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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Schmidt, Karl Eugen: Die St. Louiser Weltausstellung
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Wolf, August: Neues aus Venedig, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0243

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46g

Neues aus Venedig

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Inhalte entsprechende Holzkonstruktion angebracht
sei, und hatten ein lustiges Holzgebäude errichtet, das
sehr vorteilhaft von all den Marmorpalästen aus Pappe
und Gips abstach. In St. Louis aber ist auch hier
alles verkleistert und vertüncht, und nichts deutet
außen auf den Inhalt. Außer den acht Gebäuden
des Fächers findet man über das weite Gebiet zer-
streut fast noch ebensoviele offizielle und eine große
Anzahl halboffizieller oder privater Gebäude. Die
Paläste für Ackerbau, Gartenbau und Forstwirtschaft
sind in dem geschilderten Plane nicht einbegriffen,
die drei Kunstpaläste liegen zwar in der Hauptachse
des Fächers, aber oben auf dem Hügel gänzlich hinter
dem festlichen Kuppelbaue versteckt und dem Mittel-
punkte abgewandt. Das mittlere und größere Gebäude
ist ein fester Bau, der nach der Ausstellung als Museum
beibehalten werden soll. Auf einem benachbarten
Hügel, ebenfalls nicht zu dem Plane gehörig, stehen
die in englischer Burggotik errichteten Verwaltungs-
gebäude, die aus festem Stein gebaut sind, und nach
der Ausstellung als Universität dienen werden.

Zu den halboffiziellen Bauten rechne ich die
Häuser der fremden Nationen, der amerikanischen
Einzelstaaten und der Bundesregierung. Bekanntlich
hat das deutsche Reich das Charlottenburger Schloß
kopiert und auf den Hügel neben den östlichen
Pavillon des Wasserschlosses gesetzt, eine Stelle, die
den Mittelplan beherrscht. Auf diese Weise ist es
dem deutschen Kommissar gelungen, seinen Bau in
den Plan hinein zu schmuggeln, während alle anderen
halboffiziellen Bauten abseits liegen und im Zentrum
des Ausstellungsgeländes überhaupt nicht gesehen
werden. Ob es im übrigen angezeigt ist, für einen
solchen Zweck einen alten Bau zu kopieren, oder
ob es sich besser empfiehlt, ein ganz neues Gebäude
zu entwerfen und aufzuführen, ist eine Doktorfrage,
deren Entscheidung mir nicht obliegt. Jedenfalls
wäre es für deutsche Kunst und deutsches Kunst-
gewerbe vermutlich besser gewesen, wenn man sich
nicht auf das Kopieren eines alten Baues und alter
Saaleinrichtungen beschränkt, sondern den heutigen
Künstlern Gelegenheit zum Zeigen ihres Könnens
gegeben hätte. Indessen ist der Schaden nicht so
groß, wie man in Deutschland fürchtete, und zwar
aus dem sehr einfachen Grunde, daß die am meisten
gefährliche Konkurrenz gänzlich versagt hat. Auf die
elende Vertretung Frankreichs in allen Teilen der
Ausstellung und besonders in der Kunst, wo die
Franzosen die ersten sein müßten, werde ich später
noch ausführlicher zurückkommen. Jetzt seien nur
die Ängstlichen beruhigt, die von dem Ausbleiben
der Sezession ein gänzliches Fiasko der deutschen
Kunst befürchteten.

Frankreich, England, Holland haben wie Deutsch-
land alte Bauten kopiert, Österreich und Belgien sind
die einzigen fremden Staaten, die mit neuem auf-
warten, und die Österreicher können sich rühmen,
das interessanteste Gebäude der ganzen Ausstellung
beigesteuert zu haben. Auf diesen Bau muß ich
noch des längeren zurückkommen. Von den ameri-
kanischen Einzelstaaten wie von den Republiken Süd-

und Mittelamerikas ist nicht viel zu sagen. Nur
Neu Mexiko hat ein hübsches Adobehaus, Washing-
ton einen aus riesigen Baumstämmen errichteten, sehr
eigenartigen Wigwam, alle übrigen haben die banale
Nachahmung irgend eines europäischen Stiles geliefert.
Belgiens uninteressanter Hallenbau verdient weiter
keine Beachtung, von Österreich und von der inneren
Ausgestaltung der Räume in den verschiedenen Ge-
bäuden werde ich in einem zweiten Briefe berichten.

NEUES AUS VENEDIG

Die offizielle Antwort des Sindaco Grimani, Präsidenten
der internationalen Kunstausstellung, auf die an ihn ge-
richtete Denkschrift, von der Mehrzahl der hiesigen Künstler-
schaft unterzeichnet, das Verlangen zahlreicher Änderungen
in der Organisation der Ausstellungsleitung enthaltend, ist
ebenso ablehnend und zurückweisend ausgefallen, wie die
in Nr. 25 dieses Blattes mitgeteilte offiziöse Antwort: Das
Ausstellungsunternehmen sei eine Kommunalangelegenheit,
und nur der Gemeindeverwaltung gegenüber sei man Ver-
antwortung schuldig, nicht aber den venezianischen Künst-
lern. — Die Künstler behalten sich nun weiteres zu tun
vor. Es wird nichts übrig bleiben, als sich ruhig zu ergeben
und die Veröffentlichung des diesmaligen Ausstellungs-
programmes abzuwarten, für welches in der Zwischenzeit
einige Verbesserungen im Sinne der Künstler versprochen
wurden. Keinesfalls ist zu fürchten, daß diese lokalen
Vorkommnisse imstande sein sollten, der internationalen
Wichtigkeit des Unternehmens zu schaden.

Eine Reihe hervorragender hiesiger Persönlichkeiten
haben beschlossen, dem Tragöden und Patrioten Gustavo
Modena auf dem Campo SS. Apostoli (der deutsch-evan-
gelischen Kirche gegenüber) ein Marmordenkmal zu er-
richten. Sie schrieben einen Wettbewerb aus, an welchem
sich die Bildhauer Lorenzetti, Botasso, Tamburlini, Michieli
und de Lotto beteiligten. Die geringen bis jetzt gezeich-
neten Beiträge hatten eine größere Zahl von Bewerbern
zurückgehalten. Nun ist die Ausstellung der Entwürfe, im
ganzen sieben, beendet. Die Beurteilungskommission, be-
stehend aus Künstlern der Plastik, Trentecoste, Calandra,
und Schauspielern, Novelli und Salvini, hat unter Pasco-
latos Vorsitz das Modell Lorenzettis zur Ausführung ein-
stimmig gewählt. Es zeigt Modena im Begriffe eine Rolle
einzustudieren, in lebhafter und sehr guter Bewegung. Am
Piedestal ist, von schönen Blumengewinden getragen, auf
der Vorderseite die Widmungstafel angebracht, seitlich die
Embleme der Schauspielkunst und anderseits solche auf
die agitatorische Tätigkeit des ruhelosen Mannes bezüglich.
Man kann voraussagen, daß das Standbild dem schönen
Platze von SS. Apostoli zur Zierde gereichen wird.

Der Entschluß der Rochusbruderschaft, mit der Restau-
ration von Tintorettos Gemälden einen Anfang zu machen,
ist durch die soeben beendete Wiederherstellung der ersten
drei Gemälde durch Professor Zenaro von schönstem Er-
folge belohnt worden. Man machte den Anfang mit den
drei meistbeschädigten Bildern: dem »Eccehomo« über der
Türe, dem Christus vor Pilatus rechts und dem Gang nach
Golgatha links. Diese Bilder waren in entsetzlichem Zu-
stande. Sie hingen dick verstaubt in Falten in ihren alten
Keilrahmen. Nun sind sie neu gefüttert und gereinigt.
Die koloristischen Vorzüge des großen Tintoretto kommen
nun zur vollen Geltung. Es gereicht Zenaro zum größten
Lobe, daß er mit größter Zurückhaltung beim Reinigen
verfuhr und in keinerlei Übermalung verfiel. So wird dem
Generalton der Bilder nicht die geringste Gewalt angetan.
Unbegreiflicherweise fehlt es nicht an Stimmen, welche in
 
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