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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Zur Kunstpflege der Fugger
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Becker, F.: Das Jahrbuch der kgl. preussischen Kunstsammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0268

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519

Das Jahrbuch der Kgl. preußischen Kunstsammlungen

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nitäre Anstalten die Geldmittel ohne eine Lotterie aufzu-
bringen, wie viel schwerer mußte es auch noch dem aus-
gehenden Mittelalter sein, für solche Werke die Gelder zu-
sammenzubringen! Wie alle Staaten damals zu wenige
Geldsteuern hatten und so gierig nach jedem blanken Geld-
stücke waren, ebenso ging es auch den kirchlichen Be-
hörden. Die Ablaßspende war dem Herrscher ebenso will-
kommen, wie den Meistern einer Kirchenfabrik.« Schulte
stellt den Satz auf, daß die Mehrzahl der Bauten der go-
tischen Periode mit Hilfe von Ablässen aufgebaut sei, und
daß diese Beobachtung auch für die spätgotische Nachblüte
stimme. Er belegt diesen Satz unter anderem mit der
1525 vollendeten St. Annenkirche in Annaberg, einer der
schönsten Kirchen Sachsens, mit den Dombauten von
Konstanz und Trier. Auch für die Kunstschätze aller Art
umfassende Reliquiensammlung des Lutherfreundes Friedrich
des Weisen von Sachsen und Ablässe, um die er sich für
diese Sammlung bemühte, bringt Schulte einige neue Daten.
Noch mehr im Vordergrunde des Interesses steht die
Frage: »Ist der Ertrag des für den Neubau von St. Peter
ausgeschriebenen Ablasses wirklich in die Baukasse ge-
flossen, oder ist er zum geringeren oder größeren Teil
in Form einer Anweisung an Leos X. Schwester Magdalena
Cibö gelangt?« Schulte ist der Ansicht, daß sich für diese
seit den Tagen der Reformation weitverbreitete Annahme
nicht die Spur eines Beweises finden lasse.

Ein farbenreiches Bild römisch-kirchlicher Fest- und
Kunstfreude wird uns in der an Francesco Penni sich an-
lehnenden Schilderung des »Possesso« Leos X. aufgerollt,
jenes glänzenden Festzuges vom Vatikan zum Lateran und
wieder zum Vatikan nach der Erhebung eines Papstes.
Unter den Triumphbogen und Festbauten der reichen Kauf-
herren, an deren Häusern der Zug vorbeiführte, ist der
glänzendsten einer der Doppelbogen, welchen der lang-
jährige Vertreter der Fugger und zugleich päpstliche Münz-
meister Johannes Zink errichtet hatte. Diese Doppel-
stellung Zinks führt auf den großen, durch viele Jahre sich
erstreckenden Einfluß, den die Fugger von Julius II. an
bis zu Clemens VII, auf das römische Münzwesen ausge-
übt haben, und der sie mit Medailleuren von der Bedeu-
tung eines Caradosso, eines Camelio (Vittore Cambello)
und eines Tagliacarne (Pier Maria da Pescia 1499—1522)
in Berührung brachte. Schulte betritt hier, was die Ge-
schichte der Münzstätten und ihrer Pächter betrifft, fast
durchaus jungfräulichen Boden. Die Ergebnisse seiner
Forschungen sind in Urkunden, Verzeichnissen und zwei
sehr klaren und scharfen Lichtdrucktafeln niedergelegt, deren
Münzen oft das charakteristische Fuggersche Prägungs-
zeichen tragen, den Dreizack mit einem Kreise rechts
unten am Stiel: es ist die alte Haus- und Handelsmarke
der Fugger, aus der vielleicht das Wappen der Fugger von
der Gilgen mit den beiden Lilien entstanden ist. Band I des
Werkes gibt eine Abbildung dieser Hausmarke und als
ferneres Titelbild die Silberstiftzeichnung von Hans Holbein
dem älteren, die die klaren und festen Züge Jakob Fuggers
unter der golddurchwirkten Kappe jener Zeit zeigt.

Die vorstehenden kurzen Angaben und Auszüge mögen
das Schultesche Buch auch dem Kunsthistoriker warm em-
pfehlen. Der lokalen Kunstgeschichtsforschung wird manche
Einzelangabe hochwillkommen sein, und das Bild deutscher
Kunstpflege in Rom wird mit dem großen allgemein ge-
schichtlichen Gemälde jener Fuggerzeit in Einklang gebracht.

V. GRAEVENITZ.

DAS JAHRBUCH DER KGL. PREUSSISCHEN
KUNSTSAMMLUNGEN
Zu Anfang 1905 vollendet das Jahrbuch der Kgl. preu-
ßischen Kunstsammlungen das 25. Jahr seines Bestehens,

und es wird dann Gelegenheit sein, über die hervorragende
Wirksamkeit zu sprechen, die diese stattliche, an Studien
und Forschungen reiche und mustergültig illustrierte Zeit-
schrift zur Förderung der Museologie und der Kunst-
wissenschaft entfaltet hat. Heute möchten wir im beson-
deren auf das zweite, letzthin erschienene Quartalheft hin-
weisen, das eine Reihe höchst interessanter und wertvoller
Aufsätze bringt.

An erster Stelle gibt W. Rolfs eine eingehende Dar-
stellung der Entstehungsgeschichte des Triumphbogens
Alphons' I., und wendet sich dabei mit guten Gründen
gegen die von dem Architekten Ettore Bernich behauptete
Autorschaft des L. B. Alberti, sowohl am Entwurf des
Triumphbogens als an der nicht glücklichen Platzwahl und
der Adaptierung. Nicht besser steht es nach der über-
zeugenden Darlegung Rolfs mit der von früheren ver-
tretenen Zuweisung der Erfindung des Monumentes an
Giuliano Majano und Pietro Martino, aber innere und
äußere Gründe sprechen für Francesco Laurana.

Von Geheimrat Dr. W. Bode bringt das Heft gleich
zwei jener Studien, die man wegen ihrer Frische und
Anschaulichkeit, ihrer Sicherheit des Urteils und Neuheit
der Erkenntnisse mit besonderem Vergnügen und nie ohne
Gewinn ließt. In der ersten behandelt er die drei neuen
Gemälde von Rubens in der Berliner Galerie, das große
strahlend schöne Gemälde aus dem Besitze des Kaisers
»Diana im Bade von Satyrn überrascht« und die beiden
Landschaften aus der Sammlung des Lord Pelham Clinton
Hope. Mit wenigen Worten entwirft er ein so lebendiges
Bild von Rubens letzter Schaffensperiode, daß wir den
Meister bei der Arbeit zu sehen meinen, und kennzeichnet
die wichtige Rolle, die Helene Fourment, die junge, schöne
zweite Gattin im Leben und Schaffen des großen Künstlers
einnimmt. Wie in den meisten großen Gemälden der
Spätzeit Rubens die üppige, echt vlämische Schönheit
Helenens gefeiert wird, so sehen wir sie auch in der
Figur der Diana und zwar in wundervoller malerischer
Vollendung und Farbigkeit so recht con amore dargestellt.
Man muß lesen, wie der Verfasser in den Stimmungsge-
halt und die malerischen Vorzüge dieses Bildes einführt
und nebenbei über alles Wissenswerte, Datierung, Zu-
sammenhang mit verwandten Darstellungen und die durch
des Meisters Tod verhinderte völlige Vollendung belehrt.
Auch die erstgenannte geistreich skizzierte und sehr
farbige »Landschaft mit dem Turm« bestimmt Bode als
dieser Spätzeit des Meisters angehörig, da sie ein Motiv
aus der Nähe des 1635 in den Besitz des Künstlers überge-
gangenen Landsitzes Steen widergibt und durchaus die
Farbigkeit der letzten Phase von Rubens Kunst zeigt. Da-
gegen datiert er die andere Landschaft, die durch den
Stich von Bolswert unter dem Namen »der Schiffbruch
des Äneas« bekannt geworden ist, wegen ihres ausge-
führten Details, der starken Bewegung in Formen und
Figuren, ihrer italienischen Motive und ihrer pathetischen
Stilisierung in die Zeit um 1620.

Die zweite Studie ist betitelt: Lionardo als Bildhauer,
und lehrt mit einemmale vier Reliefs als Jugendarbeiten
Lionardos kennen. So überraschend dieses Ergebnis im
ersten Augenblicke scheint, so überzeugend ist die Be-
gründung der Zuweisung und dürfte der Anstoß zu noch
weiteren Trouvaillen in dieser Richtung werden. W. Bode
geht von dem Stucco-Relief mit der Darstellung der
Allegorie der Zwietracht im Victoria- und Albert-Museum
in London aus, das nach alter Tradition schon dem
Lionardo zugeschrieben wurde. Einzelnes in dieser Arbeit
verrät die Werkstatt Verrocchios, in der ja Lionardo seit
1472 durch fünf oder sechs Jahre tätig war, und niemand
hier und überhaupt von Künstlern des Quattrocento hätte
 
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