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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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59

Nekrologe — Wettbewerbe —

Sammlungen und Ausstellungen

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anschaulichen. Das Buch ist ferner das Werk einer liebend
mitempfindenden Seele. Es ist aus einer genauen Kenntnis
und einem tiefen Verstehen von Rodins Wesen entstanden.
Und so wird es leicht in anderen, die diesem merkwür-
digen, einzigen Künstler in seinen Werken begegnen,
einen Widerhall des Mitempfindens wecken. Das ist
etwas vom besten, das sich einem kunstliterarischen Er-
zeugnis nachsagen läßt. Und doch — ich bezweifle es
keinen Augenblick — ließe sich von einem nicht minder
feinfühligen Kunstfreunde ein ganz verschiedenartiges
Büchlein über Rodin schreiben, ein Büchlein, in dem Be-
denken und Widersprüche laut würden, von denen Rilke
nichts weiß. Man könnte darauf hinweisen, daß die
Bildhauerei nicht allein eine Kunst des individuellen Aus-
druckes sei — eines Ausdruckes, in dem Rodin unerreichter
Meister ist — sondern, daß sie als eine raumschmückende
Kunst auch gewissen Oesetzen unterworfen sei, die im
engsten Zusammenhang mit denen der Architektur als der
obersten raumgestaltenden Kunst stehen. Es ließe sich
fragen, inwieweit Rodin diese Gesetze anerkennt, ob er sie
überhaupt anerkennt. Rilke sagt im Sinne seines Meisters:
Das Bildwerk war allein ... Es war ein Ding, das für
sich allein bestehen konnte ... — Hat er damit wirklich
recht? — Es wäre freilich die Aufgabe einer viel umfang-
reicheren Studie, als sie hier aus äußeren Gründen gegeben
werden durfte, um auch unter solchen kritischen Gesichts-
punkten Rodin und seine Bedeutung für unsere Zeit zu
betrachten. o. P.

NEKROLOGE

In Dresden starb Anfang Oktober 75 Jahre alt der
Baurat Dr. O. Mothes, der in Sachsen als Kirchenbau-
meister und Restaurator, aber auch weit über die Grenzen
seiner engeren Heimat hinaus, als Architekturgeschichts-
schreiber, besonders in früheren Jahrzehnten, großen Ruf
besaß. Sein illustriertes Baulexikon war einst ein viel-
gebrauchtes Buch.

WETTBEWERBE

Das Kuratorium der Friedrich Eggers - Stiftung

schreibt ihr diesmaliges Stipendium von 600 Mark zum
1. April 1904 für Bildhauer aus. Die Bewerbungen sind
zwischen 1. u. 31. Januar 1904 bei Herrn Baurat F.Schwechten,
Berlin W., Lützowstraße 61, einzureichen.

SAMMLUNGEN UND AUSSTELLUNGEN

Die »Vossische Zeitung« erhält aus Mailand die Nach-
richt, daß man an eine Neuordnung der Bildergalerie
der Ambrosiana denke; ihr Berichterstatter schreibt weiter:
Die Besucher, deren es jetzt nur wenige gibt (kaum fünf
bis sechs an einem Tag), müssen sich durch viele minder-
wertige Gemälde durcharbeiten, bis sie erlesene Meister-
werke entdecken, die mitunter in schlecht beleuchteten
Winkeln hängen, wie überhaupt das Licht in den unfreund-
lichen Gemächern des düsteren Palazzo viel zu wünschen
übrig läßt. Wer aber daran nicht Anstoß nimmt, kann
eine große Anzahl wunderbarer Bilder kennen lernen. Da
ist ein innig zartes Madonnenbild Botticellis, das zu den
besten Werken des florentinischen Meisters gehört. Leo-
nardo da Vinci und seine besten Schüler sind durch eine
stattliche Reihe von Meisterwerken vertreten. Zwar sind
die Bildnisse des Herzogspaares von Este bezüglich ihrer
Urheberschaft bestritten, sicher sind sie aber aus der
Schule Leonardos. Die Kreidezeichnungen von der Hand

Boltraffios und die Gemälde Marco da Oggiones und
Bernardino Luinis sind unzweifelhaft echt. Raffaels Karton
zur sogenannten »Schule von Athen« gibt über die künstle-
rischen Absichten des Meisters mehr Aufschluß als die arg
beschädigten Fresken in Rom. Tizian werden drei Tafeln
zugeschrieben, von welchen die etwas nachgedunkelte »An-
betung der heiligen drei Könige« am meisten der Art des
venezianischen Farbenzauberers entspricht. Die Reisehand-
bücher ziehen durch eine große Anzahl von Fragezeichen
die Echtheit verschiedener Gemälde der »Ambrosiana« in
Zweifel. Gerade dieser Umstand läßt die gründliche Ar-
beit eines kunstgelehrten Direktors dringend notwendig
erscheinen. Trotzdem es bis heute an einem solchen fehlt,
wäre die arge Nachlässigkeit zu vermeiden, die äußerst
werlvollen Handzeichnungen eines da Vinci, Dürer und
anderer Meister durch ungenügende Verglasung der Rahmen
dem verderblichen Einflüsse des Staubes auszusetzen.
Kurz, alle diese Umstände erzwingen eine Reform, und
es darf erwartet werden, daß die Nachfolger des kunst-
liebenden Grafen Borromeo, dem die Sammlung ihre Ent-
stehung verdankt, das Erbe der Väter besser zu wahren
wissen werden, als sie es bisher getan haben.

Karlsruher Kunstverein. Ende September hat nach
der herkömmlichen sommerlichen Pause der Karlsruher
Kunstverein seine neue Saison begonnen. Die hiesigen
Kunstfreunde hatten diesmal besonderen Grund, der Er-
öffnungsausstellung mit einiger Spannung entgegenzusehen.
Man muß wissen, was der Kunstverein hier für das Kunst-
leben und das Kunstinteresse im Publikum bedeutet. Er
ist, abgesehen von ganz außergewöhnlichen und nur bei
den seltensten Gelegenheiten wiederkehrenden Veranstal-
tungen, der einzige Ort, wo der hiesigen Einwohnerschaft
etwas von dem geboten wird, was sich im Kunstleben
der Gegenwart ereignet. Nun haben sich bei den Vor-
standsneuwahlen des vergangenen Geschäftsjahres interne
Vorfälle abgespielt, die zu mancherlei Besorgnissen für
die weitere Entwickelung des Kunstvereins Anlaß gaben.
Der bisherige Konservator und Leiter der Vereinsaustel-
lungen ist gestürzt worden. Er hatte sich während seiner
längjährigen Tätigkeit um den Verein unbestreitbare große
Verdienste erworben als ein Mann von weitblickenden
und großdenkenden Grundsätzen, der namentlich für eine
prinzipielle Gleichberechtigung der Fremden gegen alle
Versuche einer Bevorzugung der Einheimischen energisch
ins Zeug gegangen war. Dieser Tatsache verdankten denn
auch die Ausstellungen des Kunstvereins einen guten
Teil ihrer künstlerischen Bedeutung und ihrer Anziehungs-
kraft. Man fürchtete, daß mit seinem Sturz, bei dem außer
persönlichen auch gewisse lokalpatriotische Gründe mit-
gespielt haben sollen, eine Änderung des Systems und
eine Einräumung größerer Vorrechte Lfür die ansässigen
Künstler beabsichtigt sei. Damit wäre natürlich dem
künstlerischen Gedeihen des Vereins das Todesurteil ge-
sprochen. Das erste Debüt des neuen Ausstellungsleiters,
der selbst ein geachtetes Mitglied der hiesigen Künstler-
schaft ist, gibt nun vorläufig noch keinen Anlaß zu der-
gleichen Befürchtungen. Die Fremden hat man nicht
hinausgedrängt. Sie nehmen im Gegenteil diesmal einen
ungewöhnlich breiten Raum ein, während die Karlsruher
für eine Eröffnungsausstellung auffallend schwach, freilich
nicht nur numerisch, sondern auch qualitativ schwach ver-
treten sind. Das Hauptinteresse konzentriert sich auf den
großen Oberlichtsaal, der von einer umfassenden Kollektion
des Brüsseler Landschaftsmalers Frans Courtens beherrscht
wird. Sie repräsentiert uns das Lebenswerk dieses Kunst-
führers des modernen belgischen Pleinairismus in einem
stattlichen Ausschnitt, begreiflicherweise vorwiegend Land-
schaften, aber auch Figürlichem und ein paar größeren
 
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