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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Wolf, August: Neues aus Venedig, [4]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0281

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545

Bücherschau

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war der Umstand, daß die Bilder aus jenen Zeiten fast
nie auf Keilrahmen aufgenagelt sind, sondern ringsum mit
großen Nägeln auf schweren Brettern befestigt wurden.
Ohne das Umschlagen des Windes hätte man wohl den
Untergang der merkwürdigen Gemälde zu beklagen. Die
Wiedererrichtung der gefährlichen Fabrik mit ihren großen
Holzniederlagen hat die Stadtverwaltung verboten. —

Jetzt ist das neue vRegolamento« für die VI. internatio-
nale Ausstellung erschienen. Es enthält zwei wichtige Zu-
geständnisse: Abschaffung der Geldpreise für die beste
Kritik und Wahl zweier Jurymitglieder (5) von Seiten der
Künstler, welche zu den »Nichteingeladenen« zählen.- Im
übrigen bleibt alles beim Alten, trotz der weitgehendsten
Protestbewegung seitens der hiesigen Künstler.

Aug. Wolf.

BÜCHERSCHAU
Bernardo Daddi. Von Georg Graf Vitzthum. Mit sieben

Abbildungen. Leipzig, K- W. Hiersemann, 1903.

Nachdem die Forschung in den letzten fünfzehn Jahren
sich mit ganzer Energie den Problemen des Quattrocento hin-
gegeben hat, scheint jetzt ein Rückschlag erfolgt zu sein.
Der erste und wichtigste Protest gegen diese einseitige
Bevorzugung war Wölfflins bedeutendes Buch, das weite
Kreise für das Cinquecento zurückgewann. Ebenso hat auch
das Trecento wieder mehr Berücksichtigung erfahren; man
darf dies Jahrhundert getrost als das »kommende« der
Kunstgeschichte bezeichnen. Es lockt mit Recht als Neu-
land, wo noch viel Acker brach liegt. Um Giotto zwar hat
man sich vielfach bemüht; auch das endende Trecento ist
als Vorstufe zu Masaccio u. s. w. berücksichtigt worden.
Dazwischen aber gähnt eine Kluft, die wir noch immer
mit Namen zudecken, statt sie ernsthaft auszufüllen. So
ist die vorliegende Arbeit freudig zu begrüßen, die einem
trecentistischen Meister, Bernardo Daddi, Körper und Relief
gibt, und an seiner Eigenart die typischen Bewegungen
der Kunst jener Zeit sondert und mißt.

In der stilistischen Behandlung liegt meines Erachtens
der Hauptwert des Buches. Obwohl abstrakt und umständ-
lich, gibt der Verfasser gut schreibend die wesentlichen Merk-
male an, an denen sich die so stark durch die Malertradition
gebundene Eigenart des Künstlers erkennen läßt. Das ist
wichtiger als das tastende Attribuieren. Der Nachweis,
daß Bernardo Daddi und Bernardo da Fizenza identisch
sind, scheint mir gelungen; auch die Zuweisung der großen
Ancona Nr. 127 der Florentiner Akademie (Altarwerk aus
S. Pancrazio, Angelo Gaddi genannt) hat mich nach
längerem Zögern überzeugt. Dagegen kann ich in Ber-
nardo nicht den Maler des Tabernakelbildes in Or San
Michele sehen. Hier handelt es sich um ein Gnadenbild
wie das der Impruneta; die heute sichtbare Tafel ist
meines Erachtens eine Auffrischung oder Wiederholung
eines älteren Bildes, dessen primitive Form wir aus
einer Miniatur des Biadaiolokodex in der Laurenziana
sehr wohl kennen (sie ist neuerdings abgebildet bei
G. Biagi, the private life of the renaissance florentines S. 17).
Den Auftrag eines Madonnenbildes an Daddi für Or San
Michele von 1347, der dokumentarisch feststeht, mit diesem
Bild im Orcagna-Tabernakel zu verbinden, sind wir keines-
wegs genötigt. Ich nehme, wie früher auch Schmarsow,
Orcagna für die Tafel in Anspruch, der zwischen 1348 und
1359 die alte Tafel frisch gemalt und das Tabernakel ge-
macht hat. Freilich ist sie dann später — um 1400, wie
Thode meint, von Lorenzo monaco — noch einmal über-
malt worden, vermutlich nach einem Brande der Kirche.

Der Verfasser nennt Daddi den ältesten Giottisten und
macht damit Taddeo Gaddi den lange behaupteten Ehren-
und Erstlingsplatz streitig. Mit Recht werden starke Ab-

weichungen von Giottos formalen Gesetzen konstatiert und
in Daddi ein sehr bewußt, fast wissenschaftlich malender
Mann erkannt, der freilich im späteren Leben einsah, daß
es mit der Raumillusion nichts sei und deshalb zur Kalli-
graphie zurückkehrte. Taddeos Stellung scheint mir dabei
aber unterschätzt. Dieser Künstler steigt bei längerem
Verkehr immer mehr und die Lichtprobleme der Baroncelli-
fresken würdigt man mit Recht als Unica im Trecento.
Vitzthum meint, Taddeo träte erst 1333 mit dem Bigallo-
altärchen in unseren Gesichtskreis. Aber wer verwaltete
denn Giottos Bottega, als dieser nach Neapel ging, als er
heimgekehrt, alle Zeit dem Bau des Campanile widmete?
Weisen die beiden Triptychon von Berlin (1334) und im
Bigallo (ist das letztere wirklich Taddeo?) nicht auf einen
sehr ausgereiften Künstler? Der Verfasser wiederholt das
oft gehörte Wort von der »plumpen Fülle« bei Taddeo —
geht man davon aus, daß Taddeo von Hause aus Archi-
tekt war, so sieht man in seiner, der Miniatur ganz fernen
Art gerade den monumentalen Mauerstil. Die Miniatur,
die neuerdings durch Wulff mit Nachdruck als Quelle der
ganzen Giottokunst angenommen wird, ist für Daddi
sicher von größter Bedeutung gewesen, ebenso wie für
Giottino. Wer schenkt uns endlich die lang ersehnte Ar-
beit über die toskanische Miniatur des Trecento?

Die Ceciliatafel im Korridor der Uffizien (Nr. 20) kann
meines Erachtens nicht vor 1341 entstanden sein; ihr Stil
weist ins endende Trecento.

Wir sind dem Verfasser herzlich dankbar für die ein-
dringende und systematische Untersuchung. Gegenüber
dem Radikalismus, der jetzt gegen Giotto zu Felde zieht,
der ihm das Altarbild der Baroncellitkapelle und die Stig-
mata des Louvre nehmen möchte (von den Franzfresken
in Assisi gar nicht zu reden) berührt der positive Aufbau
dieser Arbeit doppelt wohltuend. Sie hat uns ein ordent-
liches Stück weiter gebracht. Paul Schubring.

The Great Masters in painting and sculpture. Lon-
don, G. Bell & Sons, 1904.

Von dieser, hier zu wiederholten Malen besprochenen
Serie, die durch ausgezeichnete Illustrierung Beachtung
verdient, liegen folgende neuen Bände vor.

Gaudenzio Ferrari. Von Ethel Halsey. Der Meister
von Vercelli, neben Luini der beste unter den späteren
Lombarden, und diesem vielleicht voranzustellen, weil er
kraftvoller und persönlicher gewesen ist, gehört zu den
wenigst bekannten Malern der Hochrenaissance. Während
es, im 18. Jahrhundert besonders, keine namhafte Samm-
lung ohne ein Bild Luinis gab, ist von Gaudenzio nur
verschwindend weniges ins Ausland gewandert, darunter
nur ein einziges Stück, das ihn völlig repräsentiert, die
herrliche »Anbetung des Kindes« in Dorchester House.

Was sich aber in Italien befindet, muß man fast durch-
wegs in kleineren, selten berührten Städten der Lombardei,
vorzüglich in Vercelli, in Novara, in Varallo suchen. Von
den großen Sammlungen besitzen Turin besonders, dann
Mailand und Bergamo Bilder Gaudenzios.

Daher kennt ihn das Publikum wenig. Die vorlie-
gende Arbeit ist die erste Biographie des Meisters, die
außerhalb Italiens erscheint. Besondere Sorgfalt hat die
Verfasserin darein gelegt, die verschiedenen Einflüsse dar-
zulegen, denen sich Gaudenzio zugänglich zeigte, bis zu
seinen späteren Jahren, wo er von Correggios ekstatischer
Kunst starke Eindrücke erfahren hat. Dann folgt in chro-
nologischer Ordnung die Besprechung seiner Werke.

Die ruhige Darlegung darf man als Vorzug des Buches
hervorheben; von allzu starkem Lob wird erfreulicherweise
kein Gebrauch gemacht. Nur wird man vielleicht, was die
Verfasserin von den Fresken der Kuppel in Saronno sagt
 
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