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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Kruse, John: Über einige Künstlerlexika
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Wolf, August: Neues aus Venedig, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0280

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543

Neues aus Venedig

544

Niederländer: die van Eycks, Qerard David, Dirk Bouts,
Roger E. Fry über Jacopo, Gentile und Giovanni Bellini,
F. Mason Perkins über Oiotto, Langton Douglas über Fra
Angelico und Benozzo Oozzoli, Campbell Dodgson über
Dürer, Lionel Cust über van Dyck, der Redakteur William-
son selbst über Ford Madox Brown, Cosway, Constant,
Beardsley und andere, Malcolm Bell über Burne Jones
und drei andere englische Künstler. Der Herausgeber
scheint das kluge Prinzip befolgt zu haben, daß er jeden
hervorragenden Meister von einem Verfasser biographieren
läßt, der eben diesen Künstler zum Gegenstand eines
durchdringenden SpezialStudiums gemacht hat. Außer
den Herren treten auch mehrere Frauen mit Erfolg als
Biographen auf. So Julia Cartwright (Mrs. H. Ady) mit
dem Artikel über Giorgione, Miss Constance Jocelyn
Ffoulkes mit dem Foppa-Artikel, und selbst Botticelli wird
von einer Dame, Miss Streeter, biographiert.

Bezeichnend für das immer von der Antike stark inter-
essierte England ist, daß der Artikel über Apelles beinahe
drei Spalten einnimmt, obgleich, wie bekannt, von ihm
keine Arbeit bewahrt ist.

Ganz natürlich ist, daß in Bryans Lexikon die eng-
lischen Künstler, auch die neueren wie die Präraphaeliten
und die übrigen, gewissenhaft biographiert sind.

Obgleich im ganzen genommen vortrefflich, solid und
sächlich, ist Bryans Lexikon doch, natürlicherweise könnte
man sagen, nicht ohne Mängel, welche teils in Nicht-
berücksichtigung der modernen nichtenglischen Forschung,
teils in Ungleichheiten in der Behandlung, teils in zu-
weilen sehr merkwürdigen Lücken bestehen.

Während für die alten italienischen Künstler besonders
gut durch gelehrte Artikel gesorgt ist, ist das Unbegreifliche
geschehen, daß ein bahnbrechender Meister wie Masaccio
nur eine knappe Biographie erhalten, ohne Literaturhin-
weise, also ohne daß Schmarsows große Monographie ge-
nannt wird.

Bei dem ausführlichen und guten Artikel über Claude
Lorrain vermißt man in der Aufführung seiner Werke die,
welche sich in römischen Sammlungen (Palazzo Doria,
Academia di S. Luca, Palazzo Rospigliosi und andere) be-
finden, unter denen herrliche Meisterwerke sind.

Der Verfasser von Gavarnis Biographie hat den spiri-
tuellen Franzosen nur als Zeichner und Karikaturisten ge-
nannt, aber vergessen, daß er auch Lithograph war.

Die zahlreichen, sowohl liebenswürdigen als feinen
Radierungen des dänischen Malers Karl Bloch hätten auch
verdient, nicht ganz vergessen zu werden.

Eigentümlich unpraktisch scheint es mir, daß Andrea
del Verrocchio nicht unter V, sondern unter D gesucht
wird. Ebenso Antonio und Piero del Pollaiuolo und ver-
schiedene andere Künstler mit einem del im Namen. Doch
nicht alle! Andrea del Castagno findet man z. B. unter C.
Es gibt jedoch Hinweise.

Bedenklicher ist's mit den Lücken. Unter Schweden
vermißt man Richard Bergh, unter den Franzosen so weit-
berühmte und auch nicht mehr zu junge Meister, wie die
Maler Besnard, Carriere und Cottet, unter den Deutschen
einen so groß angelegten Künstler wie der Graphiker
Otto Greiner, welcher sich nun auch als Maler einen Namen
gemacht hat.

Das merkwürdigste von allem ist doch, daß ein so
berühmter englischer Künstler wie Walter Crane vermißt
wird. Ihn kann man doch keinen unbekannten Jüngling
nennen, ist er doch schon 60 Jahre alt! Wenn auch seine
Hauptbedeutung nicht auf dem Gebiete der Malerei liegt,
hat er doch auch Malereien ausgeführt. Für die oben an-
gemerkten Lücken kann es eine Art Entschuldigung in
einer gewissen spezifisch englischen Selbstgenügsamkeit

und Unbekanntschaft mit ausländischen Kunsterscheinungen
liegen, aber eine solche scheinbare Entschuldigung gibt
es nicht für das Vergessen von Walter Crane.

John Kruse.

NEUES AUS VENEDIG

5. Oiaccometo di Rialto. Die die Zeitungen durch-
laufende Nachricht von plötzlicher Einsturzgefahr dieser
urältesten der venezianischen Kirchen muß dahin reduziert
werden, daß der Portikus des kleinen, am Fuße des Rialto
gelegenen Kirchleins in seinen von Säulen getragenen
Querbalken morsch ist, und schleuniger Ausbesserung be-
darf. Die Kirche selbst, im Neuaufbau vom Jahre 1601,
genau im selben Grundplan der ursprünglichen von 1071,
zeigt nirgends den mindesen Schaden und wurde gerade
in diesen Tagen das Fest des Titolaren in ihr begangen.
Gegründet ist dies reizende Kirchlein im Jahre 421, um-
gebaut 1071, 1513 restauriert und ganz neu errichtet auf
höher gelegtem Fußboden 1601. —

Recht interessant ist die Entdeckung von Passions-
fresken in der Kirche SS. Apostoli, welche aus der ersten
Hälfte des 14. Jahrhunderts stammen. Man beabsichtigte
eine Gedenktafel in der Kapelle rechts vom Chore anzu-
bringen und kam dabei auf einen Hohlraum. Man löste
die lockeren Backsteine und fand, daß die ganze Wand
durch eine dieselbe deckende Backsteinmauer verstärkt
war. Wohl mag diese Verstärkung beim Neubau der
Kirche 1752 angebracht worden sein, oder noch früher,
als die Kirche 1575 den Einsturz drohte. Man löste nun
die Backsteine, welche, ohne die mindeste Beschädigung
verursacht zu haben, die darunter befindlichen Fresken
bedeckt hatten. Man legte zwei Quadratmeter frei und
entdeckte so zunächst eine Grablegung und über derselben
eine Kreuzabnahme in halblebensgroßen ganzen Figuren
voller Energie und Lebendigkeit, wohl von einem Nach-
folger Giottos ausgeführt. Besonders interessant ist die
Kreuzabnahme durch das selten vorkommende Motiv der
Bewegung: Christus ist halb vom Kreuze gelöst; Ober-
körper und Arme hängen frei herab, während die Füße
noch nicht von den Nägeln befreit sind. Der Meister der
Fresken, vielleicht ein Paduaner, zeigt frische, lebendige
Auffassung voller gesunder Realistik. Leider mußte man
dem weiteren Aufdecken der merkwürdigen Malereien
Einhalt tun, weil die Mauer, auf welcher diese sich be-
finden, einen starken Riß zeigt. Es steht nun abzuwarten,
daß die betreffende Behörde rasch die Mauer von der
entgegengesetzten Seite verstärken lasse, was bereits be-
schlossen ist. Es ist anzunehmen, daß die ganze Kapelle
ausgemalt ist, und daß es sich um eine ganze Folge von
Gemälden aus der Passion handle. —

Die weltbekannten Gemälde des V. Carpaccio in dem
kleinen Oratorium S. Giorgio degli Schiavoni liefen vor
nicht langer Zeit große Gefahr, einer Feuersbrunst zum
Opfer zu fallen; gegenüber der Kirche, nur durch den
Kanal getrennt, zerstörte das Feuer bei stärkstem Sturm-
winde, Blitz und Donner eine große Möbelfabrik. Schon
bedeckten die Funken das Dach des alten Oratoriums.
Andererseits bedrohten die Wassermassen der Feuerspritzen
die Gemälde. Der Tatkraft einiger Kunstfreunde, welche
die Türen einschlagend, die Gemälde zu retten begannen,
ist nicht genug Lob zu spenden.

Drei der Gemälde waren unter den erschwerendsten
Umständen losgelöst, gerollt und in Sicherheit gebracht
worden, als der Sturm sich legte oder nach der entgegen-
gesetzten Seite blies, und so das gefahrvolle Herausnehmen
der anderen Bilder überflüssig machte. Die drei Gemälde,
welche nicht ganz ohne Beschädigung blieben, sind nun
wieder an Ort und Stelle eingesetzt worden. Erschwerend
 
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