Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

DOI Artikel:
Schmidt, Wilhelm: Über Ridolfo Ghirlandaio
DOI Artikel:
Wolf, August: Neues aus Venedig, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0210

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
403

Über Ridolfo Ghirlandaio — Neues aus Venedig

404

ÜBER RIDOLFO GHIRLANDAIO
In der Galerie Pitti zu Florenz befindet sich unter
Nr. 140 das Porträt einer Nonne, das unter der Be-
zeichnung La Monaca di Leonardo da Vinci bekannt
ist. Das Bild wird immer noch im Verzeichnis dem
Leonardo zugeschrieben, obwohl schwerlich irgend
ein Forscher sich zu jenem großen Namen bekennt.
Die sonst dafür genannten Künstler (darunter Lermo-
lieffs Perugino) muß ich ablehnen, den richtigen
glaube ich in Ridolfo Ghirlandaio erkannt zu haben,
den ich schon im Jahrgang 1893, Neue Folge, dieser
Zeitschrift, S. 141, vorgeschlagen hatte.

Ein anderes Bildnis derselben Hand befindet sich
in der Nationalgalerie zu London. Es ist dies das
ausdrucksvolle Kriegerporträt (Nr. 895), welches unter
dem Namen des Piero di Cosimo geht. Die genaue
Vergleichung der beiden Gemälde wird dies zuver-
lässig bestätigen. Und daß nicht minder hier an
Ridolfo Ghirlandaio zu denken ist, scheint mir außer
Frage. Schon Knapp, Piero di Cosimo (Halle 1898),
p. 92, hatte in der »Teilung des Gesichtes durch die
Nasenlinie in eine hellere und eine dunklere Hälfte,
eine Auffassung, wie sie auch Rid. Ghirlandaio liebte«,
eine Verwandtschaft mit letzterem hervorgehoben.
Von Piero will Knapp in dem Nachtrage seines
Buches auf S. 115 nichts mehr wissen; schade, daß
seine feine Bemerkung ihn nicht dazu bestimmte, das
Bild dem Ridolfo selbst zuzuteilen. Denn nicht bloß
die Auffassung des Gesichtes, auch die Malerei der
Hände und des Hintergrundes scheint mir bei Ridolfo
sich ebenso vorzufinden. (Dagegen ist der »Gold-
schmied« im Pitti kein Ridolfo, dem er jetzt zuge-
schrieben ist, sondern wie das Porträt des Louvre,
Nr. 523, von Franciabigio; vergleiche Repertorium
für Kunstwissenschaft 1903, p. 134.)

Die Verkündigung der Offizien zu Florenz (Nr.
1288), die zu den in der Gegenwart am meisten be-
sprochenen Gemälden gehört, wurde bekanntlich durch
so erfahrene Kunstkenner wie Crowe & Cavalcaselle
und Morelli dem Ridolfo Ghirlandaio zugeschrieben.
Eigentlich eine seltsame Attribution, da doch die
Werke Ridolfos durch andere Farben und Formen
sich hinreichend von denen der Verkündigung unter-
scheiden, und auch die beliebte Annahme eines »Ju-
gendwerkes« hier, wo alle Brücken fehlen, nicht zu-
gelassen werden darf. Freilich ist auch nicht an den
großen Leonardo da Vinci zu denken, wenn gleich
jeder Einsichtige zugeben wird, daß von diesem aus-
gehende Motive darin verwertet sind. Im anderen
Falle müßte bei einer bedeutenden Anzahl von Ge-
mälden ebenfalls Leonardo als Verfertiger zu nennen
sein. Hat der letztere ja überhaupt diese ältere floren-
tinische Schule — von den Mailändern gar nicht zu
reden — mit seiner Einbildungskraft befruchtet. Der
Maler ist, ebenso wie bei der kleinen verwandten
Verkündigung des Louvre (Nr. 158), die jetzt von
den Kunstgelehrten einmütig als Jugendarbeit des
Vinci betrachtet wird, niemand als der gewissenhafte,
aber phantasielose Lorenzo di Credi in seiner frühen
Zeit. Ich habe die Gründe dafür schon in meinem
genannten Aufsatze der »Zeitschrift für bildende Kunst«

1903, p. 139 f., dargelegt. Da ich dieselben hier
nicht wieder bringen mag, und überhaupt nichts
weiter hinzuzufügen wüßte, so bitte ich daselbst nach-
zulesen. WILHELM SCHMIDT.

NEUES AUS VENEDIG

Am Tage des hl. Markus besuchten die Vertreter der
Stadt die Arbeiten am Markusturme und nahmen den Be-
richt der Baukommission entgegen. Was bis jetzt dort
geschehen, bezieht sich lediglich auf die bedeutenden Ver-
stärkungen der Fundamente. 2200 Pfähle wurden einge-
rammt rings um die übriggebliebene Basis des Turmes,
und zwar so, daß die ganze Masse mit ihrem Zement ein
festes Ganzes bildet, und sodann mit Sicherheit mit der
Mauerarbeit begonnen werden kann, welche dann rasche
Fortschritte zu machen verspricht, da es sich ja um Back-
steinbau handelt. — Die Behörden glauben sich nun über-
zeugt zu haben, daß ohne Unterbrechung und mit voller
Sicherheit an dem großen Werke weiter gearbeitet werden
könne. Der Mann, der durch Wort und Schrift am meisten
die Venezianer zum Wiederaufbau zu entflammen wußte,
der für alles Schöne glühende Redner und Dramaturg,
Conte Luigi Sugana, ist der Stadt durch plötzlichen Tod
im erst 46. Jahre seines Lebens entrissen worden. Die
Trauer um ihn ist noch frisch. Sugana, selbst Zeichner,
stand der Künstlerschaft Venedigs so nahe, daß seiner
hier erwähnt werden mußte. — Eine große Enttäuschung
erfuhren Venedigs Künstler durch die Resultatlosigkeit
einer Skizzenausstellung in den schönen Räumen des
Künstlervereins. Ebensowenig Verkäufe als Besucher be-
wiesen das Erlahmen des Interesses für die Künstler und
ihrer Produkte; und doch gab diese Ausstellung, aufs
schönste arrangiert, ein viel besseres Bild von dem Können
der Venezianer als die letzte Internationale. M. Bartoluzzi,
Miti-Zanetti, Laurenti, die Familie Ciardi, Laurenti, L. Nono,
Mazzetti und andere gaben vortreffliches. Die Plastik war
vertreten durch einige geistreiche Skizzen des begabten De
Lotto, Marsiti und einige kleine Arbeiten in Marmor und
Elfenbein des E. Cadorin (Sohn des bekannten Holzbild-
hauers). Große Ehre legte dieser junge Künstler ein mit
Anfertigung einer sehr schönen Elfenbeinplakette, Bildnisse
der beiden kleinen italienischen königlichen Prinzessinnen,
im Auftrag der Königin-Mutter. Ihn allein mag dieser
Erfolg entschädigen für das Mißglücken der ganzen Aus-
stellung. Wohl beherrscht von größter Mißstimmung ließ
sich die Künstlerschaft hinreißen, dem Präsidenten der
Ausstellung Bürgermeister Grimani, eine Denkschrift zu
überreichen, in welcher sie wesentliche Änderungen in der
Organisation der nächsten Internationalen verlangte, resp.
ein Zurückgreifen auf frühere Gepflogenheiten, welche ab-
geschafft worden waren, besonders bezüglich der Haupt-
kommission und Wahl der Jury. Man verlangt ein breiteres
Eingreifen der Aussteller in diesen Dingen und Beschrän-
kung der diktatorischen Gewalt des Sekretärs Fradetetto,
der zuletzt, besonders bezüglich der Ankäufe auf der Aus-
stellung für die Stadtgalerie fast alles allein besorgt habe.
Auch Abschaffung der Geldpreise für die besten Kritiken
verlangt man. — Conte Grimani machte böse Miene zum
Vorgehen der Künstlerschaft und erklärte, daß er in keiner
Weise auf solche Wünsche eingehen könne und daß durch
jede Änderung ein Verkennen der großen Verdienste,
welche sich Fradetetto um die Ausstellungen erworben,
ausgesprochen sein würde. Die offizielle Antwort auf die
Denkschrift der Künstler steht noch aus. — Große Auf-
regung herrscht unter denselben. Presse und Publikum
stehen gegen die Künstler.
 
Annotationen