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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Schmidt, Karl Eugen: Die Pariser Salons
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Gensel, Julius: August Eckerlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0219

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421

August

Eckerlin

422

Er hat seine zuletzt etwas kreidig gewordenen An-
sichten von Paris und , der Seine verlassen und ist
ebenfalls in die Bretagne gezogen. Dort aber hat er
nicht die braune Melancholie Cottets und Simons ge-
funden, sondern ein heiteres und fast buntes Land,
das er in hellen Farben, die er etwas unvermittelt
nebeneinander setzt, beschreibt. Ich glaube nicht, daß
Raffaelli mit dieser neuen Manier viele Freunde finden
wird. Seine früheren Arbeiten sind jedenfalls distin-
guierter und eigenartiger als diese bretonischen Land-
schaften, die in ihren roten, gelben, blauen und spinat-
grünen Tönen fast an schlecht kolorierte Bilderbogen
erinnern.

Vielleicht die interessanteste Leistung des Jahres
hat der Spanier Anglada gesandt: wenigstens was
Farbe anlangt, sind seine Bilder Meisterwerke von
durchaus eigenartigem und selbständigem Gepräge.
Seine Harmonien von Lila und Grün bezeugen einen
koloristischen Sinn, der ebenso apart wie sicher ist,
und obschon er beständig neue und fremdartige Zu-
sammenstellungen von Farben findet, bleibt er doch
stets geschmackvoll und wohltuend. Freilich scheint
mir, daß man ihn nur als Koloristen bewundern
darf. Seine Zeichnung existiert kaum, und er ver-
steht es nicht, Luft in seine Bilder und um seine
Figuren zu bringen. Als Kolorist aber steht er an
erster Stelle.

Wenn man unter zweitausend Leuten einen Menschen
findet, so kann man sich nicht beklagen. Mehr kann
man nicht verlangen. Mit Bildern steht es ebenso,
und deshalb beklage ich mich nicht, unter den zwei-
tausend Bildern im alten Salon ein einziges Werk ge-
funden zu haben, das mich packte und das mir in
jeder Hinsicht vortrefflich scheint. Und die 1999
anderen Maler dürfen sich nicht beklagen, wenn sie
mit Stillschweigen übergangen werden, denn obschon
es unter ihnen sehr viele brave und tüchtige Leute
gibt, ist doch der Gesamteindruck des diesjährigen
Salons niederdrückend und ermüdend. Fast will mir
scheinen, daß die durchschnittliche Qualität des Salons
zurückgeht, aber diesen Eindruck hat man fast jedes-
mal, wenn man den Kunstspeicher des Salons be-
sucht, und er wird in diesem Jahre wohl nicht rich-
tiger sein als in den anderen. Es wäre verlorene
Druckerschwärze, wollte ich schildern, was Bouguereau,
Bonnat, Ferrier, Henner, Chartran, Humbert und wie
sie alle heißen, ausgestellt haben. Seit dreißig oder
vierzig Jahren ändern sich ihre Arbeiten wenig oder
nicht. Von den bekannten Künstlern dürfte wohl
nur Henri Martin besondere Erwähnung verdienen,
der in einem dreiteiligen Gemälde den Hafen von
Marseille mit seinem Mastenwalde, den die Körbe mit
golden leuchtenden Früchten ausladenden Arbeitern
und dem ganzen bunten Gewimmel, das sich dort
am Vieux Port zusammendrängt, geschildert hat. Die
Arbeit reiht sich in ihrer schillernden Leuchtkraft der
Farben würdig an die besten Sachen von Martin an.

Aber das eine Bild, das ich fast ein Meisterwerk
nennen möchte, rührt nicht von einer bekannten Größe
her, obschon der nämliche Maler schon vor zwei
Jahren ein ausgezeichnetes und damals schon mit

Recht gelobtes Bild ausgestellt hat. Damals war es
eine Schneelandschaft mit hochgiebeligen roten Back-
steinhäusern, durchzogen von einer Schar bewaffneter
Bauern in der Tracht des 16. Jahrhunderts. Diesmal
hat Charles Hoffbauer, in dem der Name die deutsche
Abkunft anzeigt, obschon der Künstler in Paris ge-
boren ist, nicht so weit zurückgegriffen. Sein Bild
stellt eine Episode nach einer Schlacht dar, und das
ist wohl das beste Schlachtenbild, das jemals gemalt
worden ist. Es besitzt die ganze unerbittliche Wahr-
heit der Schilderungen de Neuvilles, und dabei ist
Hoffbauer ein besserer Maler als de Neuville, der-
gestalt, daß dieses Gemälde ein koloristisches Meister-
stück ist.

Eine offene Landschaft mit hohen Bäumen, durch
die sich eine staubige Straße hinzieht. Grauer Staub
bedeckt auch das Gras und Moos, die Rinde der
Bäume wie ihr Laub ist eher braun als grün, ein
grauer, trüber Himmel wölbt sich darüber. Ganz im
Vordergrunde liegt ein meisterlich gezeichneter toter
Soldat mit aschfarbenem Gesicht. Einige Schritte
weiter steht ein wundgeschossener Schimmel und
schaut trübe und müde vor sich hin. Im Sattel
hängt ein bügellos gewordener Reiter, dessen Körper
vornüber gesunken ist und von den in die Mähne
eingekrallten Händen obengehalten wird, während
rotes Blut von Kopf oder Brust herabfließt und die
weißen Haare des Pferdes färbt. Zerschossene und
zerbrochene Karren und Lafetten, tote und sterbende
Menschen und Pferde liegen vereinzelt oder in grauen-
haften Gruppen unter den Bäumen, deren einige, von
den Kugeln getroffen, geborstene Stämme und ge-
brochene Äste zeigen. Ein überaus ergreifendes Ge-
mälde, das obendrein in der wirksamen Harmonie
der grauen Umgebung mit den schrill roten Uni-
formen außerordentliche malerische Vorzüge besitzt.
Jedenfalls ist Hoffbauer ein Künstler, dessen Name
bald überall bekannt sein wird, wo man sich mit
der bildenden Kunst befaßt.

KARL EUGEN SCHMIDT.

AUGUST ECKERLIN

Über August Eckerlin, der von 1811 bis zu seinem
Tode, 1843, in Mailand gelebt und den deutschen Künst-
lern, die dort studierten, vielfach mit Rat und Tat zur Seite
gestanden hat, sind mir durch freundliche Vermittelung
des Parlamentsmitgliedes für Venedig Antonio Fradeletto
und des Professors Eckerlin in Halberstadt, eines Neffen
von jenem, nähere Mitteilungen zugegangen, die ich hier
im Auszug wiedergeben will. Einer aus Schwaben in die
Harzgegend übergesiedelten Familie entstammend, war er
am 4. April 1773 in Werningerode bei Nordhausen als Sohn
eines Geistlichen geboren. Nach dem Tode des Vaters
(1778 in Sachsa) zog die Mutter nach Wernigerode am
Nordabhang des Harzes. Er selbst ging als junger Mann
nach Italien; 1798 wurde ihm in Rom von seiner Frau,
die Italienerin war, eine Tochter Francesca geboren, die
1843 als namhafte Sängerin gestorben ist. Zwei Jahre
später finden wir ihn in Marseille, wo ihm ein Sohn Cajo
(später Kupferstecher) geboren ward; dann in Reggio
(Emilia). Nach Mailand kam er mit drei Söhnen, von denen
die beiden jüngeren früh, der eine geisteskrank, gestorben
sind, und vier Töchtern. Mit den beiden ältesten Töchtern
 
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