfläche unmittelbar
oder durch Ätzen kenntlich werden. Bei einer »Platte
von einer Mantelschliesse (Pectorale), Limoges, Anf.
des 13. Jahrh.«, Kat. No. 332, die auf der Vorderseite
mit Grubenschmelz verziert ist, hat der Fälscher ver-
säumt, die hinten wahrnehmbaren Spuren der Walzen
zu entfernen.

Recht leichtsinnig war der Fälscher, der das vor
etlichen Jahren vom Kestner-Museum als Arbeit des
16. Jahrh. erworbene, in Eisenblech geätzte Spielbrett
anfertigte, die Herstellungsweise des Bleches tritt gar
zu klar zu Tage. Nichts ist eigentlich leichter zu
erkennen, wie gewalztes Eisenblech, wenn es geätzte
Verzierungen aufweist.

Eines der wichtigsten Dekorationsmittel war be-
sonders im 12. und 13. Jahrh. der Grubenschmelz.
Damit geschmückte Arbeiten stehen hoch im Preise,
und leicht erklärlich ist es, dass die Fälscher alles
aufgeboten haben, auch in dieser Technik den alten
Künstlern gleichzukommen. Ihr Streben war bisher
vergeblich, wie ein aufmerksam vergleichender Be-
obachter bald herausfinden wird.

Die alten Grubenschmelzarbeiten zeigen fast aus-
nahmslos eine durch die stetige Berührung noch ge-
steigerte Weichheit des Schliffes, die unnachahmlich
ist. Im matten Glanz der Politur sind aber die in
einer Richtung laufenden Linien des ersten Schleifens
nie ganz verschwunden. Die gefälschten Gruben-
schmelzarbeiten sind bald stumpf, bald gar zu sehr
poliert, die Schleifrichtung ist nie zu erkennen. Ver-
hältnismässig leicht ist besonders gefälschter blauer
Schmelz zu erkennen, der ja zumeist verwendet wird.

Der Ton des Schmelzes ist bei alten Arbeiten
niemals schreiend, ultramarinartig. Die Schmelz-
künstler des 12. und 13. Jahrh. verstanden es, ein
schönes klares, bald lichteres, bald tieferes Kobaltblau
zu erzielen. Erst im 14. Jahrh. wird der blaue Ton
bisweilen kräftiger mit einem Stich ins Rötliche.

Die gefälschten Arbeiten schlagen aus alledem
brutal heraus, wenn allerdings so viel davon vor-
handen sind, wie im Kestner-Museum, werden sie
dem unbefangenen Beschauer kaum besonders auf-
fallen. Die in den Farben so decenten echten Werke

| verschwinden dort fast daneben. Nur auf einige der
hervorragendsten falschen Arbeiten sei aufmerksam
gemacht. »Buchdeckel, Limoges, Anf. d. 13. Jahrh.«
Kat. No. 305 und 306, »Reliquienkasten, wahrsch.

j Limoges, 13. Jahrh.« Kat. No. 313, »Kusstafel (Pax),
französisch, 13. Jahrh., hinten mit Handgriff voll-
ständigerhalten.« Kat. No. 329, »Buchdeckel, rheinisch,

; Anf. d. 13. Jahrh. . .« Kat. No. 302, »Platte von

| einer Mantelschliesse (Pectorale), Limoges, Anf. d.
13. Jahrh. . .« Kat. No. 332 (vergl. oben), »Grosses
Ciborium, wahrsch. Limoges, Anf. d. 13. Jahrh.«
Kat. No. 327, »Bischofsstab, Limoges, Anf. d. 13. Jahrh.
vollständig erhalten ... Email dunkelblau.« Kat.No. 334.
Der Ton des blauen Schmelzes ist es aber nicht
allein, der dem Fälscher so selten gut gelingt, noch
schwieriger ist es für ihn, die eigenartige Struktur des
alten Emails nachzuahmen. Es ist nicht wohl zu
beschreiben, wie sich bei echtem alten Schmelz die
Zusammensetzung äussert. Gesagt sei nur, dass die
Struktur sehr fein marmorartig gewölkt sein muss,
lichtere und dunklere Fleckchen wechseln ab. Gefälsch-
ter blauer Schmelz ist entweder ganz gleichmässig oder
mehr gekörnt wie gewölkt, die Struktur ist allemal
gleichmässiger und feiner. Eine sorgfältige Untersuchung
mit scharfer Lupe ist schon notwendig, um ein Urteil
abgeben zu können. Ein anderes kaum trügerisches Kenn-
zeichen für falsche Schmelzarbeiten ist schliesslich noch
die Behandlung des ausgetieften Grundes. Es scheint,
dass die alten Künstler es gänzlich verschmäht haben, das
Metall zu rauhen, um den Glasfluss besser haften zu
lassen. Die Fälscher versäumen das kaum einmal,
überall, wo ein wenig Schmelz abgesprungen ist, tritt
der Tremolierstich zu Tage.

Unendlich viele weitere feine Unterscheidungs-
merkmale Hessen sich, immer noch ganz abgesehen
von formalen Kennzeichen, aufzählen. Wer Gelegen-
heit hat, sich mit Kunstgegenständen zu beschäftigen,
findet sie selbst, für weitere Kreise sind sie nicht von
Interesse.

Es bedarf kaum der Hervorhebung, dass vereinzelte
für Fälschung sprechende Anzeichen nicht ausschlag-
gebend sein dürfen, wie weit man zu gehen hat, muss
im einzelnen Falle entschieden werden. Auf der Hut
muss man sein, wie die Betrachtung genugsam be-
wiesen haben dürfte, schult man aber die Erfahrung
durch stetige Beobachtung immer mehr, wird man
doch einigermassen selbstvertrauend der Fälscherbande
entgegentreten können. hermann wer.

NEKROLOGE

Paris. Hier ist am 19. April der Bildhauer Jean
Alexandre Joseph Falguiere, der Schöpfer des vor kurzem
in Nimes enthüllten Daudet-Denkmals an einer Darmver-
schlingung gestorben. Er war 1831 in Toulouse geboren,
bildete sich bei Zouffroy und an der Ecole des beaux-arts,
an der er 1859 den Rompreis errang, und ward zuerst in
 
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