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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Steinmann, Ernst: Zur Restauration der Sixtinadecke
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0294

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571

Nekrologe —

Personalien

572

vertraute die Ausführung dem Domenico Carnevale an,
einem berühmten Maler aus Modena. Diesem fiel auch
nach dem Tode Oirolamos die Aufgabe zu, die Arbeit fort-
zusetzen, und die Risse, welche sich am Gewölbe zeigten, mit
Stuck auszufüllen, sämtliche Gemälde zu restaurieren, und
vor allem das Opfer Noahs, wo ein Stück des Intonaco
herabgefallen ira/-1).« Domenico Carnevale wird in der
»Raccolta de' pittori, scultori et architetti Modonesi« des
•Lodovico Vedriani (Modona 1662, p. 99) als einer der be-
rühmtesten und fruchtbarsten Modeneser Maler bezeichnet,
der viele Privathäuser seiner Vaterstadt innen und außen
mit Freskomalereien schmückte. Als besonders schön
wird ein Gemälde im Hause des Signor Prospero Toschi
gerühmt, welches auf einem Cartellino die Bezeichnung
trug: Dom. Carn. F. M.D.LXI111. Weitere Daten aus dem
Leben Camevales sind nicht überliefert; ebensowenig ver-
mochte sein Biograph näheres über die mannigfachen Ar-
beiten anzugeben, welche Carnevale in Rom ausgeführt hat.

Auch schon Nagler wußte von den Arbeiten des Mo-
denesen in der Sixtina. Im Künstlerlexikon (11, p. 369)
sagt er von ihm, daß er in Rom die Gemälde Michel-
angelos hergestellt habe, was ihm zum großen Lobe ge-
reicht sei. Wenn wir auch annehmen können, daß Nagler
diese Notiz der Michelangelo-Biographie Piacenzas ent-
nahm, so ist uns die Quelle der letzteren bis heute noch
unbekannt. Sehr wohl kann es aber jetzt gelingen, aus
den Rechnungsbüchern Pius' V. Ghisleri, der ja nur sechs
Jahre regierte, die Zahlungsbelege für Carnevale beizu-
bringen.

Mit Domenico Carnevale ist also der Maler gefunden,
der die jüngst entdeckte Restauration am Opfer Noahs
ausgeführt hat, die ich schon in der »Kunstchronik« vom
3. Mai dieses Jahres ausführlich beschrieb und als eine
sehr alte und sehr geschickt ausgeführte bezeichnen konnte.
Wir wissen jetzt aus Piacenza, daß diese Restauration
sehr bald nach Michelangelos Tode, in den Jahren 1566
bis 1572, stattfand.

Es ergeben sich also bis jetzt für die Reinigung und
Restauration der Sixtina-Decke folgende Daten:

t. Domenico Carnevale (1566—1572). Bezeugt durch
Piacenza, Vita di Michelagnolo Buonarroti. Torino 1812,
p. 58.

2. Simone Laghi im Jahre 1625, bezeugt durch ein
Exzerpt Feas und durch eine Aufzeichnung im Cod. chis
G. 66, p. 208 (übrigens auch in einem Codex Vaticanus)
ed. Th. Schreiber in der Festschrift für Anton Springer,
p. 10g (Reinigung der Gemälde mit angefeuchtetem Brot).

3. Restauration im Jahre 1762, bezeugt durch Richard
(Description d'Italie, Dijon 1766, V, p. 358): »C'est dans
cette chapelle«, schreibt er, »que j'ai vu en 1762 de tres
mediocres artistes occupes ä couvrir de draperies les plus
belles figures nues du tableau e du plafond.«

4. Restauration nach der Pulverexplosion vom Jahre
1798, welcher einer der Ignudi links von der Trunkenheit
Noahs und das Medaillon zwischen beiden Ignudi zum
Opfer fiel. Vergleiche Duppa, Life of Michel-Angelo,
London 1807, p. 283.

Unter diesen Restaurationen ist die des Domenico
Carnevale jedenfalls die durchgreifendste und verständnis-
vollste gewesen. Ja, die Annahme erscheint berechtigt,
daß er nicht nur die Füllung der Risse ausgeführt hat,
sondern auch alle Figuren mit jenem dunklen Firnis ver-
sah, welcher die Farbenkörper vor Zersetzung und Ein-

1) »A cui dopo la morte di Girolamo toccö il prose-
guire l'opera, ristuccare i peli, che aveva fatto la volta, e
accomodare il rimanente delle pitture, e in particolare il
sacrificio di Noe, dov'era cascato un pezzo d'intonaco.«

dringen des Staubes geschützt hat. Und wenn die Füllung
der Risse mit einer Mischung von Pech und Wachs schon
unmittelbar nach Michelangelos Tode geschah, so begreift
man endlich auch, warum die Legende, die Risse seien
künstlich von Michelangelo selbst gemalt, so früh ent-
stehen und sich so lange behaupten konnte.

NEKROLOGE

Umberto Veruda f. Am 26. August starb in Triest
der Porträtmaler Umberto Veruda. Er war 1870 in
Venedig geboren, studierte in München und Paris und
erhielt, kaum 21 Jahre alt, die große goldene Medaille
auf einer internationalen Ausstellung in Rom. Von 1893
an lebte er abwechselnd in Triest, Wien, Berlin und Paris
und malte viele in Charakteristik und Kolorit hochstehende
Porträts. Ein sehr interessantes Frauenporträt in der
vorjährigen Hagenbund-Ausstellung in Wien trug ihm
eine Berufung zur Herzogin von Marlborough nach Blen-
heim ein, wo er die Herzogin und ihre ganze Familie
malte. Die Akademie in Venedig erwarb eines seiner
besten Bilder, einen Bildhauer im Atelier bei der Arbeit
darstellend. (Voss. Ztg.)

Der russische Historienmaler P. A. Swedomski ist
am 9. September im Alter von 55 Jahren gestorben. Er
verließ Rußland 1870, studierte in Düsseldorf und später
bei Munkacsy. Sein bedeutendstes Werk ist »Das bren-
nende Moskau«. Ferner malte er in der 1862 — 96 er-
bauten Wladimir-Kathedrale in Kiew an der Decke des
linken Chors Christi Himmelfahrt und einzelne Bilder auf
Nebenaltären. Er lebte meist in Rom.

Porfessor Karl Rettich, der treffliche Landschafts-
maler, ist am 12. September in Lübeck gestorben. Er
wurde 1841 in Rosenhagen bei Travemünde geboren, stu-
dierte zuerst auf Wunsch seiner Eltern Jura, folgte aber
dann seinem lebhaften Drange zur Kunst und wurde
Schüler Adolf Liers. Mit Vorliebe schilderte er den deut-
schen Wald und die Ostsee. Eins seiner schönsten Land-
schaftsbilder besitzt das Lübecker Museum.

PERSONALIEN

Geheimrat Professor Dr. von Reber feiert im No-
vember seinen siebzigsten Geburtstag und soll — nach
Blättermeldungen — infolge seines hohen Alters beab-
sichtigen, als Direktor der Kgl. Zentral-Gemäldegalerien
zurückzutreten; als Nachfolger wird Professor F. A. von
Kaulbach bezeichnet. Auf Grund genauer Informationen
können die »M. N. N.« versichern, daß an jenen Zeitungs-
meldungen kein wahres Wort ist. Professor Dr. von Reber
erfreut sich der besten Gesundheit und denkt noch gar
nicht daran, seinem Arbeitsfelde Valet zu sagen, und Prof.
F. A. von Kaulbach soll sehr überrascht über seine an-
gebliche Ernennung gewesen sein. — Der Direktorposten
der Zentral-Gemäldegalerien würde überhaupt auch in Zu-
kunft nur einem Kunsthistoriker übertragen werden können.

Professor Ferdinand Luthmer begeht am 1. Oktober
dieses Jahres sein fünfundzwanzigjähriges Jubiläum als Di-
rektor der Frankfurter Kunstgewerbeschule.

Auszeichnungen anläßlich der Großen Berliner
Kunstausstellung. Der Kaiser hat aus Anlaß der dies-
jährigen Großen Berliner Kunstausstellung folgenden Künst-
lern die kleine goldene Medaille für Kunst verliehen: dem
Maler Heinrich Hermanns in Düsseldorf, dem Bildhauer
Konstantin Starck in Berlin, dem Maler Erich Eltze in
Charlottenburg, dem Bildhauer Erich Schmidt-Kestner in
Berlin, dem Maler Hugo Poll in Pest, dem Maler Alfred
Schwarz in Berlin, dem Maler Karl Bennewitz von Loefen jr.
in Berlin, dem Maler und Lithographen Karl Kappstein in
Wildpark bei Potsdam, dem Maler Georg Schöbel in Berlin.
 
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